Operation: Inner Space
für PC (Windows)

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Mr Creosote:
Firma: Software Dynamics
Jahr: 1994
Genre: Action
Thema: Fliegen / Humor / Piraten / Polizei & Verbrecher / Science Fiction
Sprache: English
Lizenz: Shareware
Aufrufe: 22778
Rezension von Mr Creosote (17.12.2006)
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Heutzutage klingt es unglaublich, aber Bildschirmschoner waren mal ein profitabler kommerzieller Markt. Eine der bekanntesten Firmen auf diesem Marktsegment war Software Dynamics mit seinem ihr Flagschiff After Dark - der beliebteste Bildschirmschoner der Welt. Einfach jeder kannte damals die fliegenden Toaster.

Die selbe Firma veröffentlichte im Jahre 1994 ein Sharewarespiel (sie selbst schreiben etwas von 1992 auf ihrer Homepage, aber zu haben war es definitiv erst 1994). Operation: Inner Space, wie es sich nennt, ist für Windows entwickelt (eine Seltenheit zu Zeiten von Windows 3.1), und noch überraschender ist, dass es sich um ein Actionspiel handelt. Auf den ersten Blick erinnert es an Asteroids: Man fliegt eine Raumschiff, das man von oben sieht und schießt sich seinen Weg durch zahllose Bildschirme.

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Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit. Um genau zu sein handelt es sich noch nicht mal um den Weltraum, sondern das Innere des eigenen Computers. Viren haben nämlich die Dateien befallen (ja, die tatsächlichen Dateien auf der eigenen Festplatte) und man muss nun alles wieder „säubern“. Zu diesem Zweck steigt man ein in die (tatsächlich vorhandene) Verzeichnisstruktur: Jedes Verzeichnis ist ein „Level“, das man mit seinem Schiff betreten muss. Dort sammelt man dann Icons, die nicht infiziert sind, ein und zerstört diejenigen, die befallen sind - da sage nochmal jemand, Virenscanner seien langweilige mathematische Algorithmen!

Selbst damit ist es eigentlich nicht getan, denn die tatsächliche Quelle der Infektion liegt tiefer. Um genau zu sein handelt es sich um den Benutzer selbst - der eigene „innere Dämon“ (wörtliche Übersetzung; passender wäre vielleicht „innerer Schweinehund“) muss bekämpft / überwunden werden (sehr gelungene Analogie zur Wirklichkeit: Wenn der Benutzer die Viren nicht installiert hätte, müsste er sich auch nicht die Arbeit machen, sie wieder zu entfernen). Indem man diesen Endgegner besiegt, kann man das Spiel ebenfalls gewinnen, aber leicht stellt sich das nicht dar. Nur eine Kombination sogenannter „Nobler Waffen“ kann ihn besiegen, und diese müssen in vorigen Konfrontationen erst gewonnen werden.

Was den meisten nicht-Informatikern ebenfalls nicht bewusst ist, ist, wie viel dauernd im Computer vor sich geht - unabhängig davon, was der Benutzer gerade aktiv tut. Entsprechend lebendig ist die Welt von „Inner Space“. Das reicht von simplen Hindernissen wie Asteroiden (Softwarebugs? Hardwareprobleme?) über stationäre Raketenwerfern (Verteidigungsmaßnahmen des Programms, dessen Verzeichnis man gerade versucht zu verändern?) bis hin zu anderen Schiffen (Prozesse?).

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Diese Schiffe sind dabei besonders interessant. Sie gehören verschiedenen „Teams“ an, z.B. sind da die Piraten, die einfach nur so viel Rauben wollen wie möglich. Die Renegades sind dagegen er auf den Spaß aus, alles mögliche zu zerstören. Am anderen Ende der Skala gibt es die „guten“ und edlen Knights. Immer dazwischen (und auch zwischen all denen, die ich nicht aufgezählt habe) stehen die Enforcers, die Polizei im Inner Space. Sie verwarnen, verhaften oder töten (wenn die beiden ersten Maßnahmen nicht greifen) Schiffe, die sich nicht an die Gesetze halten.

Je nach dem, welchem Team man selbst angehört, ist das Spielverlauf sehr unterschiedlich. Als Pirat findet man sich beispielsweise vielleicht häufiger vor Gericht wieder, wo einen die Beute dann wieder in Form von Strafen abhanden kommt, als einem lieb ist. Als begabter Pilot mag man andererseits durchaus den Enforcers die Stirn im Kampf bieten können. Oder man meidet sie einfach oder fliegt schnell davon, wenn sie einen verfolgen. Andererseits unterliegt man als Mitglied der Knights der dauernden Bedrohung, selbst Opfer solcher Freibeuter zu werden, also muss man sich auch zu verteidigen wissen. In den meisten Teams gibt es auf jeden Fall eine Art „Ehrenkodex“, der besagt, dass man bedrohten Teammitgliedern zur Hilfe kommt (davon gibt es aber natürlich auch wieder Ausnahmen). Um die Verzweigung noch weiter zu komplizieren gibt es Bündnisse und Feindschaften sowohl zwischen Teams und auf persönlicher Ebene.

Was sich sehr gut damit ergänzt ist, dass kein einzelnes Schiff jemals „unbesiegbar“ werden kann. Selbst nach dem Kauf jeder Menge Upgrades wie besserer Schilde, einem Tarnapparat oder weiterer / besserer Waffen (das alles wird durch eingesammelte uninfizierte Icons bezahlt) kann man es niemals mit einer ganzen Flotte allein aufnehmen. So bleibt das Spiel immer fordernd, selbst für die erfahrensten Spieler. Immer und immer wieder muss man den spielinternen „Krankenwagen“ zur Hilfe rufen, um das Schiff wieder zusammenflicken zu lassen.

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Natürlich merkt man Operation: Inner Space auch die geistige Verwandschaft zu After Dark an. Das ganze Spiel ist im Grunde genommen ein großer Gag, und das zieht sich auch optisch durch das gesamte Spiel. Zum Beispiel ist die Standardwaffe vieler Piratenschiffe eine übergroße Bierflasche, und zu einer bestimmten Tageszeit verwandeln sich die normalerweise herumschwebenden Treibstoffkanister in Teetassen. Zur Auflockerung gibt es auch noch ein paar spezielle Level, z.B. Rennstrecken, auf denen der Sieger dann Icons gewinnen kann.

Man merkt es schon, viel meckern gibt es an diesem Spiel nicht. Die Grundidee ist einfach, jedoch mit genug Details gefüllt, um es meilenweit vom üblichen Genrestandard abzuheben. Wenn man den Angaben auf der Homepage der Entwickler Glauben schenken darf, läuft es sogar auf jeder Windowsversion (nochmal: gemacht wurde es für Windows 3.1, das noch nicht mal ein Betriebssystem, sondern nur ein grafisches Shell ist). Was sie dort allerdings verschweigen ist, dass der eine Weg, das Spiel zu beenden (alle „guten“ Icons einsammeln, alle „schlechten“ zerstören) auf heutigen Computern unmöglich zu schaffen ist. Man stelle sich kurz die eigene Festplatte vor, und zähle im Geiste die Verzeichnisse (inklusive aller Unterverzeichnisse)... richtig, theoretisch müsste man in alle im Spiel rein. Als das Spiel rauskam, bewegte sich die typische Größe von Festplatten zwischen 50 und 200 Megabyte - das war noch eine ganz andere Perspektive. Da es ja noch die Möglichkeit gibt, den Inner Demon zu bezwingen, ist das aber nicht so schlimm - einfach so lange Spielen, wie man Lust hat, und dann auf zum Endgegner. Das ist eh besser, denn wenn man an sich selbst arbeitet, anstatt nur die äußerlichen Effekte zu bekämpfen, kann man das Problem in Zukunft vollkommen vermeiden (schon wieder diese Analogie)...

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