Beavis and Butt-Head in Virtual Stupidity
für PC (Windows)

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Anchantia:Mr Creosote:Gesamt:
3/6
Firma: Viacom New Media
Jahr: 1995
Genre: Adventure, Action
Thema: Umsetzung eines anderen Mediums / Cartoon & Comic / Humor
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 19256
Rezension von Mr Creosote, Anchantia (02.10.2010)
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Hintergrund

[Anchantia] Beavis und Butt-Head war eine Serie, die 1990 das erste Mal von MTV ausgestrahlt wurde. Erfunden wurde diese Serie von Mike Judge, der später auch mit der Serie „King of the Hill“ für Aufmerksamkeit sorgen sollte. Beavis & Butt-Head avancierte durch den brachialen Humor, den einfachen Zeichenstil und die direkte Gesellschaftskritik schnell zur Kult-Serie.

[Mr Creosote] Hier kann ich gleich mal sagen, dass dieses „Phänomen“ an mir seinerzeit ziemlich vorbeigegangen ist. Ich wusste schon, dass es die Serie gab, aber mehr als fünf Minuten habe ich nie gesehen. Und in der Zeitspanne saßen einfach nur zwei Typen unbeweglich auf einem Sofa und lachten/kicherten (oder wie man das auch immer nennen soll). Deshalb meine Frage: Sollen die beiden Protagonisten „cool“ sein oder „Idioten“, über die man lacht?

[Anchantia] Sie waren einfach nur Idioten, welche die damalige Jugend überzeichnet durch den Kakao zogen. Es traf in dem Sinne auch den Nerv der Zeit, da beide ebenfalls auch Karrikaturen zweier Metal-Heads darstellten. Ende der 80er war ja die Zeit, in der Metallica oder Guns 'n' Roses die Heavy-Metal-Musik in den Mainstream getragen haben.

[Mr Creosote] So kommt mir das ganz nachvollziehbar vor, man muss allerdings bedenken, dass man Satire niemals so gestalten kann, dass sie universell als solche aufgefasst wird. Ich habe es auf jeden Fall zur „Hochzeit“ der Popularität der Serie durchaus erlebt, dass junge Teenager versuchten, Beavis und Butt-Head nachzuahmen und damit auch bei ihren Freunden Bewunderung ernteten. Solch eine Rezeption verselbstständigt sich dann üblicherweise schnell und hat wiederum Einfluss auf die weitere Produktion.

[Anchantia] Dieses Phänomen wurde dann ja später mit der Einführung von Stewart parodiert, der ein „Winger“-Shirt trug und versuchte, genauso „cool“ wie die Beiden zu sein. Aber das ist ja häufig so, dass populäre Serien Nachahmer finden.

Eine Folge bestand in der Regel aus 3 Videoclips, die von Beavis & Butt-Head kommentiert wurden. Dies geschah auf den heimischen Sofa der Beiden. Der Hauptteil der Sendungen waren aber die kurzen Episoden, die häufig in der Schule der beiden Protagonisten stattfanden oder auch bei BurgerWorld, der Arbeitsstelle von Beavis & Butt-Head. Inhaltlich gab es kurz gesagt folgende Muster: 1. Die beiden wollten unbedingt auch mal ein Mädchen abbekommen und bringen sich so immer wieder in Schwierigkeiten oder 2. Die Beiden wollen in Todds Gang, merken aber nicht, dass sie von ihn nur erniedrigt und ausgenutzt werden.

Story

[Mr Creosote] Nun kann ich es wie gesagt nicht direkt beurteilen vom „Quellmaterial“ her, aber wir wollen ja über das Computerspiel sprechen: Beavis and Butt-Head in Virtual Stupidity. Dessen Story scheint mir ganz gut in das von dir beschriebene Muster zu passen...

Das Spiel beginnt auf jeden Fall mit einem typisch amerikanisch-verlogenen „Disclaimer“, es handele sich bei den beiden nicht um Vorbilder, die man imitieren solle. Verlogen nenne ich das deshalb, weil natürlich trotzdem diese Art der Wahrnehmung („boah, cool“) mehr als billigend in Kauf genommen wird. Kommen wir aber zur Story des Spiels - viel Exposition findet am Anfang ja nicht gerade statt, es wird vorausgesetzt, dass man die Figuren nicht nur erkennt, sondern auch etwas mit ihnen verbindet. Ein richtiges „Spielziel“ wird eigentlich im gesamten Spielverlauf nicht so richtig kommuniziert.

[Anchantia] Dem muss ich widersprechen. Das Ziel ist es von Anfang an, in die Gang von Todd aufgenommen zu werden. Daraus resultiert die ganze Handlung. Sie versuchen für die Gang Essen zu beschaffen. Dabei stehlen sie aber gleich mal einen Panzer wodurch der Verhaftung folgt und danach werden sie wiedereinmal von Todd ausgenutzt. Es ist mit Sicherheit keine epische Story, hält sich aber 1:1 an die Serienvorlage. In einem Punkt hast Du sicher recht: das Spiel ist in erster Linie was für Fans der Serie. Das zieht sich durch die nichtvorhandenen Vorstellung der Charaktere bis hin zu den ganzen Insidergags. Aber davon abgesehen: wie fandest Du denn Handlungsverlauf, der ja mehr auf Gags aufgebaut ist, allgemein?

[Mr Creosote] Wie gesagt recht chaotisch. Das „große Ziel“ habe ich nie so richtig gesehen, mag an mir gelegen haben. Die einzelnen Szenen schienen mir mehr „für sich“ zu stehen und auch als solche geschrieben worden zu sein. Im Sinne der Gags hat diese Struktur mal funktioniert, mal nicht. Diesen Militärtypen fand ich beispielsweise bei seinen drei Auftritten einfach nur nervig und überhaupt nicht witzig. Witziger waren da die kleinen Slapstickeinlagen, die auch grafisch gut rüberkamen.

[Anchantia] Zum Beispiel das Erreichen der Leiter in der Turnhalle?

[Mr Creosote] Ganz genau, vor Allem Beavis' Gesichtsausdruck, als er es versucht hat...

[Anchantia] Den Militärtypen, Bradley Buzzcut, hat man nur sehr oberflächlich dargestellt. Das ist dann auch mein Kritikpunkt: Das Spiel ist eine Two-Men-Show. Alle anderen Charaktere wie Tom Anderson oder der Hippie-Lehrer Van Driessen kommen nur sehr kurz vor und haben auch nicht sonderlich viel Dialog.

[Mr Creosote] Dass dieser Clichéhippie beispielsweise ein Lehrer sein soll, war mir nicht klar. Da gibt es im Spiel keinen Hinweis drauf. Bei den meisten Leuten, die man so trifft ist generell unklar, ob das Charaktere sind, die Beavis und Butt-Head schon kennen oder Fremde. Ganz selten fiel da mal ein kleines Wort drüber.

[Anchantia] Da kommt dann wieder der Punkt des „Fan-Spiels“ zum Tragen. Längere und erklärendere Dialoge wären in der Tat sehr schön gewesen. Allgemein hat man sich, was das Drehbuch betrifft, kein großes Bein ausgerissen. Das sieht man auch an der Spielzeit.

Gameplay

[Mr Creosote] Gutes Stichwort: Mehr als zwei-drei Stunden Spielzeit darf man nicht erwarten. Das war zur Erscheinungszeit für ein Vollpreisspiel schon sehr wenig. Womit wir eigentlich beim Gameplay angekommen wären... es gibt all die typischen Adventureelemente, von Dialogen zu Rätseln, die sich größtenteils darum drehen, anderen Leuten bestimmte Objekte zu beschaffen.

[Anchantia] Das war wirklich sehr wenig. Man merkt an solchen Stellen, dass die Entwickler bestimmt unter großen Zeitdruck standen. Denn genug Locations und Personen im Spiel gibt es ja. Da hätte man einfach noch ein paar Monate ranhängen müssen. Kombinationsrätsel gibt es in der Tat wenig. Was ich aber sehr angenehm fande, dass man nie sonderlich viel im Inventar hat.

[Mr Creosote] Die Bedienung ist ebenfalls angemessen einfach: Im Prinzip funktioniert sie genauso wie in Full Throttle: ein paar „stilisierte“ grafische Verben, deren Auswahl sehr eingeschränkt ist, so dass man niemals groß nachdenken muss. Etwas dürftig fand ich auch die Dialoge: kurz, kaum Themen, und das Interface verriet einem nicht, wann und ob man ein Thema „abgearbeitet“ hatte.

[Anchantia] Man hätte die Dialoge genausogut automatisch ablaufen lassen können. Die Idee mit den Minispielen fande ich aber wiederrum recht witzig. Gerade das Zielspucken, das Ameisen-Grillen oder diesen „Tennis-Shooter“ fande ich sehr unterhaltsam. Das hat dann auch etwas Abwechslung gebracht.

[Mr Creosote] Hier sollte man vielleicht kurz erklärend anmerken, dass es insgesamt vier Minispielchen gibt, die man an verschiedenen Stellen im Spielverlauf auslösen kann. Notwendig ist nur eines davon, die anderen optional. Und keine Angst: Am Zielspucken werden auch Grobmotoriker nicht scheitern! Nachdem man die Spiele einmal gestartet hat, kann man sie auch direkt übers Hauptmenü des Spiels anwählen. Wir haben bereits über die Länge des Spiels gesprochen, wie empfandest du die Schwierigkeit?

[Anchantia] Ich habe definitiv schon härtere Nüsse geknackt. Also rätseltechnisch ist das Spiel bestenfalls mittlerer Durschschnitt. Was ich nach all den Jahren, in dem ich das Spiel nicht gespielt hatte, als störend empfand: Dass viele Items doch arg klein und versteckt waren - zum Beispiel der Kaugummi in der Schule. Das hat mich dann stellenweise an Der Schatz im Silbersee erinnert. Ich finde es immer schade, wenn man versucht mit „Pixelabsuchen“ die Spiellänge künstlich zu steigern.

[Mr Creosote] Stimmt, hatte ich jetzt gar nicht mehr dran gedacht, aber das Kaugummi zu entdecken hat mich auch Einiges an Nerven gekostet. Und da die meisten Rätsel „Botengänge“ sind, die einem explizit aufgetragen werden, hat mich der restliche Spielinhalt nicht besonders gefordert. Aber positiv: Es gab weder Sackgassen, noch konnte man sterben.

[Anchantia] Dann hätte sich das Spiel komplett ins Aus befördert.

Technik

[Mr Creosote] Grafisch gefiel mir das Spiel. Gut gezeichnet, gute Animationen. Die Zwischensequenzen sahen stilistisch nicht allzu „anders“ aus.

[Anchantia] Die Zwischensequenzen wurden ja von den Zeichnern der Serie gemacht, das war damals nicht unbedingt Gang und Gäbe. Und für ein Windows-Spiel der damaligen Zeit ist das Spiel schon etwas „erhaben“. Zumindest hat man hier nicht versucht mit Macromedia herumzuexperimentieren.

[Mr Creosote] Bzgl. der Soundtechnik muss ich allerdings Meckern (es sei denn, du erzählst mir, ich läge falsch): Man kann sich keine Texte einblenden lassen im Spiel, muss sich rein auf sein Gehör verlassen. Das ist schon ziemlich bescheuert, wenn man beispielsweise gerne beim Spielen Musik (oder einfach gar nichts) hören möchte. In der Öffentlichkeit, beispielsweise auf einem Laptop geht's also nicht.

[Anchantia] Mich stört das jetzt gar nicht. Den Spiel würde sehr viel Atmosphäre fehlen, wenn man auf den Sound verzichten würde. Denn gerade die Synchronisation mit den Originalsprechern, allen voran natürlich Mike Judge in den beiden Hauptrollen, wertet das Spiel doch gewaltig auf, findest Du nicht? Über viele Sprüche hätte ich beim Lesen nicht so sehr gelacht, als wenn ich es höre.

[Mr Creosote] Ja, die Sprecher sind schon gut usw. - aber wie gesagt: Was mache ich, wenn ich beispielsweise in einer Bibliothek sitze? Oder einer Bahn?

[Anchantia] Hattest Du 1995 die Gelegenheit, das Spiel auf einen Notebook zu spielen? PC-Spiele wurden damals doch ausschließlich daheim gespielt, schon allein weil es die Technik nicht anders zulies. Und: wer geht extra in die Bibliothek um ein Beavis & Butt-Head - Spiel auf dem Laptop zu spielen?

[Mr Creosote] Anscheinend haben wir leicht unterschiedliche Lebenswelten (ich fahre natürlich nicht in Bibliotheken um Spiele zu spielen, aber manchmal bin ich einfach in welchen und möchte eine entspannende Pause einlegen). Texteinblendung ist für mich ein essentielles Feature - völlig unverständlich, sowas nicht zu bieten, da es ja wohl technisch kein Problem sein sollte.

[Anchantia] Sicher ist es ein essentielles Feature. Ich denke einfach, dass dafür wohl die Zeit nicht mehr da war. Habe ja vorhin schon geschrieben, dass man es an allen Ecken und Kanten sieht, dass das Spiel überhastet auf den Markt geworfen wurde.

Fazit

[Mr Creosote] Wirkt an vielen Stellen tatsächlich recht übereilt. Was schade ist, denn das, was man zu sehen und spielen bekommt, ist nicht wirklich übel. Nur halt sehr wenig und wenig ausgereift.

[Anchantia] Eben. Mehr Rätsel und vor Allem mehr Dialoge hätten den Spiel sicher zu einem echten Geheimtipp gemacht. Denn die Ideen und der gut transportierte Humor ist definitv da. Gerade für ein Lizenzspiel steckt hier sehr viel Potential drin. Wie ist Dein abschließendes Fazit? Gerade aus der Sicht von jemanden, der die Serie nicht kennt?

[Mr Creosote] Ich würde es als „Durchschnitt“ bezeichnen. Es nervt nicht, was schonmal eine nicht zu verachtende Qualität ist. Man spielt recht gerne daran. Nur fühlt man sich dann am Ende halt etwas verarscht, dass es schon vorbei sein soll - das wäre eine gute „erste Alphaversion“ gewesen, praktisch als „proof of concept“, aus der man dann ein „komplettes“ Spiel hätte entwickeln können.

[Anchantia] Mein Fazit sieht recht ähnlich aus. Für mich sind drei Stunden einfach viel zu kurz für ein Adventure. Dazu kommen die oberflächlichen Darstellungen viel Charaktere. Auf der anderen Seite steht die tolle Grafik, die geniale Synchronisation und die witzigen und sehr humorvollen Momente, die das Spiel bietet. Fans werden garantiert auf Ihr Kosten kommen. Alle anderen sollten sich vielleicht lieber an den Nachfolger „Do U“ aus dem jahr 1999 halten. Das wirkte in sich geschlossener. Für Virtual Stupidity gibt es von mir gute 3 Punkte.

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