Day of the Tentacle
für PC (DOS)

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Mr Creosote:Besucherwertung:
5.8/6
Weitere Titel: Der Tag des Tentakels, Día del Tentáculo
Firma: Lucas Arts
Jahr: 1993
Genre: Adventure
Thema: Cartoon & Comic / Historisch / Humor / Science Fiction
Sprache: English, Deutsch, Français, Castellano, Italiano
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 42985
Rezension von Mr Creosote (20.07.2008)
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Hinter dir, ein dreiköpfiger Affe! Falsches Spiel, Holzliebhaber. Trotz Allem (und insbesondere trotz Monkey Island) war es Maniac Mansion, das Lucasfilm Games an die Spitze katapultierte. Sprung ein paar Jahre weiter. Die Firme heißt nun Lucas Arts und der Kopf hinter Maniac Mansion (und auch Monkey Island) hat sich davongemacht. Zeit für den sehnsüchtig erwarteten Nachfolger.

Weder Hauptfigur Dave, noch seine Freundin Sandy haben allerdings ein Comeback. Schließlich war es auch die Familie Edison, die ihren Platz im öffentlichen Bewusstsein gefunden hatte. Zusätzlich kommt einer der optionalen Charaktere des ersten Teils, Bernard, zu der Ehre, diesmal die Hauptrolle zu übernehmen. Diese muss er sich allerdings mit seinen Freunden Hoagie (ein übergewichtiger Möchtegern-Rockmusiker) und Laverne (eine eventuell Drogen konsumierende Medizinstudentin). Sie erhalten eine Nachricht von Bernards Freund Grün-Tentakel. Anscheinend hat Lila-Tentakel einen Schluck vom Abwasser der atomaren Matschmaschine Dr. Freds genommen, und ist dadurch zum Genie (mit Armen!) mutiert. In Kombination mit der moralisch bösen Gesinnung ist das Ziel klar: die Weltherrschaft.

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In der Ville der Edisons (die zu einem drittklassigen Motel umfunktioniert wurde) angekommen treffen die drei Protagonisten Dr. Fred persönlich, der eine einfache Lösung vorschlägt: Mit Hilfe seiner Zeitmaschine sollen die Drei einen Tag in die Vergangenheit reisen, und Lila davon abhalten, seinen IQ zu vergrößern. Es kommt, wie es kommen musste: Alles geht schief. Der billige Diamantersatz, den Dr. Fred zur Energieversorgung seiner Maschine eingebaut hat, zerspringt, und die Helden werden in drei verschiedene Richtungen in der Zeit geschleudert. Hoagie landet 200 Jahre in der Vergangenheit, Laverne 200 Jahre in der Zukunft (wo die Tentakel bereits die Macht übernommen haben) und Bernard verschlägt es zurück an den Ausgangspunkt: die Gegenwart. Das Ziel ist natürlich immer noch das selbe: Die Zukunft, in der Laverne nun gefangen ist, zu verhindern - nur ist diese Aufgabe gerade deutlich schwieriger geworden.

Nach drei so ziemlich perfekten Adventures in Folge hätten die Erwartungen nicht höher sein können, und Day of the Tentacle erfüllt sie fast alle. Der Spielverlauf wirkt größtenteils nichtlinear, und lebt von den exzellent durchdachten Interaktionen zwischen den Zeitzonen. Normale Objekte können mit Hilfe von Dr. Freds Technik durch die Zeit hindurch ausgetauscht werden. Dies gilt es ausgiebig zu nutzen, denn Dinge, die man einsackt, sind häufig in völlig anderem Zusammenhang für einen anderen Charakter von Nöten. Andere Objekte, und auch alles Lebendige, können so nicht transferiert werden - was allerdings nicht automatisch bedeutet, dass man nicht trotzdem einen Weg finden muss, sie in die entsprechende Zukunft zu bringen. Diese Notwendigkeit führt zu den wahrscheinlich originellsten Rätseln des Spiels.

Über die Cartoongrafik gibt es nichts Schlechtes zu sagen. Schwer zu glauben, dass das immer noch die selbe Bildschirmauflösung ist, die auch in Maniac Mansion verwendet wurde! Soundtechnisch ist zwischen zwei Versionen zu unterscheiden. Die ursprüngliche Diskettenversion ist im Intro vollständig vertont. Die Stimmen sind jedoch (zumindest in der deutschen Version) völlig unpassend, und die Intonation eine einzige Katastrophe. Ein paar Monate später kam eine CD-Version mit vollständiger Sprachausgabe heraus. Für diese gab es wohl ein richtiges Casting - wieder mal „sehr gut“.

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Das gleiche gilt für die Story und die Dialoge. Auch wenn hierzulande sicherlich nicht jeden Witz über John Hancock sofort zündet, bleiben immer noch genug absurde Situationen (von Wortspiel bis zu rein optischem Slapstick), so dass ein paar Ausfälle nichts machen.

Ein paar Absätze zuvor tauchte das Wort „fast“ auf. Kurz und leicht zu übersehen, und doch hat es seine Relevanz. Hier also, todesmutig dem Lynchmob ins Auge blickend, die vorsichtige Kritik: Day of the Tentacle ist zu einfach. Obwohl die Rätsel wie bereits erwähnt logisch, einfallsreich und fantasievoll sind, verflacht die Bedienung das Ganze doch sehr. Oberflächlig betrachtet handelt es sich um das gleiche SCUMM-Interface, das seit Monkey Island 2 zum Einsatz kam. Aber was ist mit den vorselektierten Befehlen beim Rechtsklick passiert? Das wird hier dermaßen extensiv benutzt, dass 90% der Fälle ein einfacher Rechtsklick ohne weiteres Überlegen reicht, da das Spiel bereits die passende (lösende) Aktion automatisch ausgewählt hat. Von den neun Verben (was ja ohnehin schon eine sehr geringe Auswahl ist) braucht man die meisten überhaupt nie. Beispielsweise ist das „Benutzen“ eines Objekts mit einer Person das gleiche, wie das „Geben an“ - warum gibt es also letzteres überhaupt? Das grundlegende Problem sollte klar sein.

Natürlich gibt es keine objektive Grenze dafür, wo es zu simpel oder zu komplex wird. Seltsam ist es jedoch, wenn ein Spiel sein eigenes System aushebelt! Andere Firmen hatten zu der Zeit bereits begonnen, mit den ersten Inkarnationen der verhassten Ein-Klick-Bedienung zu experimentieren, die schon bald das Genre vollkommen beherrschen sollte. Und hier haben wir die Reaktion darauf?

Day of the Tentacle spielt sich schon allein als verrückter Cartoon hervorragend genug. Und bedenkt man, wie „nicht interaktiv“ es in den folgenden Jahren noch werden sollte, haben wir hier immer noch ein ziemliches rätseltechnisches Schwergewicht. Im Rückblick ist es jedoch wohl als „Anfang vom Ende“ zu sehen - das Spiel, mit dem der einstige Marktführer aufgab. Bitter, aber sehr, sehr süß.

Kommentare (3) [Kommentar schreiben]

Mr Creosote:

Insgesamt ist ja wohl klar, dass ich das Spiel sehr gut finde (siehe Wertung). Trotz Allem nochmal zu ein paar Punkten:

Zitat:
"ultimative Herausforderung"

Klar, muss nicht sein. Eine solche waren Lucasfilm / Lucas Arts - Spiele eh nie - da fallen mir eher Deadline und Timequest ein, bei denen ich jeweils Jahre gebraucht habe, die zu lösen. DOTT stammt halt aus der Zeit, in der langsam der Begriff "Feierabendspiel(er)" aufkam, und so kann man sich recht locker per rechter Taste durch das Spiel hangeln...

Zitat:
die "Gib an" Funktion als Synonym zum "Benutzen" mit einer Person finde ich weniger störend

Im Bezug auf den Schwierigkeitsgrad natürlich wieder Auslegungssache, das stört mich aber noch aufgrund eines anderen Sachverhalts: In Adventures macht es grundsätzlich immer am meisten Spaß, einfach mal möglichst bescheuerte Sachen auszuprobieren. Dafür will ich aber dann von dem Spiel mit entsprechenden bizarren Reaktionen des Spiels belohnt werden. Eric the Unready ist da ein hervorragendes Beispiel (siehe Screenshots auf http://www.g-wie-gorilla.de/index.php?option=com_content&task=view&id=111&Itemid=18). DOTT schränkt diese Möglichkeit ein, indem es beispielsweise ein "benutzen" von Objekten mit Personen mehr oder weniger unmöglich macht. Auch wenn es für die Lösung unwichtig ist - gerade ein solches (humorvolles) Spiel verschenkt da einfach Gagpotential ohne Ende. Und das ohne Not und spielerischen Sinn (weil das Verb ja schon in der Bedienung vorgesehen ist).

Das habe ich früher nie verstanden, was das soll, aber Schwierigkeitstechnisch haben sie das in Monkey Island 2 doch sehr gut gelöst mit den zwei Schwierigkeitsgraden: Will man nur die Story und die Gags, kann man problemlos und ohne Hirntortur einfach durchkommen, aber will man auf dem Weg auch mal ein bisschen gefordert werden, und nimmt dafür dann eben auch mal ein eventuelles Steckenbleiben in Kauf, geht das auch. Und da es prinzipiell trotzdem das gleiche Spiel ist, sollte es eigentlich nicht so aufwändig sein, solche zwei "Wege" umzusetzen.

Vemperor:

Habe mir schon gedacht, dass DOTT das nächste Spiel weden würde, die Lücke hat doch sehr groß geklafft...
Ich bin tatsächlich einer dieser klischeehaften LucasArts-Jünger, die DOTT einfach bedingungslos großartig finden und gehe sogar noch weiter, indem ich sage, dass ich selbst die später erschienenen Sam&Max und Full Throttle noch für extrem grossartige Spiele halte.
Ich denke, ich mag DOTT nicht trotz, sondern WEGEN des niedrigen Schwierigkeitsgrades. Das Spiel strotzt nur so von skurrilem Humor und hat dazu noch eine grossartige Story, so dass ich damals beim ersten Durchspielen (das war vermutlich so mit 13 oder 14) enttäuscht gewesen wäre, wen ich nicht weitergekommen wäre, um all das zu geniessen. Ich weiss nicht, ob jeder Spieler diese "ultimative Herausforderung" braucht, um durch ein Spiel gut unterhalten zu werden. Ich für meinen Teil kann sehr gut damit leben, mich eher simplen Rätseln zu stellen und mich von einem interaktiven (und sehr schrillen) Plot unterhalten zu lassen. So "hardcore" bin ich da einfach nicht...
Die Belegung der rechten Maustaste mag ein Schönheitsfehler sein, die "Gib an" Funktion als Synonym zum "Benutzen" mit einer Person finde ich weniger störend. Warum muss man einen Spieler verwirren, der doch im Endeffekt das richtige meint? Gut, weglassen hätte man den Befehl dann schon können, aber so vermittelt er zumindest die Illusion einer Wahl ;)
Kleine Kritikpunkte mag man also äussern, aber im grossen und ganzen gehört DOTT zu einer sehr kleinen Anzahl Spiele, die von mir eine uneingeschränkte "6" bekommen würden.
Dein "Lynchmob"
PS: Die Screenshot-Sammlung ist ja fast eine Komplettlösung... ;)

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