Mehr Glück beim nächsten Mal - Der Tod in Adventures

von Mr Creosote (02.06.2011)

Es gilt weitgehend als Todsünde des Spieldesigns, doch Todesgefahr hat eine lange Historie im Adventuregenre. Anfangs galt sie sogar als normaler Spielbestandteil. Wie hat sich dieser früher integrale Genrebestandteil zum unerwünschten Nervfaktor entwickelt? Warum kommt es trotzdem immer wieder auch bei neueren Spielen vor? Müssen oder sollten wir damit leben oder gibt es vielleicht Alternativen?

Die Anfänge

Zitat:
It's pitch black. You are likely to be eaten by a grue.

Zork hatte zumindest noch den Anstand, den Spieler bezüglich der Grue-Gefahr zu warnen. Diese Warnung war auch nicht übertrieben - dieses mysteriöse Monster durchstreifte die Höhlensysteme des „Great Underground Empire“ auf der ständigen Suche nach unvorsichtigen Abenteurern und schlug völlig unvorhersehbar zu. In der Dunkelheit hatte der Spieler kaum eine Chance zu verhindern, Grue-Futter zu werden. Allerdings schlug es tatsächlich nur im Dunkeln zu, so dass man sich immerhin durch Anzünden einer Laterne schützen konnte. Gefährlicher waren dagegen die komplett zufallsgesteuerten Kämpfe mit zahlreichen anderen Monstern und der berüchtigte Dieb, der ebenfalls immer in den unpassensten Situationen auftauchte. Diese Spannung war Teil der Spielerfahrung, denn ergibt es nicht durchaus Sinn, dass die Erforschung eines unterirdischen Höhlensystems mit gewissen Gefahren einhergehen würde?

kq1-09.png
Mal wieder am Ertrinken

Diese Tradition wurde im neuentstehenden Genre der Grafikadventures erstmal weitergeführt. King's Quest: Quest for the Crown legte das Fundament für Sierras Dominanz des Untergenres, die den Großteil der 80er Jahre anhalten sollte. Death Quest hätte als Titel auch gepasst: Dutzende Todesarten erwarteten den Spieler - in den Burggraben zu fallen, von einem Baum zu stürzen, in einem Brunnen zu ertrinken und von einem Drachen zu Asche verbrannt zu werden stellten gerade mal den Anfang dar.

sq1vga24.png
Beißende Kommentare über das Versagen des Spielers

Space Quest stellte hierbei neue Rekorde auf: Die Reihe schlachtete den Tod des Spielers für humoristische Zwecke aus. Die Zelebrierung des Spielerversagens nahm mit jedem neuen Teil eine zentralere Rolle ein. Den Höhepunkt stellt das Remake des ersten Teils von 1991 dar, das nach manchen Todesszenen zu einer „Wiederholung in Zeitlupe schnitt“, die von den Designern des Spiels im Stil von Sportübertragungen süffisant kommentiert wurde. Das war teilweise zwar auch für den Spieler unterhaltsam, verstärkte den Trend, mutwillig immer mehr Wege zu sterben einzubauen, jedoch noch. Der erstmal angenommene vorteilige Effekt durch die mehr oder weniger gelungenen Witze wurde also in negativer Richtung durch die zunehmende Masse mehr als wett gemacht.

Veränderte Wahrnehmung

maniac04.png
Diese Kettensäge wird einen nicht töten

Die „andere“ große US-amerikanische Firma, Lucasfilm Games, war da nicht ganz so gnadenlos. Trotzdem gab es auch in ihren Spielen zahlreiche Wege zu sterben - vor Allem in den frühen Tagen. In Maniac Mansion kann der Spieler unter Anderem eine Kernschmelze auslösen (wodurch sämtliche Charaktere auf einmal ums Leben kommen) oder von einem brutalen Charakter namens Weird Ed gemeuchelt werden. So allgegenwärtig wie bei Sierra war der Tod jedoch nicht. Für letzteres musste ein Spieler beispielsweise erstmal Eds Hamster stehlen, ihn in die Mikrowelle stecken, diese anstellen und dann die Überreste Ed unter die Nase halten - was alles für die Lösung des Spiels nicht relevant war.

mi1-050.png
Die angepassten Verben sind immerhin ein gewisser Trost

Selbst The Secret of Monkey Island, das erste Spiel von Designer Ron Gilbert, nachdem er seinen auch heute noch relevanten Essay über faire Adventurespiele verfasst hatte, schrieb, ließ den Spieler immerhin noch in einer Szene sterben: Selbst Guybrush konnte seinen Atem nur zehn Minuten lang anhalten...

mi1-081.png
Oh, nein!

Monkey Island machte sich gleichzeitig allerdings auch über die Sierrastil der Todesszenen lustig. Auf Monkey Island kann Guybrush von einer Klippe fallen - in bester Sierratradition völlig unvorhersehbar, es passiert rein durch normales Herumlaufen. Daraufhin erschien eine Dialogbox, die ganz wie bei Sierra gestaltet war, die einen darüber informierte, dass man gestorben war - allerdings tauchte Guybrush dann doch wieder oben auf der Klippe auf, da er, wie er den Spieler informierte, auf einem Gummibaum gelandet war und so doch überlebt hatte.

Doch Alles in Allem konnte selbst Lucasfilm das Genre nicht so umkrempeln, dass Todesgefahr komplett aus dem Genre verschwand. So bleibt sie bis heute ein Faktor, mit dem man immer rechnen muss.

Fairer Tod?

Das bringt uns zu der alles entscheidenden Frage: Wann ist es legitim, den Spieler/Protagonisten zu töten? Gibt es solche Fälle? Wenn ja, unter welchem Umständen und Voraussetzungen? Leider nicht so eindimensional, wie man als Gelegenheitsspieler vielleicht erstmal denken mag, sonst wäre es kein so umstrittenes Thema. Einige zentrale Aspekte zur Entscheidung dieser Fragen sollen im Folgenden kurz angeschnitten werden.

Thema des Spiels

Wile E. Coyote kann so oft von Steinen zerquetscht und von seinen eigenen Fallen in die Luft gejagt werden, wie er will - letztendlich taucht er doch immer quicklebendig wieder auf. In Cartoons stirbt niemand. Stellt man die Frage besorgter Eltern, ob diese Trivialisierung von Gewalt Kindern nicht sogar schadet, beiseite (die Beantwortung soll hier nicht Thema sein), kann das auch direkt auf Spiele übertragen werden: Cartoon-Gewalt muss nicht tödlich sein, um ihren humoristischen Effekt zu haben.

Bild

Wie steht es aber mit ernsthafteren Spielen? Also beispielsweise der Höhlenerkundung? Wie viel Spaß würde das machen, wenn die Gefahr, dass die Decke einstürzt, nicht existierte? Wüsste der Spieler genau, dass so etwas niemals passieren könnte, würde dies schonmal eine große Distanz zwischen dem Spieler und der Spielwelt aufbauen. Oder was ist mit Spielen wie Police Quest? Konfrontiert man einen Mörder, der einem jedoch garantiert nichts antun wird, sondern stattdessen geduldig abwartet, dass man ihn verhaftet - wo wäre da der Spaß? Solch eine Person würde sich doch mit Sicherheit zur Wehr setzen.

Vorhersehbarkeit

silverload29.png
In Silverload kann der Spieler rein dadurch sterben, einem eigentlich unverdächtigen Haus zu Nahe zu kommen.

Zahllose Spiele, vor Allem in den frühen Tagen, töteten den Spieler auf vollkommen unvorhersehbare Weisen. Man konnte sterben, nur weil man einen Raum betrat... oder auch dadurch, dass man einen Raum nicht betrat (d.h. durch zu langes Stillstehen). Das Problem damit ist natürlich das große Frustrationspotential, da sich der Spieler „ungerecht“ behandelt fühlt. Kommt man nur durch Ausprobieren, Sterben und Wiederholen weiter, macht dies keinen Spaß. Genau hierüber hatte sich Monkey Island in der zuvor erwähnten Gummibaumszene lustig gemacht.

Manche Spiele machen anstehende Gefahren dagegen im Vorhinein deutlich. Dies kann auf abstrakter Ebene geschehen (wie beim Grue) oder auch in konkreten Fällen, so dass dem Spieler bewusst ist, dass er etwas potentiell gefährliches tun könnte in der folgenden Szene. Versucht man etwas mit Dynamit in die Luft zu sprengen, sollte es implizit klar sein, dass man sich nach dem Anzünden der Zündschnur in Todesgefahr befindet und die Dynamitstange so schnell wie möglich loswerden sollte. Vorsichtige Spieler werden in einer solchen Szene erstmal im Affekt speichern.

Was direkt zum nächsten Punkt überleitet...

Wiederherstellung

prisoner13.png
Weder der Nazi, noch das Monster stellt eine wirkliche Gefahr dar

Wie geht das Spiel mit dem Tod des Spielers um? Der klassische Ansatz war immer: selbst Schuld, hoffentlich ist der letzte gespeicherte Spielstand nicht zu alt. Mit der Zeit wurde jedoch die Funktion, fatale Aktionen direkt rückgängig zu machen, immer üblicher. Eine solche Funktion gibt es beispielsweise in Prisoner of Ice: Am Anfang von Szenen, in denen der Spieler sterben kann, wird automatisch gespeichert.

Diese Lösung hat allerdings auch zwei Seiten: Es ist zwar sehr praktisch für den Spieler insofern, dass das frustrierende wiederholte Spielen längerer Abschnitte vermieden wird, aber wie passt das zu den diskutierten Situationen, die eigentlich Gefahr kommunizieren sollen? Wie gefährlich wirkt ein solches Monster: Es kann einen zwar mit einem Happs verschlingen, aber das kann man ganz gelassen sehen, denn einen Knopfdruck später steht man wieder lebendig vor ihm. Ist das nicht genau die Cartoonlogik? Drückt man sich mit dieser Rücknahme-/Ladeoption nicht nur um das eigentliche Problem?

Fazit

Was auch immer man nun selbst über Todesszenen in Adventures denkt - eingestehen, dass sie unvermeidbarer Teil des Genres sind, muss man. Das liegt nicht nur an faulen oder einfallslosen Entwicklern - obwohl das bei vielen Spielen auch einer der Hauptgründe sein mag. Valide Gründe, den Spieler in Todesgefahr zu bringen, existieren.

So wie es unterschiedliche Beweggründe für das Einbauen solcher Szenen gibt, so sind auch die Arten mit ihnen umzugehen verschieden. Hier wird es allerdings erst richtig kompliziert. Wie stark darf ein Spiel die eventuellen Auswirkungen der Spielerhandlungen abfedern, also Entscheidungsfreiheit einschränken, um Frustration zu vermeiden? Es gibt zwar probate Mittel, solche Frustrationsschübe abzufedern, von denen einige genannt wurden, aber dem Spieler zu viel Verantwortung zu entziehen kann den Gesamteindruck ebenfalls verschlechtern.

Ist die Lösung also, nur noch Cartoonspiele zu produzieren, in denen Tod nicht vorkommt; das Problem also vollkommen zu vermeiden? Das wird hoffentlich niemals ernsthaft vorgeschlagen werden. Was man als Spieler jedoch erwarten kann und sollte, ist, dass die Designer eines Spiels sich diese Dinge genauestens überlegt haben - denn niemand gibt einem Spiel, bei dem man von einer vorher nicht sichtbaren Kutsche überrollt wird, wenn man die leere Straße betritt, heutzutage eine zweite Chance (Gold Rush!...).

Bildstrecke: Du bist tot! Laden oder neu anfangen?

Quiz