Cinemaware-Dämmerung… das vorletzte Spiel dieser berühmt-berüchtigten Firma bietet wieder den Genremix, den man mittlerweile von ihr erwartete. Die Meisterdesigner (so zumindest die Behauptung des ursprünglichen Firmennamens) auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Zu schade, dass der Markt ihnen kein Überleben erlaubte. Wirklich schade? Ja, wirklich, denn ihre letzten Spiele zeigten einen deutlichen Aufwärtstrend – und It Came From the Desert ist im Rückblick ganz sicher eines ihrer beiden Highlights, wenn nicht sogar die Krönung ihres Schaffens.
Inspiriert von den Monsterfilmen der 1950er Jahre, insbesondere natürlich dem charmanten Formicula (und in geringerem Maße dem schrecklich unterhaltsamen In der Gewalt der Riesenameisen) hat ein Meteoreinschlag ursprünglich stinknormale Ameisen zu riesenhafter Größe wachsen lassen. Diese Kreaturen fallen nun über das nahegelegene Dorf her. Es obliegt dem Spieler, Beweise für ihre Existenz zu sammeln, die Verteidigung zu organisieren und schließlich dieser Bedrohung für die gesamte Menschheit den Garaus zu machen.
Doch was unterscheidet dieses Spiel überhaupt strukturell von den früheren Spielen Cinemawares? Hauptsächlich stechen zwei Aspekte ins Auge.
Erstens trifft es erzählerisch ins Schwarze. Die archetypischen Genrecharaktere und Themen sind mehr als köstlich. Das hinterwäldlerische Dorf inmitten der Wüste, das im Zuge der boomenden Nachkriegswirtschaft auf eine bessere Zukunft hofft. Der Protagonist von Außerhalb, dem viele Einheimische mit Argwohn begegnen, der aber andererseits auf die Frauenwelt eine gewisse Faszination ausübt. Die anständige junge Naive auf die eine Art, die Sexbombe auf die andere. Der Wissenschaftler, dem keiner glauben will. Der ignorante Bürgermeister, der die Augen ganz fest vor der Realität verschließt, bis es fast (oder ganz, je nach Erfolg des Spielers) zu spät ist. Der junge, eifrige Handlanger. Die halbstarke Rockerbande, die selbst angesichts der bevorstehenden Apokalypse immer noch auf gefährlichen Spaß aus ist. Die Geschäftsinteressen gewisser Bau- und Bergbaufirmen, die manche über den sicheren Untergang stellen. Um nur Einiges zu nennen.
Zweitens, und dies ist sogar noch wichtiger, gelang Cinemaware hier endlich mal eine beinahe makellose spielerische Umsetzung. Vordergründig ist es die altbekannte Ansammlung von Minispielchen, doch man hat den klaren Eindruck, Thema und Plot wären zuerst gekommen und die Spielelemente ergäben sich organisch aus den Notwendigkeiten der Geschichte. Der gegenteilige Eindruck, man spiele gerade nur eine wackelig drangepropfte Actionsequenz, kommt nie auf. Und dann stellt sich das Spiel sogar im Verlauf selbst auf den Kopf, wenn es von einem primären Genre in ein anderes wechselt. Doch selbst das passt wie die Faust aufs Auge, denn dieser spielerische Bruch folgt wiederum einer plottechnischen Wendung.
Es beginnt im groben Bereich des Adventuregenres. Der Spieler bewegt sich in Echtzeit durch die Stadt, trifft auf Leute, unterhält sich mit ihnen oder vollführt anderweitige Interaktionen. Das erste Ziel besteht wie gesagt in Ermittlungen über die Ameisen und die Überzeugung zentraler Charaktere von den Existenz. In dieser Phase erlaubt das Spiel bereits ein einigermaßen nichtlineares Vorgehen – sowohl bezüglich Zeit, also auch Ort und Art der Beweise – so dass verschiedene Wege zum Ziel führen, ein klar „bester“ Pfad nicht existiert. Nicht zu vergessen lässt einem das Spiel auch genügend Raum, Seitenstränge des Plots zu verfolgen, wie eben der Konflikt mit den Rockern oder die sich anbahnende Romanze.
Im späteren Verlauf verschiebt sich die Hauptaktivität in Richtung eines simplen Strategiespiels, in dem verschiedene „Verteidigungseinheiten“ auf dem Stadtplan verteilt werden, sich den dann offen stattfindenden Ameisenattacken zu widersetzen. Was im Rahmen des Plot logischen Sinn ergibt.
Immer wieder werden dazu kleine Actionszenen eingestreut und sorgen für Abwechslung. Man darf ein Auto fahren, ein Flugzeug fliegen, ballert auf Ameisen, entflieht dem Krankenhaus in einer urkomischen Slapstickszene, liefert sich ein Duell mit Messern usw. Wiederum ergibt all das Sinn. Man muss in das Ameisennest gelangen? Das Spiel erlaubt einem den Fußweg, aber viel Spaß dabei, sich durch die zu dem Zeitpunkt herumschwärmenden Horden zu kämpfen. Alternativ schwingt man sich ans Steuer eines Panzers oder fliegt per Doppeldecker erstmal in die Nähe und schleicht sich nur noch die letzten Meter zu Fuß dorthin. Zumindest wenn einem die Verteidigung des Flugplatzes gelungen ist. Und klar, das Flugzeug kann auch zu anderen Zwecken, beispielsweise Luftaufklärung, eingesetzt werden.
Soll heißen: Das Design ist in zwei Dimensionen praktisch vollständig. Erstens war der Gedanke der Designer nicht „wir brauchen eine Actionszene, in der man sich durch die Ameisen kämpft, um ihr Nest zu erreichen“, die sie anschließend umgesetzt hätten, sondern sie haben sich das zur Hand genommen, was sich bereits aus anderen Gründen im Spiel befand, und was logisch diesen erzählerischen Zweck erfüllen könnte – und erlauben jede dieser vorstellbaren Varianten. Zweitens haben damit viele dieser Ressourcen im Spiel mehr als einen Zweck.
Doch wenn sich Cinemaware von einem Riesenhit wie Defender of the Crown ausgehend wirklich immer weiter gesteigert hat, warum ist es dann am Markt gescheitert? Abgesehen davon, dass sie nicht besonders flexibel bei Umsetzungen auf verschiedene Computerplattformen waren, und ihr Schicksal damit mit der langsam absteigenden Amigaplattform verbanden, könnte ein weiterer entscheidender Faktor auch die Konsolidierung des Marktes auf klar voneinander abgegrenzte Spielprinzipiel sein. Die Genregrenzen wurden immer besser definiert und entsprechende Zirkel von Genrefans bildeten sich heraus, die teilweise sogar spielerische Anleihen anderer Genres strikt ablehnten. Cinemawares Ansatz, das Spiel den Notwendigkeiten der Erzählung folgen zu lassen, stellte dadurch damals niemanden so richtig zufrieden.
Einer ihrer letzten Versuche sich über Wasser zu halten blieb die Erweiterungsdiskette namens Antheads (sogar als It Came From the Desert II vermarktet, obwohl das Originalspiel notwendige Voraussetzung war), die ein zweites, leicht abgeändertes Szenario in der gleichen Spielwelt bot. Nun verwandelten sich die Menschen selbst in Ameisen. Schön für Fans, aber neue Zielgruppen erschloss man sich damit ganz sicher nicht.
Heutzutage, da narrativ getriebene Spiele eine Nische und ihre eigene Zielgruppe gefunden haben, mag eine alte Perle wie It Came From the Desert reif für eine Wiederentdeckung sein. Und wenn es nur ist, um zu sehen, wie weit Cinemaware von ihren nicht sonderlich bescheidenen und erfolgreichen, aber eigentlich gar nicht mal so tollen Frühwerken in nur wenigen Jahren hin zu rundum gelungenen Produktionen wie dieser gelangt sind. Schade, dass man sich ihrer praktisch ausschließlich aufgrund ersterer erinnert.
Kommentare (4) [Kommentar schreiben]
It even stars the brother of Juan Ruiz https://policequest.fandom.com/wiki/Juan_Jose_Ruiz
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but what about part III no one talks about?
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Tolle Seite.
Spiele gerade wieder It came from the Desert aufn Emulator. Leider kann ich mir die Karte und die Datendisk nicht von hier downloaden.
Amigianer Gruesse!
;)