1992 jährte sich die „Entdeckung“ des amerikanischen Kontinents zum 500. Mal. Gerade rechtzeitig brachten Impressions ihr dazu passendes Spiel heraus. Nicht nur die Entdeckung, sondern auch die folgende Eroberung und Kolonisierung. Das alles auf Basis ihrer Merchant-Colony-Engine, also wahrscheinlich mit geringem Aufwand.
In der Rolle einer der europäischen Großmächte der Zeit schickt man seine Schiffe westwärts bis sie auf Land treffen. Die Wahl macht keinen merklichen Unterschied. Wenn man also leicht ahistorisch werden möchte, kann man gerne beispielsweise als Preußen (historisch ganz klar eine Landmacht und im ausgehenden 15. Jahrhundert auch noch nichteinmal überhaupt bedeutend) oder Genua (deren Mittelmeerkolonialreich gerade untergegangen war) spielen. Abenteuerlustige kleine Siedlerfiguren schwärmen in Echtzeit aus, fällen Bäume, legen Sümpfe trocken, bauen ihre Wohnhäuser und legen Äcker an. Moment, könnte man im Gebirge nicht nach Erzen suchen?
Gut, dass unsere Schiffe noch bereitliegen, die so gewonnenen Waren in Europa oder einem anderen Hafen der Welt mit ordentlichem Profit abzustoßen. Wobei letzterer natürlich steigt, wenn man statt Rohmaterialien selbst weiterverarbeitete Güter abstößt. Dafür sind Fabriken von Nöten. Mit dem Profit steigt logischerweise auch die Macht – wobei das genaue Spielziel anfangs selbst ausgewählt werden kann (das meiste Gold, die meisten Siedlungen usw.), was dann die Gesamtstrategie bestimmt.
Im Unterschied zu Merchant Colony liegt ein stärkerer Fokus auf der Expansion zu Lande. Die Ureinwohner mögen sich erstmal einigermaßen friedlich verhalten, sind aber von unserer Expansion nicht besonders angetan. Also müssen wir uns gezwungenermaßen mit Forts schützen oder aber offensive Strafexpeditionen durchführen. Spätestens wenn man ihr Land braucht. Kawumm! Eine andere europäische Nation sitzt auf all den Goldminen? Nicht mehr lange – kawumm! Oder überlassen wir ihnen einfach die Drecksarbeit und fangen ihre Transportschiffe mit unseren Freibeutern ab? So entwickelt sich eine Partie Discovery bemerkenswert historisch, geleitet und ausgelöst durch die jeweiligen Bedürfnisse des Spielers.
Positiver Nebeneffekt ist dabei, wie einige der Probleme des Vorgängers, wenn schon nicht gelöst, zumindest umgangen werden. Die Wegfindungsroutine der Schiffe hat sich keinesfalls verbessert, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass sie an Küsten einfach hängenbleiben und irgendwann aufgrund schlechter Moral zur Piraterie übergehen. Doch die Hauptbewegungsrichtung ist Ost-West, direkt über den weiten Ozean, und Häfen sind direkt auf der Weltkarte als Ziele auswählbar, so dass das immerhin seltener vorkommt.
Irgendwann bemerkt man dann im fortgeschrittenen Spielverlauf, wie viel weniger man sich noch um die Details kümmert. Wo es anfangs noch überlebensnotwendig ist, jedem Siedler genaue Befehle zu geben, da sie ansonsten – im besten Fall – nur Holz hacken oder – im schlechtesten Fall – im Sumpf verenden (ja das geschieht immer noch, wobei die Sümpfe immerhin manuell trockengelegt werden können), kann man sich ab einem gewissen Punkt auf das Große und Ganze konzentrieren. Der Spielinhalt verschiebt sich also von detaillierter, kleinschrittiger Optimierung hin zu globalstrategischen Entscheidungen. Dies fördert die Langzeitmotivation ungemein.
Ja, Discovery löst letztlich keines der Probleme des Vorgängers, aber es federt ihre negativen Auswirkungen zu einem ausreichenden Grad ab. Nach einem zwar stressigen, aber auch fordernden Anfang, stellt sich schnell ein Erfolgsgefühl ein, wenn die kleinen Untertanen sich auf dem Land ausbreiten, jeder scheinbar irgendwelchen Geschäften nachgeht. Nicht immer direkt zielgerichtet, aber schön anzuschauen. Dieser Wuselcharme mag in späteren Spielen noch stärker ausgeprägt und auch mit ausgefuchsteren Wirtschaftsmodellen gekoppelt worden sein (insbesondere Die Siedler), aber für sich gesehen ist Discovery doch schon ein kleines Meisterwerk – trotz Bedienungsschwächen.
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