The Lost Files of Sherlock Holmes
für PC (DOS)

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Mr Creosote:Seth:Gesamt:
4.5/6
Besucherwertung:
5.3/6
Weitere Titel: Los archivos secretos de Sherlock Holmes
Firma: Electronic Arts
Jahr: 1992
Genre: Adventure
Thema: Umsetzung eines anderen Mediums / Krimi
Sprache: English, Deutsch, Français
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 30278
Rezension von Seth (27.05.2012)

Stimmung. Jedes mediale Werk versucht eine solche zu kommunizieren. Auch wenn sie größtenteils subjektiv ist, bin ich der Ansicht, dass die Stimmung, oder auch die Botschaft, die einem ein Werk vermittelt wird, ganz primär das Gesamturteil beeinflusst, dass man sich schließlich darüber machen wird. Leser, die sich das zu Herzen nehmen, wissen nun bereits genau, was die Basis der folgenden Rezension sein wird.

Ich glaube, dass es dieses Spiel war, das mein Interesse an dem Mann mit dem Hut und der Pfeife begründet hat. Und obwohl es in mancherlei Hinsicht nicht den Vorlagen entspricht, so ist es doch offensichtlich, dass in vielen Details und Sachverhalten doch die Bücher zum Vorbild genommen wurden: Irgendjemand in der Designabteilung von EA war bestimmt ein Holmes-Fan. Als das Intro vorüber war und es in die das Wohnzimmer in der Baker Street ging, war ich völlig in diese Welt eingetaucht. Warum? Wegen der STIMMUNG.

Eine Tragödie liegt von Anfang bis Ende in der Luft, selbst wenn es letztenendes gar nicht so tragisch ausgeht, wie es erstmal scheint. Auch gibt es ein Gefühl der nostalgischen (und dadurch absoluten) Akzeptanz der Dinge, die da in Bewegung sind und vielleicht gar nicht aufgehalten werden können. Und dass das alles so wirkt, liegt wie üblich an der Musik.

Man hört hier einige der schönsten Musik, die es jemals in einem Computerspiel gab. Die wunderbar melodische Komposition lässt einen vergessen, dass man tatsächlich nur einem MIDI-Stück zuhört, und man wünscht sich regelrecht, dass ein Kammerorchester eines Tages mal ein Konzert mit diesem Material geben könnte. Das melancholische, fast schon klassische, Hauptthema taucht in unterschiedlichen Stimmungslagen im Spiel immer wieder auf: Gespielt mit einer Geige in Holmes' Wohnung, also seinem eigenen Lieblingsinstrument; in einem Staccato-Tonfall auf der Straße und aufwühlend in den Actionszenen. Jede Ortschaft und jedes Ereignis bekommt sein eigenes musikalisches Thema, ganz wie beim iMUSE-System, wodurch ein cineastischer Eindruck entstehen soll. So wie das häufig, und willkommenermaßen, in den Grafikadventures der frühen 90er Jahre gehandhabt wurde.

Die Grafiken sind hübsch, aber die Animationen könnten ein wenig besser sein. Sie sind auf zweierlei Weise eigenartig: Die Benutzung von Licht und Schatten ist fantastisch, insbesondere bei der Belichtung des viktorianischen London haben die Designer hervorragende Arbeit geleistet, und auch die Hintergründe und Objekte machen aufgrund der verwendeten Farbpalette einen schimmernden Eindruck. Dadurch entsteht der Eindruck, dass über allen Szenen ein Nebel liegt, selbst in den Innenräumen. Ob das nun Absicht war, oder nicht, wie üblich werden einige Leute das mögen, aber andere auch wiederum nicht.

Schon allein wegen der visuellen und auralen Erfahrung empfehle ich „The Lost Files of Sherlock Holmes“. Die Geschichte, Szenerie und die Dialoge gefielen mir ebenfalls, aber ich habe eine übersetzte Version gespielt, so dass ich mal vergleichen müsste, wie die Originaldialoge sind. Natürlich bin ich voreingenommen, da dies eines meiner ersten Grafikadventures überhaupt sowie mein Einstieg in das Holmes-Universum war. Übrigens, wusstet ihr, dass es eine CD-ROM-Version dieses Spiels (ich glaube auf dem 3DO) gibt, die sogar ein paar kleine Filmszenen mit echten Schauspielern für die Dialogszenen beinhaltet? Ich habe diese Fassung noch nicht gespielt, und so kann ich über die schauspielerischen Qualitäten jedoch nichts sagen.

Übersetzt von Mr Creosote

Rezension von Mr Creosote (29.04.2003)
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Eine junge Schauspielerin wurde direkt hinter dem Theater brutal ermordet. Es sieht so aus, als hätte Jack the Ripper sein erstes Opfer außerhalb von Whitechapel gefunden: Die Kehle der armen Frau wurde durchschnitten und ihr Körper ist überzogen mit Wunden, die eigentlich nur von einem Skalpell verursacht werden konnten. Inspektor Lestrade von Scotland Yard führt die Ermittlungen - und er bittet der Welt ersten, berühmtesten und einzigen „Consulting Detective“ um Hilfe: Sherlock Holmes.

Das Spiel beginnt schonmal sehr vielversprechend. Den wohl berühmtesten „Bösewicht“ der viktorianischen Ära mit dem bekanntesten „Helden“ der Zeit zusammenzubringen akzeptiert man trotz dem offensichtlichen Widerspruch (der im Spiel auch erwähnt wird), dass Sherlock Holmes eigentlich nie mit aufschlitzenden Verrückten zu tun hat. Das Intro zeigt Holmes auch in erfrischend gewöhnlicher Alltagskleidung und ohne Pfeife im Mund.
Bezüglich letzterem muss man dann allerdings sofort einen Rückschlag hinnehmen. Ab sofort läuft der Protagonist ausschließlich in diesem komischen Mantel, mit dem ihn jeder zu verbinden scheint, den er aber laut Sir Arthur Conan Doyle nur auf Landreisen tragen würde, herum. Der Fernsehvirus hat wieder zugeschlagen (aber zumindest bleibt uns das dauernde Ziehen an der Pfeife erspart...)!
Andererseits gibt es genügend kleine Details, die das mehr als wieder wettmachen. Das riesige „VR“ an der Wand in 221b Baker Street (wie erwähnt in The Musgrave Ritual) ist nur eines davon. Fans werden auch bekannte Charaktere treffen und noch viel mehr Kleinigkeiten, über die sie schon gelesen haben, entdecken.

Um auf das Spiel zurückzukommen: Die erste „spielerische“ Szene ist tatsächlich auch sehr vielversprechend! Auf sehr „holmesianische“ Art und Weise muss man nach kleinen Hinweisen wie Zigarrenstummeln suchen - und man führt erfrischende Dialoge mit Watson und Lestrade über seine Deduktionen.

Obwohl die meisten Szenen für sich gesehen wirklich gelungen sind, kann das Spiel letztendlich aber nicht die hohen Erwartungen voll erfüllen. Holmes, und damit der Spieler, scheint (höchst untypisch für ihn) nur passiv von einer Szene in die nächste zu stolpern. Er scheint nie tatsächlich Schlüsse zu ziehen, um dann entsprechend selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Die Rätsel sind entsprechend: Einfach alle Personen über alles ausquetschen - Lügen oder auch nur einfach Verweigerung irgendeiner Information (selbst einer selbstbelastenden) scheinen den Charakteren dieses Spiels weitestgehend fremd.

Sherlock Holmes' großes Ego wäre sicherlich gerne mit einem Verbrechen, dass im Laufe des Spiels so weitreichende Kreise zieht, in Verbindung gebracht worden. Ob sein Intellekt sich allerdings angeregt gefühlt hätte, ist stark zu bezweifeln. Wer klassische Detektivgeschichten mag, oder auch einfach nur ein Faible für viktorianisches Flair hat, wird sicherlich gut unterhalten sein durch dieses Spiel mit seinen schönen Impressionen des alten Londons. Andererseits sind dann da wieder die unausgeschöpften Möglichkeiten...

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