Winter Games
für PC (CGA)

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Herr M.:
Firma: Epyx
Jahr: 1986
Genre: Sport
Thema: Individualsportarten / Multiplayer
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 11751
Rezension von Herr M. (14.12.2014)
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Werte Leser, herzlich willkommen zu unserer Live-Berichterstattung der Winter Games! Die Veranstalter hätten sich kaum einen besseren Tag wie den heutigen dafür aussuchen können: Čerenkov-blau strahlender Himmel, nur leicht durchsetzt von kleineren Ansammlungen von reinweißen Quadratwölkchen. Die Sicht ist sogar klar genug für einen Blick auf die drei Purpurspitzen in der Ferne.

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Schaut wirklich 'cool' aus

Gerade zieht der Läufer mit der olympischen Fackel ins Stadion ein und rennt zum Becken hinauf um es zu entzünden. Was sehe ich da? Sein Körper ist ganz blau gefroren! Hat dem guten Mann niemand gesagt, dass bei solchen Temperaturen ein ärmelloses T-Shirt vielleicht eine Spur zu frisch ist? Da flammt auch schon das Epyx-Feuer auf und die weißen Tauben werden losgelassen. In endlosen Schwärmen fliegen sie in dieser großartigen Eröffnungszeremonie über das Publikum hinweg.

Hier kommen unsere wackeren Athleten, die sich ganz dem olympischen Gedanken folgend dazu entschlossen haben gleich an allen sieben Disziplinen teilzunehmen. M, ein Veteran so mancher winterlichen Veranstaltung, tritt für die große Skifahrernation Österreich an, nicht zuletzt, da ihm, Zitat, „das grünblaue Adler-Imitat auf der Fahne so wunderbar gefällt“. Weiters haben wir Potemkin, der für Mütterchen Russland antreten wird, um ein wenig hinter die Kulissen zu schauen. Und schließlich noch Epyx der seine Siege origineller weise dem Land gleichen Namens widmen möchte. Geographen streiten noch ein wenig darüber, wo dieses exotische Land nun liegen mag, aber in einem sind sie sich alle einig: Nichts geht über dessen ebenso hochfrequente wie auch -originelle Hymne. Böse Zungen behaupten allerdings, dass hier einfach nur die Tonleiter rauf und runter geleiert wird.

Schon geht es los mit dem ersten Wettbewerb: Dem Hot Dog, bei dem die Athleten Skisprünge mit möglichst beeindruckenden akrobatische Manöver darbieten sollen. Epyx wird sich daran als erster versuchen. Langsam rutscht er dem Hügel entgegen, setzt zum Sprung an, und schon ist er in der Luft. Er zögert, verliert an Höhe, viel zu spät setzt er zu einer Rechtsdrehung an und landet schließlich mit dem Gesicht voran im Schnee. Wenig überraschend liegt seine Wertung im 0.0 Bereich. Nun ist Potemkin an der Reihe. Höre ich ihn ein „Warum reagiert die verdammte Steuerung nicht?“ fluchen? Wie auch immer, er setzt einfach nur am Boden auf und erreicht eine ähnlich hohe Punktezahl wie Epyx. M scheint auf Nummer sicher zu gehen, denn es ist ein leicht hämmerndes Geräusch zu vernehmen, als er eine elegante Drehung macht und dafür immerhin eine 5.7 erzielt.

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Welch herrlicher Anblick

Zeit für den zweiten Durchgang. Epyx scheint dazu gelernt zu haben und setzt schon viel früher zur Drehung an. Doch sein Versuch die Rolle vorwärts mit einer Grätsche zu kombinieren lässt ihn abermals unsanft im Schnee landen. Diesmal wenigsten mit dem Allerwertesten voran. Potemkin ist noch risikofreudiger und meint dass eine 10.0 wohl nur mit zwei Rollen drin sein sollte. Doch mehr als eineinhalb Drehungen scheinen sich beim besten Willen nicht auszugehen und so verharrt er am Ende in exakt der selben Position wie sein Vorgänger. M versucht, wenig originell, seinen vorherigen Sprung zu wiederholen, doch diesmal will es nicht so recht klappen.

Der dritte Durchgang sieht ähnlich erfolglos aus. Scheinbar schaffen es die Athleten, so sehr sie sich auch bemühen nicht, mehr als eine Rolle oder eine Grätsche durchzuziehen, für einen zweiten Stunt reicht die Sprunghöhe beim besten Willen nicht. Liegt es an einer mangelhaften Sprungtechnik, oder haben die Architekten der Schanze da ein wenig gepfuscht? So oder so ziehen unserer Kandidaten ein wenig frustriert zum nächsten Wettbewerb, und sind sich einig, dass diese Disziplin wegen ihrer chaotischen Natur nur mäßig Spass gemacht hat. Bis auf M der sich über Gold und eine verunstaltete Version von Land der Berge „freut“.

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Leider wurde die Pinkfichte Ende der 90er für ausgestorben erklärt

Weiter geht also zum Biathlon. Potemkin ist dieses mal als Erster an der Reihe. Man sieht ihm deutlich an, dass ihm dieser Sport etwas mehr liegt. Gekonnt setzt er die Stecken in den Schnee und gleitet blitzschnell dahin, vorbei an gemütlich verschneiten Hütten, den seltenen Pinkfichten und dem Pixelpracht-Bach. Nur beim Schießen trifft er leider ein paar mal daneben, wofür er einen gehörigen Malus einstreicht. Mit 2:03 setzt er die Hürde für seine Gegner recht niedrig an. M, der als Zweiter dran ist, zieht noch schneller dahin, man sieht aber wie sich seine Hände ein wenig verkrampfen. Scheinbar hat er Probleme mit dem richtigen Rhythmus, der für diese Disziplin unerlässlich ist. Beim Schießen erlaubt er sich keinen einzigen Fehler und erreicht am Ende eine Traumzeit von 1:44. Epyx setzt, nachdem er Ms Krämpfe beobachtet hat, auf eine etwas ungewöhnlichere, dafür aber auch entspanntere Technik. Meine Experten teilen mir gerade mit, dass es sich dabei um den so genannte „Tastaturbuffer“ handelt. Wirklich von Erfolg gekrönt ist dieser allerdings nicht: 1:57 reicht leider nur für den zweiten Platz.

Während sie abermals der fröhlichen piepsenden Version eines maßlos pathetischen Stücks Mozarts lauschen, sind sich alle drei einig, dass diese Disziplin deutlich unterhaltsamer als die vorherige war. Immerhin bot sie ein wenig Abwechslung und setzte ein wenig mehr Talent voraus, als einfach nur wildes Herumzucken. Als einziges Manko nennt M, dass er dieses rhythmische Geklopfe im Zuge seiner Spielelaufbahn inzwischen schon ein paar mal zu oft gesehen hat, um davon noch wirklich beeindruckt zu sein.

Nun ist das Speed Skating, also der Eisschnellauf, an der Reihe. Und man mag es kaum glauben, aber zum ersten mal treten zwei der Kandidaten direkt gegen einander an! Auf der oberen Bahn sieht man Potemkin, der vor Nervosität ganz bleich im Gesicht ist und nochmal bei seinem Trainer nachfragt, wie er seine Beine unter Kontrolle bringen kann, während Epyx auf der unteren Bahn schon bereit steht. Da ertönt auch schon der Startschuss! Epyx legt einen epischen Start hin und zieht davon, während Potemkin noch mit seinen Beinen streitet. Scheinbar will nur das linke so wirklich. Endlich schafft er es aber auch das rechte dazu zu motivieren ihn voranzutreiben und schon hat er ein gehöriges Tempo drauf. Doch leider zu spät, denn sein Gegner ist bereits am Ziel angekommen.

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Man beachte die merkwürdigen Schatten

Bleibt nur noch M, der gegen einen mysteriösen vierten Sportler, den so genannten Computer Pacer antritt. Beide stehen sie bereit, der Startschuss steht unmittelbar bevor. Aber ist das denn die Möglichkeit?! Ein Fehlstart! Beide reagieren verfrüht und das Rennen wird abgebrochen. Was für eine Blamage für M, der einer so einfachen Veranstaltung nicht so harte Regeln zugetraut hätte. Völlig verdutzt zieht er ab und muss den Platz an der Spitze diesmal für Epyx räumen.

Jener versichert uns, während endlich einmal eine andere, wenn auch nicht unbedingt bessere, Hymne aus den Lautsprechern dröhnt, dass ihm dieser Lauf wirklich gut gefallen hat, obschon er sich nur geringfügig vom vorherigen unterschieden hat. „Das Geheimnis liegt im Takt, der hier einfach viel angenehmer war. Ich kam mir fast wie ein echter Profi vor.“

Während sich unsere Wettbewerbsteilnehmer für den nächsten Wettbewerb einer Geschlechtsumwandlung unterziehen müssen, nutzen wir die dadurch entstehende Pause um einen Blick auf die Geschichte dieser Veranstaltung zu werfen. Erstmals fand diese 1985 parallel in C64, Apple II und Macintosh statt. Berichten zufolge soll es bei den ersten beiden um einiges bunter zugegangen sein, als hier in PC, während bei letzterem die Sicht auf den reinweißen Schnee um vieles klarer war. Gerüchtweise konnte man sogar Äste auf den Bäumen und, man höre und staune, die Gesichter der Athleten erkennen. Die Spiele waren ein solcher Erfolg, dass man sich beschloss sie zwei Jahre später gleich an noch mehr Orten auszutragen. Neben dem bereits erwähnten PC, auch in Amiga, Atari und im fernen Japan in NES. Die hiesigen Spiele sollen allerdings mangels Ressourcen zu den am wenigsten beeindruckenden zählen.

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Rate die Fahne

Gerade kommt die Meldung herein, dass unsere Eiskunstläuferinnen zum Figure Skating bereit stehen. Als erstes tritt Potemkin an, die in die recht große Fußstapfen ihrer Landsmänner und -frauen zu treten hat. Das Orchester setzt zu Tschaikowskis Nussknacker Marsch an, und schon startet sie los. Aber was ist das? Sie ist keine paar Meter gelaufen und fällt bereits auf die Knie! Ein Raunen geht durchs Publikum. Nochmal fällt sie hin, diesmal nach hinten. Das ist kein besonders guter Start. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen und beginnt eine atemberaubende Pirouette. Irgendwas scheint nicht zu stimmen, sie kann nicht mehr aufhören sich zu drehen! Und schon landet sie wieder am Eis. Damit ist die Minute auch schon abgelaufen und die Preisrichter sind sich einig: 0.0 scheint fast noch zu viel für diese triste Vorstellung. Potemkin lässt sich allerdings nicht unterkriegen und hat die Arme dennoch hoch in die Luft erhoben.

Es folgt Fräulein M, die sich sogleich daran macht mehrere Axel und Pirouetten anzusetzen. Man mag es kaum glauben, aber manche davon glücken sogar und sie setzt sogar zu einer geschickte Kombination an, die atemberaubend elegant wirkt, doch leider wieder einmal in einem Sturz endet. Dennoch scheint die Wertung der Preisrichter ein wenig hart: Nur 1.6 Punkte für eine solch beeindruckende Darstellung ist wohl kaum gerechtfertigt.

Epyx, die als nächstes an der Reihe ist, muss erst noch ruhig gestellt werden. Ständig hört man sie „Seht euch diese Schenkel an!“ unter beinahe mädchenhaften Gekicher wiederholen. Endlich fährt sie los. Ein wenig lässt sie den nötigen Ernst vermissen und wechselt nur zwischen vorwärts und rückwärts Fahrt hin und her, während man sie über das selbst für Eiskunstläuferinnen reichlich knappe Miniröckchen lästern hört. Die Wertung von 0.0 scheint da durchaus verdient.

Während abermals die Lobgesänge auf die Gebirge und Gewässer einer kleinen Bergnation zu hören sind, stellt man fest, dass sich diese Disziplin viel zu wenig von der ersten unterscheidet. Außer, dass sie deutlich zu lange dauert und man noch weniger Kontrolle über den Ablauf zu haben scheint.

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Dieser Versuch einen neuen Sprungstil zu entwickeln ist leider zum Scheitern verurteilt

Eine rasche Rückumwandlung später steht Epyx bereits auf der Sprungschanze zum Ski Jump. Er steht ganz oben und ist sich nicht so sicher, ob er der mit dem Himmel und dem Gebirge verschmelzenden Konstruktion wirklich trauen kann. Doch da geht er bereits in die Hocke und rutscht hinab. Er springt und rudert wie wild mit den Armen um seine Körperhaltung auszugleichen, seine Ski überkreuzen sich, er kommt viel zu weit nach hinten und setzt mit dem Rücken nach unten auf. Das muss schmerzen! 57 Meter ist zudem nicht sonderlich beeindruckend. M hingegen lehnt sich viel zu weit nach vorne und kommt mit dem Bauch voran auf. Immerhin schafft er es so auf 2 Meter mehr. Ob das für eine Medaille reicht? Potemkin geht abwechselnd von einer gestreckten in eine hockende Haltung und kommt schließlich wenig elegant auf. Mit 51 Metern erreicht er ein neues Tief.

Der zweite und der dritte Durchgang sehen leider nicht viel besser aus. Potemkin fällt am Ende gar ein wenig unrühmlich von der Schanze. Letzten Endes holt Epyx mit einem knappen Vorsprung von zwei Punkten doch noch Gold. Alle drei Sportler sind sich einig, dass das Skispringen deutliches Verbesserungspotential hat. Potemkin findet es besonders langweilig, dass es hier eigentlich nur gilt, die Körperhaltung aufgrund obskurer Signale zu korrigieren. Ihm scheint zudem die Sprungweite äußerst zufallsgesteuert, was für einen wirklich sportlichen Wettbewerb natürlich absolutes Tabu sein sollte.

Der nächste Programmpunkt ist abermals Eiskunstlauf. Diesmal in Form von Free Skating. Schreiend versuchen alle drei Athleten zu flüchten. Das Komitee zeigt aber keine Gnade, es bleibt ihnen nicht erspart das Eisparkett zu betreten. Epyx und M reagieren mit Verweigerung und laufen einfach zwei Minuten im Kreis, während Potemkin versucht so viele Fehler wie möglich zu machen, in der Hoffnung durch Negativpunkte auf die Gräuel dieser Disziplin aufmerksam zu machen. Der Ausschluss sämtlicher Athleten von der Wertung hält aber das äußerst sture Orchester nicht davon ab dennoch einen Sieger zu küren: Kurzerhand wird, da man sich schon darauf eingespielt hat, die gute alte österreichische Bundeshymne angestimmt.

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Rosa heißt hier rechts abbiegen

Alle drei Olympioniken wollen für den letzten Wettbewerb, dem Bobsled, nochmal ihr bestes geben. Potemkin bringt seinen Schlitten in die Bahn und rast los. Die ersten paar Kurven stellen keinerlei Schwierigkeit für ihn da. Doch da kommt eine Enge Kehre. Wird er es schaffen? Ganz knapp schrammt er am Rand entlang, er kann sich aber halten. Zwei enge Kurven hintereinander meistert er gekonnt, nur noch einmal nach rechts abbiegen und er wäre vor der Zielgeraden. Doch, nein! Das Publikum schreit enttäuscht auf als er mit seinem Bob umkippt und so knapp vorm Finish zu stehen kommt.

Epyx macht sich fest entschlossen daran die rosa Linie zu überqueren. Wild und ungestüm wirft er sich mal nach links mal rechts und manövriert sich zu jener Stelle vor, an der Potemkin aufgeben musste. Die Zuschauer halten gespannt die Luft an… und JA! er hat es geschafft und rutscht durch das Ziel. Ein Jubeln geht durch die Menge und das Orchester stimmt spontan eine Freudenmelodie an, die allen Anwesenden einen zusätzlichen Schauder des Schreckens über den Rücken jagt.

Nun liegt es an M diese Bestleistung zu überbieten. Mit völlig ausdruckslosem Gesicht nimmt er in seinem Bob Platz und fährt los. Die ersten Kurven meistert er wie ein Profi. Kurz wundert er sich warum man sich entschlossen hat die Kehren mit einem solch grauenhaften Zuckerlrosa zu markieren, als er in einem Augenblick der Unachtsamkeit auch schon gegen die Wand knallt.

Während Epyx zum Siegerpodest schreitet, erntet das Schlittenfahren von seinen Kontrahenten das ein oder andere Lob. Die eigentliche Action findet zwar auf sehr kleinen Raum statt, und vieles an den Anzeigen scheint reiner Luxus, wenn nicht gar Verschwendung, ist hier endlich einmal echtes Geschick gefragt ist und nicht wildes oder monotones Hin- und Herreißen.

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Laaand der Beeerge, Laaand am Stro-home!

Ohne Umschweife findet auch gleich die Abschlusszeremonie statt. M gewinnt mit knappen drei Punkten Vorsprung vor Epyx, weshalb schon wieder eine Melodie zu hören ist, die ein paar mal zu oft gespielt wurde (an dieser Stelle sei den Veranstaltern zukünftiger Sportveranstaltungen empfohlen darauf zu achten solche Wiederholungen zu vermeiden). Kurz bleibt uns noch Zeit für einen Kommentar durch unserer wackeren Streiter:

M: „Eine völlig unspektakuläre Aneinanderreihung willkürlich gewählter Sportarten, noch dazu ohne Skifahren! Mag sein, dass sie einmal ihrer Zeit voraus war, aber nach all den Jahren wirkt das alles extrem angestaubt. Mich stört vor allem, dass sich die Disziplinen sogar untereinander wiederholen, und damit meine ich nicht nur, dass der Eiskunstlauf zweimal auftaucht.“

Epyx: „Wenn ich noch einmal Land der Berge höre, muss ich Kotzen…“

Potemkin: „Selten eine so hässliche Landschaft gesehen. Wer meint, dass er sich diese Spiele antun muss, sollte das anderswo machen als am PC.“

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