Wizardry Gold
für PC (Windows)

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LostInSpace:
Weitere Titel: Wizardry 7: Crusaders of the Dark Savant
Firma: Sir-Tech
Jahr: 1996
Genre: Rollenspiel
Thema: Science Fiction / Schwerter & Magie
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 13484
Rezension von LostInSpace (13.09.2016)
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In der Geschichte des CRPG (computer role-playing game) dürften die Titel der Wizardry-Reihe jedem Old-School-Spieler einen Schauer der Begeisterung entlocken. Die Reihe startete bereits in den frühen 80er Jahre und endete erst 2001 mit Wizardry 8: Destination Dominus, hatte aber als Lizenzprodukt hauptsächlich in Japan noch viele weitere Ableger und Nachfolger wie Wizardry Online bis ins Jahr 2012 hinein. Eine der Lichtgestalten unter den Spielentwicklern namens D. W. Bradley erschuf für die Firma Sir-Tech die riesigen Welten von Wizardry V: Heart of the Maelstorm (1988), Wizardry VI: Bane of the Cosmic Forge (1990) und schließlich Wizardry VII: Crusaders of the Dark Savant (1992) bevor er das Boot verließ und seine eigene Softwareschmiede gründete. D. W. Bradley übertraf sich nochmal selbst und kreierte bereits ein Jahr vor dem Wizardry 8-Release den meiner Meinung nach einzig legitimen Nachfolger zu Wizardry 7: nämlich Wizards And Warriors.

Die Story der drei letzten Wizardry-Titel war als Triologie angelegt. Im Wizardry-Universum haben die Cosmic Lords – gottgleiche Wesen – die Fäden des Schicksals in der Hand. Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen. Denn sie schreiben mit dem Cosmic Forge – einer magischen Feder, deren geschriebenes Wort in der realen Welt in Erfüllung geht. Dieses Artefakt der Götter wird vom König Bane und seinem mächtigen Zauberer Xorphitus gestohlen, bevor es die heldenhafte Party des Spielers am Ende von Wizardry VI wiederfindet. Wegen der entwendeten Feder fliegt das Geheimnis um den bisher durch göttliche Allmacht versteckten Planeten Guardia auf. Vor tausenden von Jahren hatte ein genialer Denker namens Phoonzang das Rätsel des Lebens gelöst und seine Erkenntnisse dort – gespeichert in einem ultimativen Artefakt – hinterlassen. Nun beginnt die Jagd auf diese Astral Dominae, die dem Besitzer nichts Geringeres als die Zerstörung oder die Erschaffung des ganzen Universums erlaubt. Mit von der Partie ist der Bösewicht Dark Savant, dessen Raumschiff wir unangenehmerweise beim Anflug auf den Planeten Guardia begegenen.

Die Dimension der kosmischen Verstrickungen und Vermengung von Science-Fiction-Elementen mit klassischen Rollenspiel-Ambiente beginnt noch zögerlich mit dem Besteigen eines Raumschiffs in der Endsequenz von Wizardry VI und wird nun in Wizardry VII konsequent fortgesetzt. Auf Guardia gibt es sogar das Volk der Helazoid, also rätselhafte kichernde weibliche Wesen aus der Zukunft auf fliegenden Hover-Schlitten. Der Dark Savant umgibt sich zum eigenen Schutz mit riesenhaften Kampfrobotern, sogenannten Battle Droids. All dies trifft nun die mittelalterliche Rollenspielseele unserer Partymitglieder. Es verwundert also kaum, dass sie das am Himmel fliegende Spaceship als „fliegenden Wal“ wahrnehmen. Überhaupt wird besonders die Fantasie des Spielers in vielerlei Hinsicht gefordert, doch dazu gleich mehr.

Wir befinden uns je nach Abschlußsequenz des Vorgängerspiels nach Import unserer alten Party nachts bei Mondschein in einem Waldabschnitt aus dem es unheilverkündend brummt und summt vor den Toren der jeweils alliierten Städte. Das kann Ukpyr – die Heimat der Umpani, einer Rhinozeros-artigen militanten Rasse –, Dionysceus – hier lebt das Volk der Dane, das sind mystische, hochgewachsene, blauhäutige Druiden, die im Kontrast zu den mönchischen lebenden Munks auch gern den weltlichen Dingen wie Wein, Geld und Sex zusprechen – oder im Falle einer neu erstellten Party eben New City sein. Die Fortbewegung geschieht wie auch noch Anfang der 90er Jahre üblich ruckartig auf Quadranten von Feld zu Feld, die umgebende Waldtextur wird sich im Verlauf des ganzen Spieles nicht mehr ändern, ebensowenig wie die beschränkte Geräuschkulisse bestehend aus 3 immer wiederkehrenden Songthemen und den ewig gleichen Soundeffekten.

Haben wir also nach fünf Minuten Intro und einer Minute umherlaufen schon alles gesehen?

An dieser Stelle sei der Meister selbst aus einem seiner seltenen Interviews zitiert: „Nevermind that the brick forest still appeared as dungeon walls – this was a time when magical realms still lived in imagination and not the video display.“ Die Verpackung ist also noch nicht das eigentliche Spielerlebnis. Wir haben es in diesem Spiel zwar immer mit den gleichen Sprites zu tun – egal ob es das nahezu unbesiegbare Beast Of 1000 Eyes aus der Chamber Of Gorrors oder nur ein Jelly Stinger ist, den sogar eine Level-3-Party leicht besiegen kann – das Monster sieht stets genau gleich aus. Die Kunst besteht laut D. W. Bradley darin, den Spieler mit den beschränkten technischen Mitteln in den Bann seiner phantastischen Welt zu ziehen. Dort sind wir nicht allein. Es gibt sogar ganze rivalisierende Partys, die parallel zu unserer Party die heißbegehrten Landkartenstücke mit den Hinweisen auf die Astral Dominae suchen und uns beim Öffnen von Schatztruhen zuvor kommen können. Die Völker von Guardia senden ihre NPCs (Non Player Character) aus, mit denen man verhandeln und Allianzen schmieden kann. Der Umpani „Rodan Lewarx“ trachtet dem T'Rang „Shritis“ nach dem Leben, da er seinen Vater getötet hat. Der Spieler kann nun wählen, ob er moralisch handelt und ihm hilft, oder sich auf die Seite der ekelhaften T'Rang schlägt. Diese Entscheidungen haben natürlich entsprechenden Einfluss auf die Gesinnung der anderen Artgenossen und man kann einen feindlich gesinnten Umpani nur mit viel diplomatischen Geschick, starken „Charm“-Zaubersprüchen und hohem Bestechungsgeld noch dazu bringen, mit der Party Handel zu treiben. Leider wird man auch als Verbündeter regelmäßig vom Fußvolk dieser Rasse angegriffen.

Du bist ein Fan von Old-School RPGs? Dann zeig mir wie hart Du im Nehmen bist!

Die Angriffe der Monster sind stets überraschend, da man den Feind nicht von der Ferne kommen sieht. Es wird nach bestimmten Wahrscheinlichkeiten bei jedem Schritt ausgewürfelt, ob ein Kampf stattfindet. Der Bildschirm wechselt in den Combat-Modus. Jetzt legt man in aller Ruhe für jeden der 6 Partymitglieder für die Runde eine Aktionen wie Spell (Zaubern), Hide (Verstecken), Kick, Punch, Bash oder sogar Run fest und lässt dann den eigentlichen Kampf automatisch ablaufen.

Der Computer berechnet die Trefferpunkte anhand der verschiedenen Parameter und Statistiken. Dabei spielt (Würfel-) Glück eine wichtige Rolle. So kann unter Umständen gleich in der ersten Runde ein Critical Hit gelandet werden, der das Monster sofort killt. Ansonsten hilft die richtige Mixtur der angebotenen Aktionen.

Besonders bei den Zaubersprüchen hängt der Erfolg an der Wahl der Mittel. Die Berufsgruppen Mage, Priest, Alchemist, Bishop und Psionic haben jeweils ein eigenes Spellbook mit einer Auswahl von etwa 40 Sprüchen aus den insgesamt 96 im Spiel möglichen Zaubersprüchen. Diese sind nochmal in folgende 6 Realms unterteilt: Fire, Earth, Water, Mental, Air und Devine. Das Mana wird für jeden Realm einzeln gesammelt. Dadurch kann ein bestimmter Realm besonders ausgebaut werden. Ein Psionic könnte komplett auf den mentalen Realm spezialisiert ist, da er seine Sprüche größtenteils mentaler Art sind. So kann er zum Beispiel mit Mindread Gedanken von NPCs lesen und somit einen Vorteil bei Verhandlungen haben. Die NPCs reagieren nämlich nur auf bestimmte wenige Schlagworte, an die man allerdings ohne einen detaillierten Walkthrough oder auf legalem Wege über superspezielle und nur schwer zu erreichende Zaubersprüche nicht heranbekommt.

Um das durch exzessives Zaubern verlorene Mana wieder aufzuladen, tut eine gelegentliche Rast nach einem Kampf sehr gut. Doch hier muss der Spieler leider buchstäblich im „Echtzeit-Modus“ minutenlang vor dem Monitor warten, bis die Energieanzeige wieder voll aufgeladen ist. Überraschen uns während des Rastens unvermittelt Gegner, verschlafen unsere Recken auf den ersten 3 Plätzen gegebenenfalls den Überfall. Dann sind die Fernkämpfer gefragt, die den Gegner von den hinteren 3 Rängen mit Geschossen oder Zaubersprüche eindecken können. Sollte es trotz allem einmal einen unserer Helden erwischen, gibt es natürlich auch den obligatorischen Resurrection-Spell, um den Kämpfer wiederzubeleben.

Für die Charaktergenerierung stehen 11 Rassen zur Auswahl. Angefangen bei Wesen von der tolkienschen Mittelerde wie dem Hobbit, über den spitzohrigen Elfen, dem axtschwingenden Zwerg oder dem ganzkörperbehaarten Mook bis hin zum echten feuerspeienden Drachen ist so ziemlich jedes Fantasie-Wesen vertreten. Nach der Festlegung der Rasse und des Geschlechts werden die Zusatzpunkte erwürfelt. Denn bestimmte Berufe erfordern bestimmte Punkte in der Grundstatistik. Erst beim Erreichen der vorgegebenen Punktezahl kann der Charakter für heißbegehrte Berufe wie Samurai oder Ninja auserkoren werden.

Der Versuch, die extrem anspruchsvolle Kombination FaerieNinja zu erwürfeln ist fast so aussichtslos wie ein 6er im Lotto. Realistischer ist es, sich mit einem FaerieFighter zu begnügen. Im Laufe des Spiels kann nämlich der Beruf gewechselt werden, so daß man halt erst später zum Ninja wird. Zu den Berufen gehören noch die Skills. Der Thief kann gut stehlen oder Schlösser knacken, während ein Ranger mit seinem Scout Skill geheime Buttons an Wänden entdeckt.

Im Zuge der weltweiten Verbreitung der Windows-Betriebssysteme hat man sich bei Sir-Tech 1996 entschlossen, auf die DOS-Version eine Fenster-unterstützende Variante namens Wizardry Gold folgen zu lassen. Dadurch konnte auch dem umständlichen Aufruf des Mapping Kit über das Inventar ein Ende gemacht werden, denn es steht nun ein eigenes dauerhaft eingeblendetes Fenster mit der Landkarte offen. Damit der Innovation nicht genug. Die Charakterportraits wurden überarbeitet und dem damals angesagten Anime bzw. Comicbook Style angepasst. Dem Ruf eines der schwersten Rollenspiele seiner Zeit zu sein, wollte man etwas entgegensetzen und integrierte außerdem ein Hint Book mit seichten Hinweisen auf die Lösung einiger Rätsel im Spiel. Um auf den Zug der zunehmenden Multimedia-isierung aufzuspringen, sind außerdem die kompletten Texte in Sprachausgabe zu hören. Irgendetwas musste ja rechtfertigen, dass das Spiel von früher 2 Disketten auf eine ganze CD angeschwollen ist. Insgesamt erntete die Neuauflage jedoch überwiegend Kritik, da es im eigentlichen Spielablauf keinerlei Neuerungen gab. Nichtsdestotrotz basieren meine Screenshots übrigens auf der Gold-Version, da das Original partout meine alten Savegames nicht schlucken wollte.

Bereits ein Jahr nach Erscheinen des englischen Originals kam 1993 eine deutsche Übersetzung in den Handel. Die Qualität der Übersetzung ist bei diesem Spiel absolut entscheidend. Denn die schwere, dichte und Melancholie-geladene Atmosphäre wird hauptsächlich von den teilweise ins Philosophische gleitenden Texten getragen. Wizardry VII ist ohne Frage ein Klassiker, aber leider nur schwer zugänglich. Die englischen Texte lassen dem leidlich mit Schulenglisch beschlagenen Spieler eine Menge Interpretationsspielraum offen. Die deutsche Übersetzung leistet somit einen nicht zu verachtenen Beitrag zum allgemeinen Spielverständnis. Wobei ich nicht überzeugt bin, dass die Tiefe und Eleganz der Originalsprache erreicht wird. Oder es ist einfach die Angst an einem Meisterwerk etwas zu verändern, das eventuell die Harmonie des Ganzen stört. Wer dies für unbegründet hält, sollte der deutschen Version eine Chance geben. Aber Vorsicht: die meisten Walkthroughs sind nur auf Englisch.

Ja, ihr habt richtig gehört: Ohne Walktrough leidet der Spielspaß erheblich. Es gibt zwar 3 Schwierigkeitsgrade, aber auch im Leichtesten sind die Monster reichlich und knackig. Die Spielwelt ist riesig und eine unnötige Reise von einer Stadt zur anderen kann mehrere Spielstunden in Anspruch nehmen, ohne dass man dadurch dem Spielende wesentlich näher kommt. Daher ist der Walkthrough nur das adäquate Hilfsmittel, um ein Grundgerüst und eine Orientierung in dieser feindlichen Welt an der Hand zu haben. Es bleibt genug Raum für unendlich viele Einzel- und Endkämpfe. Aber auch diplomatische Aktionen haben Einfluss auf den Verlauf der nicht-linearen Geschichte. Es geht natürlich auch einfach um so praktische Dinge, wie logistische Erwägungen bezüglich des beschränkten Platzes im Inventar. Es sind personelle Angelegenheiten bei der Entwicklung der Charaktere innerhalb der Party zu klären. Oder es tauchen Fragen auf wie:

Auf welchen Zaubersprüche freut man sich besonders bei der nächsten Beförderung unseres Magiers?

Nicht zuletzt kann man sich an den skurillen Figuren erfreuen, die in hochanspruchsvollen und tiefsinnigen Texthäppchen präsentiert werden. Natürlich möchte der geneigte Abenteuerer sehr gerne hier und da eines dieser fremdartigen Spezies in seine Party aufnehmen, um beispielsweise von der immensen Kampferfahrung eines Xen Xheng zu profitieren – dem Vorstand der Dojo-Schule 5 Flowers in der Stadt Munkharama. Solcherlei Ansinnen kann erst der Nachfolger Wizardry 8 erfüllen, wo sich dann sogar die bereits eingeführte storytragende Vi Domina als Walküre der Party anschließen darf.

In Wizardry VII sind rollenspieltechnische Komplexität und kreativer Detailreichtum kunstvoll mit einer für heutige Verhältnisse vielleicht als primitiv verschrienen Spielmechanik verwoben. Ein Blick auf erfolgreiche aktuelle Titel wie Might And Magic X zeigt jedoch, dass die betagte ruckartige Vorwärtsbewegung über Quadratfelder im Gegensatz zum gleitenden stufenlosen Durchfahren a là Ultima Underworld I & II viel eher eine Geschmacksfrage in den Augen des Spielers sein kann und nicht allein wegen technischer Realisierbarkeit als das Nonplusultra gelten sollte.

Es liegt in der Natur der Sache, dass in einem Rollenspiel gekämpft wird. Die häufigen Auseinandersetzungen in Wizardry VII können jedoch trotz dem ausgeklügelten rundenbasierten Kampfsystem ermüdent sein. Hinzu kommen die langen Wartezeiten vor dem Monitor während der immer gleiche Jingle vor sich her dudelt und man auf die Regenerierung der Lebenspunkte hofft, bevor ein zufällig aufkreuzender Gegner die Party im Schlaf überrascht. Es ist also nicht schwer, das Spiel verzweifelt in die Ecke zu schmeißen. Aber es ist viel zu faszinierend, um es dort zu lassen.

P.S. Wer ein bisschen cheaten will, hat vielleicht Interesse an einer richtig schlagkräftigen Start-Party. Ich biete hiermit an, eine beliebige Wunschparty auch mit hochgeschraubten Statistikwerten zu generieren. Wer schon immer mal mit einem Faerie-Ninja spielen wollte, kann sich bei mir melden.

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