Andor's Trail
für Android

Mr Creosote:
Firma: Oskar Wiksten
Jahr: 2010
Genre: Rollenspiel
Thema: Kämpfen / Schwerter & Magie / Unfertig
Sprache: English, Deutsch, Italiano, Francais
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 13103
Rezension von Mr Creosote (16.12.2018)
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Gewisse Genres funktionieren auf mobilen Plattformen inhärent besser als andere. Ein entscheidender Aspekt ist die Spielintensität. Auch können sich Geräte, die ausschließlich per Touchscreen bedient werden, keine komplexen Bedienungsschemata erlauben. Mal abgesehen von den sich generell zu mehr Hektik verschobenen Lebensumständen der meisten Menschen ist dies wohl der Hauptgrund für den Aufstieg sogenannter „Casual Games“. Andor's Trail ist in einem solchen Ökosystem ein Kuriosum.

Es handelt sich um ein konsolenartiges Rollenspiel mit Elementen eines Roguelikes, wie beispielsweise teilweise zufällig bevölkerten Dungeons. Es ist ziemlich umfangreich; obwohl es streng genommen sogar noch unfertig ist, kann man locker wochenlang spielen, ohne dabei alles gesehen zu haben. Die Kernspielmechanik verlangt nach konzentriertem Spielen, aber dazu später mehr.

Die Spielwelt besteht aus einer recht großen Weltkarte mit diversen Städten und dazwischen weiteren Orten von spielerischem Interesse. Abgesehen von einer gewissen Lebendigkeit bringen Nicht-Spielercharaktere zwei Funktionen ins Spiel ein: als Händler und als Auftraggeber für Quests.

Erstere sind von Belang, da der Charakterfortschritt primär ausrüstungsdefiniert ist. Darin liegt die größte Stärke des Spiels: Die „ultimativen“ Gegenstände gibt es nicht. Man muss immer zwischen Vor- und Nachteilen abwägen. Das Spiel verlangt dem Spieler diesbezüglich auch keine unnötig langfristigen Festlegungen ab.

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Was Quests angeht, so decken sie eine große Bandbreite im Bezug auf Umfang, Schwierigkeitsgrad und Belohnung ab. Sie können im wahrsten Wortsinne endlos sein, wie beispielsweise die Eingangsaufgabe, den verschwundenen Bruder zu finden. Einige sind recht gut gemacht, da sie nicht ausschließlich aus Kämpfen oder Geduldsproben bestehen. Doch allzu viele beschränken sich dann eben doch auf eben solche Geduldsproben, wenn man beispielsweise beauftragt wird, eine bestimmte Anzahl rarer Gegenstände aufzutreiben oder viel zu lange Fußwege quer durchs Land auf sich nehmen muss.

Neben dem Voranbringen des Plots gewinnt man durch Quests Erfahrungspunkte. Dies ist jedoch leider nicht so gut gelungen, wie das Ausrüstungskonzept. Charakterklassen gibt es nicht und Characterwerte beschränken sich auf Stärke, Gesundheit und Geschicklichkeit, was ja erstmal übersichtlich genug ist. Doch dann kommen noch Talente dazu. Aus dieser Liste kann alle paar Levels ein neues ausgewählt werden. Viele der möglichen Talente hören sich praktisch an, doch ihr tatsächlicher Nutzen (oder eben nicht) kann sich erst im späteren Spielverlauf herausstellen; also in einer Phase, wenn Levelaufstiege bereits seltener geschehen. Was also wieder das alte Problem des Rollenspielgenres an sich ist: Der Spieler wird gezwungen, bereits anfangs langfristige Weichenstellungen vorzunehmen ohne das dafür notwendige Informationsfundament.

Immer noch durchaus verzeihlich. Schwerer wiegt, dass das Kern von Andor's Trail reines Grinding ist. Durch Quests allein erreicht man niemals die notwendigen Erfahrungspunkte, um organisch von einer Spielstation zur nächsten zu schreiten. Geld ist zu Beginn des Spiels ebenfalls nicht trivial aufzutreiben. Der Spieler wird so gezwungen, Stunden mit repetitiven Handlungen zu verbringen; immer und immer wieder die gleichen Dungeons zu besuchen, immer und immer wieder die gleichen Monster abzuschlachten. Und zwar nicht nur, wenn man eher ängstlich veranlagt ist, und eine größere Sicherheit möchte, sondern es ist pure Notwendigkeit.

Findet man einen interessanten Ausrüstungsgegenstand in einem Shop, sollte man sich schonmal eine eine gute Stunde einstellen, bevor man ihn bezahlen kann. Im Spiel kommen auch Artefakte mit besonderen Werten vor; doch selbst hier fiel den Entwicklern nichts besseres ein, als sie besonders seltene Beute von Zufallsbegegnungen zu machen. Was soviel heißt, wie dass man sie wiederum mit mehreren Stunden Langeweile zu erkaufen hat.

Das Spiel macht einige Zugeständnisse an die Beschränkungen seiner Plattform. Tod ist beispielsweise nicht von Dauer, sondern wird als schwere Verletzung umgedeutet, die einen nur zum letzten Speicherpunkt zurückwirft und Erfahrungspunkte kostet. Besonders exakte Bewegung ist meist nicht von entscheidender Bedeutung. Nicht zuletzt ist ein großer Unterschied zu den Konventionen des Roguelike-Genres, dass Monster nicht den Spieler verfolgen, wenn sie ihn erspähen. Vielmehr folgen sie ihren jeweils vorprogrammierten Bewegungspfaden in zufälligen Schritten folgen, wobei der Schritt auf das Feld des Spielers als Angriff interpretiert wird. Was einerseits nicht so schlecht ist, denn wenn man das Telefon mal kurz aus der Hand legt, will man natürlich nicht unbedingt in der Zwischenzeit massakriert worden sein. Andererseits werden dadurch lange Abschnitte des Spiels zu einem Wartespielchen, wenn man immer wieder sichere Felder sucht, auf denen man ausharren kann, um seine Lebensenergie wiederaufzufüllen, ohne von Gegnern überfallen zu werden. Nicht gerade spannend.

Dass Andor's Trail unfertig ist, als nicht durchgespielt werden kann, sollte einen nicht abschrecken. In vielerlei Hinsicht ist es eine echt gekonnte Produktion und tatsächlich umfangreicher als viele seiner „fertigen“ Konkurrenten. Wenn nur der Kern des Spiels etwas origineller wäre! Aber trotzdem ist es keine schlechte Wahl auf einer Plattform, auf der – entgegen der weitverbreiteten Meinung – gar nicht mal so viele wirklich gute Spiele ohne Haken und Ösen (d.h. Spyware) außerhalb des Puzzlegenres existieren. Wenn längere Stunden unterwegs bevorstehen, warum nicht mal einen Blick wagen?

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