J'Dal
für Interpreter (Glulx)

Mr Creosote:proc:Gesamt:
1/6
Firma: Ryan Kinsman
Jahr: 2012
Genre: Adventure
Thema: Schwerter & Magie / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 15543
Rezension von proc (18.10.2012)
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J'dal ist eines jener Spiele, die man nach den implementierungsbedingten Schwierigkeiten schon in der Anfangsphase für immer weglegen wollte. In der Intro gibt es kaum Handlungsmöglichkeiten außer mit einigen schrägen Typen zu quatschen, ein paar Dinge zu entdecken auf die man sich keinen Reim machen kann oder etwa ein Steak zu bestellen, weil sich hungrig nicht einschlafen lässt, und ansonsten alles tun müssen, was einem vorgegeben wird. Das ist wohl einsteigerfreundlich gemeint und liefert auch Vorschläge mit Hervorhebungen, deren Befolgung hier und da etwas Stimmung auswirft und Hintergrundinformation vermittelt, ist aber gerade für Einsteiger viel zu schlampig umgesetzt.

Die ansatzweise sich neben den vielen Standardmeldungen und oft nicht einmal diesen herausschälende Stimmung hat mich jedenfalls animiert, das Spiel durchzukauen. Die Texte beschreiben in Nebensätzen eine heruntergekommene Taverne, was mir abseits aller technischen Schwierigkeiten ganz gut gefallen hat. Der riesige Rotzbrocken in meinem Steak, die tumbe Wirtin, das Loch im Plumpsklo neben dem Zimmerbett, »das möglicherweise geradewegs runter in den Zapfhahn führen mag« oder die offenkundig aus Geldersparnisgründen gemeinsame Zimmernutzung mit Dad bringen Häppchenweise eine Stimmung hervor, die eine ganz andere Wirkung entfaltet als Schilderungen wie »du bist jetzt in einer heruntergekommenen Taverne«. Ansätze eines Quests und etwas Hintergrundbeiwerk schälen sich jedenfalls trotz aller Schwierigkeiten heraus.

Wir sollen also in eine stillgelegte Mine klettern und ein Artefakt finden, das Geld bringen wird, das wir so dringend benötigen. Ich bin eine sechzehnjährige schwarze Adoptivtochter meines Dad und mit seinen beiden düsteren Kumpanen unterwegs, alle weiß. Diese Kontraste wirken vorerst spannend und werden in der Mine durch weitere ergänzt, aber die fantasyartigen Herausforderungen dort sind derart grob implementiert, dass sich das Spiel kaum zu Ende bringen lässt. Ich kürze ab: bis zur Verzweiflung sterbe ich im Kampf gegen eine »Beart«-Kreatur, bis zur Verzweiflung versuche ich ein Artefakt in meinen Besitz zu bringen und muss am Ende in den Walktrhough spechten, der sich ebenfalls als viel zu silhouettenhaft erweist.

J'dal ist technisch schlecht gemachtes Spiel mit einigen Ansätzen, gut zu sein. Mir haben hier und da die Art der Erzählung, die bisweilen symbolisch anmutende Sprache und in der Mine einige rätsellastige Parts wie etwa das Rätsel mit der Torkette, der Kampf mit der »Beart«-Kreatur oder die versteckte Kammer gefallen. Letztere für sich hätten schon das Potenzial, gut zu sein, und die Art der Erzählung ebenfalls - würde die schlechte Implementierung einen nicht permanent in die Verzweiflung treiben und die unkonsequente Erzählweise nicht die interessanten sprachlichen Ansätze neutralisieren. Ich kann das Spiel in der Comp-Version nicht wirklich empfehlen, kann aber streckenweise auch nicht behaupten, dass die Beschäftigung damit langweilig war. Der Autor nach meinem Eindruck jedenfalls Potenzial für gute Geschichten.

Archivierte Rezension(en) ↓

Rezension von Mr Creosote (16.10.2012)
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Ach, machen wir doch einfach heute mal etwas Anderes – vergessen wir die technische Seite des Spiels nach diesem einen Satz: Der Spiel ist äußerst fehlerhaft, selbst die zentralen Spielmechanismen fliegen dem Spieler regelmäßig um die Ohren. Das ist dermaßen offensichtlich, dass es keiner weiteren Kommentierung bedarf. Tun wir einfach mal so, als wäre das alles kein Hindernis und konzentrieren uns darauf, was der Autor wohl im Sinne hatte und messen den Erfolg der Erzählungs- und Spieltechniken. Leider wird auch diesbezüglich das Fazit nicht blühend aussehen, aber auf dieser Ebene lohnt es sich immerhin, überhaupt mal ein wenig ins Detail zu gehen.

J'Dal, die Protagonistin, ist ein sechszehnjähriges Mädchen schwarzer Hauptfarbe. Letzteres Attribut wird dem Spieler als allererstes auf unsubtilste und wiederholte Weise ins Gesicht geworfen. Warum ist das überhaupt wichtig? Weil sie deshalb anscheinend diskriminiert wird. Falls man das als ernstzunehmende Stellungnahme über Rassismus auffassen soll, muss man schonmal Einspruch erheben: So funktioniert das nicht! Wenn man in einer fiktionalen Erzählung gesellschaftlich relevante Themen ansprechen will, dann muss man schon etwas subtiler vorgehen und den Spieler sie selbst (als wäre es Zufall) entdecken lassen. Noch seltsamer wird diese Betonung jedoch dadurch, dass der Plot sich dann nach 30 Sekunden auf das übliche Niveau von D&D-Geschichtchen herabbewegt: J'Dal gehört zu einer clichéhaften Gruppe clichéhafter Abenteurer, die irgendein legendäres Artefakt aus einer Höhle besorgen sollen. Nicht gerade das solide Fundament, auf dem man üblicherweise ernsthafte Themen adressiert.

Schwenken wir als nächstes mal zum spielerischen Thema der Spielereinbindung. Der Autor versucht Genreeinsteiger dadurch abzuholen, dass die Anfangsszene als eine Art Tutorial gestaltet ist. Jeder Schritt wird dem Spieler vom Spiel direkt vorgegeben, man muss also nur genau das eintippen, was einem gesagt wird. Das mag hehre Ziele haben, aber so (ohne eigene Einflussmöglichkeiten) zu „spielen“ ist nicht nur langweilig, sondern vermittelt dem Spieler auch diverse falsche Eindrücke. Ersteres, da das Spiel eben keinerlei Experimente außerhalb der fest vorgegebenen Eingaben erlaubt – alles andere wird einfach verworfen in dieser Phase. Letzteres, da es keinen organischen, langsamen Übergang von dieser engen Führung des Spielers zum eigentlichen Spielgeschehen, das jenen dann unvermittelt in komplexe und sogar unlogische Situationen wirft, gibt. Das Spiel erreicht so leider eher das Gegenteil seiner Intention: Anstatt neue Spieler an das Genre heranzuführen, nervt und frustriert es alle denkbaren Zielgruppen gleichzeitig.

Diese Tutorial-Struktur ist darüber hinaus auch erzählerisch problematisch. Da dem Spieler sofort und mehr als deutlich antrainiert wird, niemals andere Befehle einzugeben, als diejenigen, die das Spiel fett hervorhebt, wird er davon dann auch nicht mehr so schnell abweichen. Doch leider hat der Autor in diesen ersten Spielabschnitt auch eine an sich wichtige expositorische Szene eingebaut. Dort soll der Spieler etwas über die bevorstehende Mission erfahren und einen Eindruck von den Charakteren, die die Protagonistin begleiten werden, gewinnen. Das Spiel erlaubt dem Spieler jedoch gerade mal drei Fragen zu stellen (solange man darauf wartet, dass eine Kellnerin das bestellte Essen serviert). Danach bellt das Spiel dann schon wieder Befehle in Richtung des Spielers. Technisch gesehen ist es zwar noch möglich, weitere Dialogoptionen durchzuprobieren, doch sich dem Spiel derart zu widersetzen, darauf kommen wiederum nur abgeklärte Spieleveteranen. Die meisten Spieler müssen sich also mit minimalen – oder sogar gar keinen – Informationen darüber, was am nächsten Tag (wenn das Spiel so richtig beginnt) passieren wird, durchschlagen müssen, was die Mission in ein riesiges Chaos verwandelt.

Gleichzeitig ist es ein Problem der Charakterisierung der handelnden Personen. Da die anfänglichen Interaktionen mit der Gruppe minimal sind, kann man sich kaum die Namen der Leute merken, geschweige denn irgendetwas über ihre Persönlichkeiten erfahren. Nicht, dass es darüber allzuviel zu sagen gäbe. Wodurch dann die „große Überraschung“ gegen Ende eher verwundertes Kopfkratzen auslöst, als wirkliche Spannung. Und nochmal: „schwarz und bööööse diskriminiert“ ist keine ausreichende Charakterisierung für die Protagonistin! Um sich mit einem Charakter zu identifizieren und sich ihrer Probleme anzunehmen, braucht es schon mehr.

Das war's also. J'Dal versucht ein paar interessante Sachen, scheitert aber an all seinen eigenen Zielen und Ansprüchen. Nicht nur bezüglich der technischen Seiten. Oh, Mist, das wollte ich doch nicht mehr erwähnen!

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