Infra Arcana
für PC

Mr Creosote:
Firma: Martin Törnqvist
Jahr: 2011
Genre: Rollenspiel
Thema: Sonstige Fantasy / Horror
Sprache: English
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 10940
Rezension von Mr Creosote (17.06.2016)
Avatar

Neuengland im beginnenden 20. Jahrhundert. Der legendäre Kult der Sternenforscher, berühmt-berüchtigt für seine verschwörerischen Bräuche und seinen unglaublichen Reichtum, ist einer unerklärlichen Tragödie zum Opfer gefallen. Von seinem Tempel ist nur noch eine Ruine übrig und ihre restlichen Mitglieder sind in alle Winde verstreut. Eine unerwartete Gelegenheit für einen Abenteurer, endlich das einstmals unbetretetbare Allerheiligste zu infiltrieren und dort ordentlich zu plündern.

Infra Arcana präsentiert sich als klassisches Roguelike: Der Spieler wird direkt in einen Dungeon zufällig generierter Levels versetzt, wo er alle möglichen Monstern begegnet, Kisten aufbricht, um sich neu zu versorgen, und in dunklen Winkeln rastet, um seine Wunden zu versorgen. Eigentlich ist es also nichts anderes als ein Hack'n'Slash-Spiel ohne auch nur die Andeutung einer Plotentwicklung zwischen dem Einleitungstext und dem Ende; Charaktere, mit denen man zumindest halbwegs friedlich interagieren könnte, existieren nicht.

Unbeschreiblicher Schrecken!

Erfrischend vom Genrestandard der D&D entlehnten Themen distanziert, holt sich das Spiel seine Inspiration im Horrorgenre. Insbesondere H.P. Lovecraft diente als Vorlage. Kreaturen anderer Mythologien haben ebenfalls (natürlich zufällig zusammengestellte) Auftritte – manchmal mit ironischem Augenzwinkern, was die prinzipiell grimmige Stimmung kurzfristig auflockert.

infra_arcana18.png

Das ewige Problem, Lovecraft'sche Motive in andere Medien zu adaptieren, ist, dass seine Geschichten von der blumigen Sprache, mit dem er das unvorstellbare beschreibt, leben. Oft erzählt er von physisch unmöglichen Formen oder fällt sogar darauf zurück, etwas explizit als „unbeschreiblich“ zu nennen. Wie soll man das in ein visuelles Medium überführen?

Infra Arcanas Grafik geht den bestvorstellbaren Weg. Alles wird in einer Art Silhouettenstil dargestellt, der die meisten Details immer noch der Vorstellungskraft des Spielers überlässt. Die kontrastreiche schwarz-weiße Umgebung wird nur in das leuchtende Rot der durch die Kämpfe entstehenden Blutspritzer getüncht, was der Atmosphäre des Spiels sehr zu Gute kommt.

Kämpfe!

Viele solcher Spiele drehen sich nur darum, das +1-Schwert zu finden, damit weitere Monster zu schlachten, dann auf +2 umzusteigen und dann findet man plötzlich die supergeile +5 Kriegsaxt und hackt sich damit durch einfach alles, was sich einem in den Weg stellt! Wow! Infra Arcana beschränkt sich auf nur wenige Waffenklassen mit nur geringer Variation.

Ähnlich eingeschränkt sieht es mit der Charakterentwicklung aus. Mit steigender Erfahrungsstufe des Spielers schwellen seine Muskeln nicht etwas zu absurden Proportionen an; explizite Charakterwerte und ihr Fortschritt sind tatsächlich sogar in neueren Versionen aus dem Spiel herausgeflogen. Die einzige gezielte Entwicklung besteht in der Auswahl einer neuer Fertigkeit pro Erfahrungsstufe. Dabei handelt es sich um Fähigkeiten wie Schleichen, höhere Trefferwahrscheinlichkeit oder ein stärkerer Geist.

Da liegt die Frage nahe, ob sich ein dermaßen beschränktes Spiel überhaupt lohnt. Es ist jedoch alles Teil einer durchdachten Designstrategie. Anstatt ein Spiel über Ausrüstungsgegenstände zu machen, steht das taktische Spielprinzip im Vordergrund.

Das Überleben hängt, so lernt man schnell, davon ab, seine Kämpfe intelligent zu wählen. Rückzug und Vermeidung ist oft eine sinnvolle Strategie und besteht wirklich keine Alternative dazu, sich durch diesen Raum voller Horrorkreaturen zu kämpfen, muss man sich immerhin das beste Vorgehen überlegen. Mit seiner gezogenen Machete hineinzustolzieren mag auf Level 2 noch funktionieren, aber später muss man es sich schon genau überlegen, ob man vielleicht die Schrotflinte zückt (was natürlich wertvolle Munition kostet) oder auch erstmal eine Stange Dynamit wirft – oder auch eine Rauchgranate, um den richtigen Kawumm doch noch für später aufzusparen.

Wahnsinn!

Ähnliche Balanceakte erwarten einen bei der Mechanik des schleichenden Wahnsinns. Je länger der Spieler in einem Level herumstolpert, desto höher wächst sein „Schock“-Wert. Zusammentreffen mit bestimmten Monstern und einige Umgebungen können plötzliche Sprünge nach oben auslösen. Ist die Skala am oberen Ende angekommen, schlägt sich das auf den Wahnsinn des Spielers wieder, was sich häufig in konkreten negativen Effekten niederschlägt. Beispielsweise könnte es passieren, dass man Platzangst entwickelt, was sich natürlich in einem Dungeoncrawl besonders hinderlich darstellt.

infra_arcana07.png

Apropos Ängste: Vielfach entscheidet sich die Taktik auch durch die Zustände des Spielers. Er kann in Panik geraten, infiziert oder vergiftet werden oder auch einfach erschöpft vom dauernden Kämpfen – andererseits aber auch Resistenzen gegen einige dieser entwickeln, erhöhtes Glück gewinnen oder andere positive Zustände erreichen. Dies zum eigenen (teilweise temporären) Vorteil zu nutzen oder eben (wenn negativ) mit in Betracht zu ziehen, ist ebenfalls zentrale Aufgabe.

Einiges kann durch Tränke oder magische Schriften (oder im Fall des Okkultisten auch durch memorisierte Zaubersprüche) beeinflusst werden. Welche jedoch ganz in Genretradition erstmal blind ausprobiert werden müssen…

Rettung?!

Negativ muss für Infra Arcana der sehr hohe Schwierigkeitsgrad verbucht werden. Stellenweise überschreitet es schon deutlich die Schwelle der Unfairness. Zum Glück ist es jedoch kein allzu langes Spiel. Mit im Prinzip 30 Levels, die auch für sich jeweils nicht allzu groß sind, und ohne die Möglichkeit des Rückzuges (Stufen zurück nach oben existieren nicht; dieser Zwang, immer weiter alternativlos nach unten vorzudringen tut ebenfalls Einiges für das positive Druckgefühl) ist der Verlust eines Charakters aber immerhin nicht allzu tragisch.

Zweitens ist die Grafik doch ein ganzes Stück zu düster! Außerhalb der aktuell sichtbaren Umgebung (die schön hervorgehoben wird) ist praktisch nichts mehr zu erkennen, auch wenn logisch gesehen der Charakter ja durchaus eine Erinnerung daran haben sollte.

Natürlich kann ein eher simples Spiel dieser Art ohne echte Rollenspielelemente nicht in höchste Suchtlevel vordringen. Die starke Fokussierung auf die zentralen Spielelemente, die beinahe perfekt ausbalanciert sind, und jeden noch so erfahrenen Spieler immer wieder vor neue Herausforderungen stellen, sorgen trotzdem für eine hervorragende Spielerfahrung. Definitiv empfohlen!

Kommentare (1) [Kommentar schreiben]

[Antworten]

Quiz