Crime City
für PC (DOS)

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Mr Creosote:
Firma: Impressions
Jahr: 1992
Genre: Adventure
Thema: Krimi
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 14117
Rezension von Mr Creosote (22.09.2012)
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Also anscheinend spiele ich einen Typen namens Steve. Steves Vater ist der Hauptverdächtige im Mordfall David Walkers, seinem Geschäftspartner. Aufgrund der Inkompetenz der Polizei (Überraschung…) muss Steve die Unschuld seines Vaters selbst beweisen. Legen wir los!

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Wir haben uns zwar gerade erst getroffen, aber ich kann es bereits kaum erwarten, dich mit einer anderen namenlosen „Freundin“ zu ersetzen

Nachdem ich mir einen Überblick über Steves unglaublich dünnes Adressbuch (das Einträge wie „Freundin“ enthält – sehr praktisch, wenn man sich diese dauernd wechselnden Namen nicht merken kann) verschafft und die Daten auf dem väterlichen Computer durchstöbert habe, entschließe ich mich, erstmal „nach Hause“ zu gehen. Anscheinend lebt Steve immer noch bei seinen Eltern. Wie alt soll er eigentlich sein? Steves Mutter nimmt die ganze Sache aber immerhin relativ sportlich. Sie backt Steve extra frische Kekse. Danach weise ich Steve an, eine Kirche zu verwüsten. Kleiner Tipp: Keine besonders gute Idee. Also ziehen wir mal weiter zu dieser namenlosen Freundin. Sie erklärt Steve für verrückt, heiraten zu wollen, weil sie beide nicht alt genug seien. Obwohl sie ehrlich gesagt ähnlich alt aussieht, wie Steves Mutter. Sich trennen will sie allerdings auch nicht. Frauen!

Schließlich komme ich dann doch noch zur Untersuchung des Mordfalls zurück… Steves Vater gibt ihm den ersten verwertbaren Hinweis. Ein erstaunlich gut informierter Typ in einer Kneipe gibt einem ein paar Hinweise. Im Laufe des Spiels erweist er sich immer wieder als schier unerschöpfliche Informationsquelle. Wie er all das erfährt ohne sich jemals von seinem Barhocker wegzubewegen? Das bleibt sein Geheimnis. Steve hat also erstmal wieder Zeit, sich bei einer Runde Arkanoid am Computer seines Vaters zu vergnügen. Durch den unmöglichen Schwierigkeitsgrad frustriert, muss er anschließend seinen Frust abbauen und entschließt sich für den heutzutage üblichen Blitzableiter: Er besucht sein Lieblings-BBS im Internet, liest ein wenig ziellos Neuigkeiten und als er sich immer noch nicht beruhigt hat, lässt er es an den Servern der Polizei aus, die einem gezielten Hackingangriff natürlich nicht lange standhalten können…

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Dieses Geld- und Zeitmanagement geht wirklich zu weit

Bezüglich der zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden hat Crime City durchaus etwas zu bieten. Dass Computertechnik, insbesondere das zu der Entstehungszeit noch weitgehend unbekannte Internet, eine Rolle spielt, ist schonmal sehr positiv zu vermerken. Darüber hinaus kann man auch diese seltsame Freundin und Steves Mutter einspannen, gewisse Dinge (wie einfache Befragungen) für einen zu übernehmen. Man kann Verdächtige beschatten, in der Hoffnung, so Anhaltspunkte zu gewinnen. Ebenso kann man versuchen, in Gebäude einzubrechen und sie zu durchsuchen.

Doch von dort an geht es nur noch bergab. Über die Einbindung rollenspielähnlicher Charakterfertigkeiten und fortschreitender, beschränkter Zeit, könnte man vielleicht noch diskutieren – den generellen Gedanken, dass Steve vielleicht erstmal ein bisschen Training braucht, bevor er kampferprobte Bösewichte überwältigen oder ein Schloss knacken kann, kann man schon noch nachvollziehen. Spielerisch wirkt das jedoch nicht nur deplatziert, sondern führt in der Kombination mit anderen Spielelementen auch zu ernsthaften Problemen. Namentlich ist das Geld, das man für solche Weiterbildung ausgeben muss, das Hauptproblem. Da diese Ressource nur begrenzt zur Verfügung steht, gibt es ein kleines Minispiel, in dem man es vermehren können soll: Aktiengeschäfte. Was soviel bedeutet wie: Spielentscheidende Aktionen hängen von rein zufallsgesteuertem Glücksspiel ab. Man kann in der Kriminaluntersuchung alles richtig machen, aber trotzdem das Spiel durch falsche Wetten verlieren. Wenn das mal nicht zu extremem Frust führt!

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Aaargh! Meine Augen!

Sogar noch schlimmer ist jedoch, dass die faden Charaktere und die öde Story jedes noch so zarte Immersionspflänzchen bereits im Keim ersticken. Die streckenweise debilen Dialoge, die sich an völlig unpassenden Stellen an peinlichen humoristischen Einlagen versuchen, nerven praktisch sofort. Die gesamte Untersuchung wirkt völlig steril und unpersönlich. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang mal wieder diese „Freundin“ genannt: Wenn sie es noch nicht einmal wert ist, einen Namen zu bekommen, und sich so seltsam distanziert verhält, wie sie es im Spiel zeigt, dann ist es dem Spieler auch egal, wenn im späteren Spielverlauf ein Mordversuch auf sie unternommen wird! Crime City wirkt wie die Vision eines Technokraten auf die „perfekte Welt“: Menschen werden nur in ihren jeweiligen funktionalen Rollen gesehen. Selbst wenn man den Fall schließlich knackt (so man denn soviel Geduld aufbringt…), dann ist die einzige, überaus geschäftsmäßige Reaktion der Polizei: „Sie haben ausreichende Beweise vorgelegt, die wahren Mörder zu überführen. Vielen Dank.“

Die Umsetzung vom Amiga ist technisch ganz gut gelungen. Wählt man VGA, bekommt man immerhin halb soviele Farben wie im Original, also 16, zu Gesicht. Dass die meisten Bilder hässlich aussehen liegt weniger an der Technik, sondern einfach am Zeichenstil. Entscheidet man sich dagegen für EGA, bekommt man schnell Probleme, überhaupt noch irgendetwas zu erkennen. Und es wird dann schwierig, dem Drang zu widerstehen, sich die Augen auszureißen. Betrachtet euch als gewarnt!

Doch das wäre ja alles wirklich nicht so schlimm. Viele Spiele sind trotz eher unterdurchschnittlicher Optik zu Klassikern geworden. Ihr Geheimnis: Sie machen einfach Spaß. Obwohl einige Grundlagen nicht völlig daneben sind, ist der Spaß, den man aus Crime City ziehen kann, in etwa vergleichbar mit dem jährlichen Ausfüllen der Steuererklärung. In dem Computer im Spiel findet sich die Ankündigung eines weiteren Krimiadventures, das „bald“ veröffentlicht werden solle. Es ist ja immer schön, wenn man entspannt darauf zurückblicken kann und bereits weiß, wie es weitergegangen ist: Das IF…-Label, unter dem dieses Spiel herauskam, wurde nie mehr gesehen.

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