East vs West: Berlin 1948
für Amiga (OCS/ECS)

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Mr Creosote:
Firma: Rainbow Arts
Jahr: 1989
Genre: Adventure
Thema: Spionage / Historisch
Sprache: Deutsch, English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 28811
Rezension von Mr Creosote (11.12.2021)
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Aus naheliegenden Gründen wurde Berlin der Schauplatz zahlloser Spionagegeschichten in allen Medien. Eine geteilte Stadt, der Westteil sozusagen eine Insel mitten im Ostblock. So lief die Stadt dem vormaligen Champion Istanbul locker den Rang ab. Gedanken an Finale in Berlin oder Das Quiller-Memorandum erfüllten mich mich großer Vorfreude, als ich zuerst East vs. West: Berlin 1948 ins Diskettenlaufwerk schob.

Ein Intro im Wochenschaustil setzt die Szene, deren Ton man sich von der beigelegten Audiokassette verinnerlichen darf. Der zweite Weltkrieg ist vor wenigen Jahren zu Ende gegangen. Mit der Blockade Berlins ist die Scheidungserklärung der vormals durch die gemeinsamen Feinde zusammengehaltenen Allianz offiziell. Die eiligst eingerichtete Luftbrücke bedeutete Widerstand und so hätte der Konflikt schnell „heiß“ werden können. Wie wir aus der Realität wissen, blieb es beim Kalten Krieg zwischen West- und Ostblock, doch Pläne für die Alternative lagen ganz sicher in den Schubladen.

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Auf ins geteilte Berlin!

Im fiktiven Spielszenario hat die US-Armee eine Atombombe in die Stadt geschmuggelt. Selbstverständlich nur, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Ahem… Doch dann ist ihnen die Bombe abhanden gekommen. Ahem… CIA-Agent Sam Porter sollte sie besser schnellstens wieder auftreiben, doch dabei tunlichst unbemerkt bleiben.

Der Beginn der Suche gestaltet sich noch recht eindeutig. Im Portemonnaie Sams findet sich eine erste Anlaufadresse und von dort wird man zum nächsten Ort weitergeschickt usw. usf. Doch hier zeigt sich ein Problem des Konzepts: Wie es so gestalten, dass es weder trivial, noch unlösbar wird? Bekommt man die nächste Station immer auf dem Silbertablett serviert, wird es zu einfach. Wohl deshalb sind in der Handlung mehrere Bruchstellen eingebaut, wo der Folgeschritt nicht direkt offensichtlich ist und Berlin ist eine große, unübersichtliche Stadt. Noch mehr als in seinem Vorgängerspiel Bozuma verlegt sich Designer Ralph Stock (später mit Mad TV zu verdientem Ruhm gekommen) erstmal auf die Simulation der breiten Spielwelt, in der der Spieler die Handlungsfäden gefälligst selbst zu finden, als solche zu identifizieren und zu verfolgen hat.

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Eine Demonstration gegen… keine Ahnung

Was abstrakt betrachtet gar nicht mal so unrealistisch ist. Hätte man bereits eine allzu konkrete Spur, wäre Sams Einsatz eventuell unnötig. Und überhaupt, wahrscheinlich bestehen echte Kriminaluntersuchungen ebenfalls zum Großteil aus ziellosem Stochern im Dunkeln. Doch dies ist nicht die Realität und soll sie auch gar nicht sein. Gute Spionagethriller folgen einem anderen Muster, erzählen kompakt und scheren sich nicht groß um Realismus. Frei nach Hitchcock: Jede Unwahrscheinlichkeit, jeden Zufall schlucken die Zuschauer, wenn es nur spannend genug ist.

Das Spiel gibt sich einige Mühe, den Schauplatz interessant zu machen. Die Stadt bekommt durch die Passanten, die omnipräsenten Soldaten verschiedener Nationen, die redseligen Taxifahrer, die Schwarzmärkte und Warteschlangen vor den leergefegten Geschäften einiges Lokal- und Zeitkolorit. So ist das Herumstromern erstmal intrinsich nicht uninteressant. Nur im Sinne des Spielerfolgs eher ziellos.

Ist man dann wieder auf der Spur, lernt man die engere Spielerführung plötzlich zu schätzen. Von einem Hinweis hangelt man sich zum nächsten (bis zum nächsten Stolperstein). Überhaupt ist, dem Genre angemessen, die Hauptwährung Information. Das wenig intuitive Interface erlaubt sehr detaillierte Befragungen. Objekte sind eher zu untersuchen als einzustecken. Der Stadtplan ist ständiger Begleiter und auch die Audiokassette kommt noch ein zweites Mal zum lösungsessentiellen Einsatz. Das Führen detaillierter eigener Notizen versteht sich ohnehin von selbst.

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Flexible, aber nicht intuitive Bedienung

Doch theoretische Qualitäten hin oder her, muss man doch eingestehen, dass das Spielen an sich zu mechanisch von Statten geht. Zu viel wertvolle Zeit geht dabei drauf, Fragen aus langen Modullisten zusammenzuklicken. Abseits des Lösungsweges haben die Charaktere leider praktisch niemals etwas zu sagen. Das tut der Lösbarkeit gut, da keine falschen Fährten eröffnet oder angedeutet werden, aber lässt die Interaktionen gefühlt noch langwieriger werden. Und wenn man etwas erfährt, muss man die eben genannten Orte überhaupt erstmal zu finden, wobei der viel zu kleine Bildschirmausschnitt nicht hilft. Taxis, die einen zur Wunschadresse fahren, kommen leider nur zufallsgesteuert vorbei, wenn man sich nicht gerade in der Nähe einer Taxirufsäule befindet. Andererseits blockieren einem natürlich garantiert dann Fahrzeuge oder Passanten den Weg, wenn man einen Verdächtigen verfolgt (was in der zweiten Spielhälfte zur Hauptbeschäftigung wird). Im Umkehrschluss ist auch die logische Abfolge des Geschehens nicht garantiert sauber. So kann man durchaus hier und da verfrüht auf dramaturgisch eigentlich erst später vorgesehene Ereignisse stoßen, die dann noch nicht wirklich Sinn ergeben. Was natürlich auch am Echtzeitansatz liegt: Die Spielwelt wartet nicht in allen Belangen auf den Protagonisten. Wieder realistisch, aber nicht notwendigerweise motivationsfördernd.

Also leider Alles in Allem eher durchwachsen. Schönes Thema, hoher Anspruch (man vergleiche, wie weit Stock seit dem Stein der Weisen gekommen ist!), umfangreiche Produktion – aber eben zu zerfasert und zu umständlich, um wirklich mitzureißen. Nach heutigen Maßstäben, nach Jahrzehnten der Aufmerksamkeitserosion, eher noch weniger erträglich als damals.

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Rezension von Mr Creosote (08.12.2002)
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Der Anfang des Kalten Krieges. Die UdSSR blockieren Landtransporte in den Westteil Berlins. Als Reaktion wird die Luftbrücke eingerichtet, um die Stadt weiter zu versorgen. Doch West-Berlin ist nur wie eine kleine Insel, sollte es zum Krieg kommen, würde es sofort von der Roten Armee überrannt!

Die Spielstory erzählt weiterhin, dass die Armee der USA aus diesem Grund eine Atombombe nach Westberlin geschmuggelt haben. Diese Bombe verschwindet. Natürlich kann in einem solchen Fall nicht offiziell ermittelt werden, also schlägt die Stunde der Geheimdienste, damit die tödliche Waffe nicht in falsche Hände fällt.

Man spielt den Agenten Sam Porter und fast die gesamte Aufgabe bleibt an einem allein hängen. Man bewegt sich frei durch alle Zonen Berlins, entweder zu Fuß (gut für Kurzstrecken) oder per Taxi (wenn die Länge der Strecke die Wartezeit rechtfertigt). Die gesamte Stadt ist simuliert, man kann theoretisch ohne Unterbrechung von einem Ende zum anderen gehen - zumindest auf den Hauptstraßen.

Man trifft viele Einwohner, von denen die meisten natürlich nichts mit der Geschichte zu tun haben und auch nichts darüber sagen können. Der schwierige Teil ist es herauszufinden, wer tatsächlich etwas hilfreiches zu sagen hat, selbst wenn er/sie sich dessen selbst nicht bwewusst ist. Klassische Detektivarbeit.
Einige Leute müssen erst überzeugt werden zu reden, andere müssen getäuscht werden, damit sie ihren Mund öffnen, manche werden lügen - trotzdem alles zu einem stimmigen und wahren Gesamtbild zusammenzusetzen ist die interessante Aufgabe.
Der nicht so interessante Teil ist es, überhaupt erstmal einen Ansatzpunkt zu finden. Klar, es ist wohl realistisch, dass die wichtigen Leute nicht aufgereit auf einem Fleck stehen, aber den Spieler so im Regen stehen zu lassen? Zuviel Freiheit am Anfang für meinen Geschmack.

Was allerdings an East vs West wirklich bemerkenswert ist, sind die technischen Details der Umsetzung. Der Amiga hat zwar einen Sprachsynthesizer, aber was bringt die schnarrende Stimme schon für Spiele? Aufgenommene Sprache verbrauchte für Diskettenspiele zu viel Speicherplatz.
Das Intro ist aber nun im Wochenschaustil. Stumm? Natrürlich nicht! Neben den Disketten lag in der Verpackung auch eine Audiokassette, die den akustischen Teil des Intros und auch noch entsprechende Untermalung für eine längere Zwischensequenz in der Mitte des Spiels enthält. Das Spiel teilt dem Spieler beiläufig mit, wann er die Kassette anzustellen hat. Wirklich einfallreiche Lösung für ein weitverbreitetes Problem dieser Zeit!
Der zweite Unterschied zu den meisten Adventures ist die Grafik. Man sieht die Schauplätze von oben. Fans neuerer Spiele werden das vom bekannteren Spiel Dream Web kennen.
Da alles im Spiel sich um Unterhaltungen dreht, ist die Handhabung natürlich auch nicht dem Standard entsprechend. Statt Verben zur Benutzung eines Inventars spielen sich die Konversationen wie Rätsel! Man muss das Gesprächsthema festlegen sowie die Art des Herangehens (fragend, feststellend, drohend,...) und noch ein bisschen mehr, alles sehr detailliert. Zuerst mag einem das alles etwas kompliziert und verwirrend erscheinen, aber wenn man sich an das System gewöhnt hat, funktioniert es ganz effizient.

Für Fans von Detektivadventures ist East vs West sicherlich keine schlechte Wahl. Ihm fehlt allerdings der Designschliff wirklich guter Spiele. Trotzdem ist es beinahe ein Muss wegen seines historischen Werts. Technische Beschränkungen haben Spieledesigner damals nicht aufgehalten, ihr Spiel so zu gestalten, wie sie es haben wollten - sie haben sich einfach unkonventionelle Lösungen ausgedacht, denn sie waren anscheinend noch fähig, kreativ zu denken...

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