Giana Sisters: Twisted Dreams
für PC (Windows)

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Mr Creosote:Besucherwertung:
2/6
Firma: Black Forest Games
Jahr: 2012
Genre: Action
Thema: Cartoon & Comic / Sonstige Fantasy
Sprache: English, Deutsch, Français, Italiano, Castellano
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 12638
Rezension von Mr Creosote (22.10.2012)
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Drei Leben! Mehr hätte ich vor 25 Jahren für dieses Spiel nicht gebraucht (Na klar! -Ein beliebiger Schulfreund). Natürlich hätte es bedeutet, den Computer mangels Speicherfunktion tagelang laufen zu lassen, während man schulisch oder familiär bedingte Zwangspausen einzulegen gezwungen war. Doch unzweifelhaft hätte man so viel Zeit wie nur irgendwie möglich in den Giana-Sisters-Nachfolger gesteckt, denn ein solcher muss doch wohl genial sein, oder?

Nun sind wie gesagt ein paar mehr Jahre vergangen, als dass man noch so den direkten Bezug sähe. Ebenso versteht sich dieses Spiel auch weder als Remake, noch klassischer Nachfolger des Originals. So spielt sich Twisted Dreams auch, trotz aller Anklänge, tatsächlich eher als übergreifendes „Best Of“ des Jump-'n'-Run-Genres in seiner Gesamtheit. Einmal sind die Level natürlich vollgestopft mit all den allgemeinen Klassikern, vom Ausschalten der Gegner durch gezielten Sprung auf deren Köpfe, über sich bewegende, schwebende oder langsam abbröckelnde Plattformen und tödliche Spitzen bis hin zu versteckten Geheimgängen, die in Bonushöhlen münden. Doch dann erkennt man auch zahlreiche Spezifika bestimmter Klassiker wieder.

So können beispielsweise in jedem Level Edelsteine in drei verschiedenen Farben gesammelt werden. Dies ist erstmal optional, man kommt auch ohne voran. Bis… ja bis man das erste Boss-Level erreicht! Das lässt sich nämlich nur „aufschließen“ (im wahrsten Sinne des Wortes), wenn man vorher ausreichend Edelsteine gesammelt hat. Woher kennen wir das? Um nur ein Beispiel zu nennen: Soccer Kid kann ebenfalls durch die Levels düsen, ohne nach links oder recht zu schauen (na ja, eher „oben“ und „unten“), doch dann entgehen ihm die Zwischenlevel, in denen er um die Teile des verlorenen Weltmeisterschaftspokals kämpfen kann – die zusammenzusuchen das eigentliche Ziel des Spiels ist.

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Die klassischen Eulen geben sich die Ehre

Ebenso werden immer mal wieder größere Strecken per Hochgeschwindigkeits-Special-Move überbrückt (Sonic), man klettert vertikale Flächen hoch, indem man sich an ihnen festklammert (B.C. Kid) und muss ohnehin das exakte Timing der zentralen Gefahrenstellen durch Ausprobieren auswendig lernen (Rick Dangerous). Nur eines fehlt leider: Die optisch und spielerisch abwechslungsreichen Levels eines James Pond.

Insgesamt gibt es 23 Levels. Diese teilen sich in drei Welten, die jeweils mit einem Endgegner abschließen. Übermäßig umfangreich ist das ehrlich gesagt nicht und vor Allem lassen sich die Levels (weltübergreifend) in drei grobe Kategorien/Grafiksets einteilen: Außenwelt, Burgen und Minen. Nominell andere Innenräume unterscheiden sich nur unwesentlich, basieren sichtbar auf den gleichen grafischen Elementen.

Black Forest Games würde nun wahrscheinlich einwenden, dass es praktisch doppelt so viele Levels sind, womit wir bei den durchaus vorhandenen Neuigkeiten Twisted Dreams' angekommen wären. Giana und Maria werden nicht mehr zum seriellen Zweispielervergnügen verwendet (Maria wird am Ende des ersten Levels von einem riesigen Drachen verschlungen – gulp), sondern der Spieler kann jederzeit zwischen zwei Varianten der schizophrenen Giana umschalten. Damit ändert sich jedoch nicht nur die Figur optisch, sondern damit auch die gesamte Umgebung. Die eine rennt in einem düsteren Alptraum herum, die andere in einer scheinbar freundlichen Bonbonwelt, die sich trotzdem als nicht weniger gefährlich herausstellt. Der Großteil der Welten wird einfach äquivalent „umgedreht“, d.h. Sprites und Hintergrundgrafiken werden ausgetauscht.

Grafisch, wie auch musikalisch, ist der „Twist“-Effekt eindrucksvoll gelungen. Während sich Elektroklänge organisch in Gitarrenriffs wandeln, poppen kleine Pilzhäuser aus dem Boden, wachsen urplötzlich vormals toten Bäume neue Äste und öffnen sich neue Wege, während sich knuddelige Monster in einer Staubwolke in andere verwandeln. Umfangreicher macht das das Spiel freilich nicht und für die sich mittlerweile deutlich in der Abbauphase befindlichen Sinne der alternden Spielerzielgruppe mag das auch stellenweise an Überforderung grenzen, dermaßen viel neu einstürmende Information zu verarbeiten (Stichwort: „Was gehört jetzt eigentlich zum Vorder- und was zum Hintergrund?“).

In einigen Fällen haben die Unterschiede jedoch auch spielerische Relevanz. So erscheinen oder verschwinden Hindernisse und einige Gegner verwandeln sich in funktional eben nicht äquivalente Varianten: So wird ein herumlaufendes Alien beispielsweise zu einer stationären Holzkiste, aus der von Zeit zu Zeit Stacheln herausfahren, die aber auch, bei richtigem Timing, also Absprungplattformen genutzt werden kann. Von den zwei Geistertypen ist jeweils immer nur einer pro Weltvariante aktiv.

Der größte Unterschied (von Herstellerseite wird dies etwas hochgegriffen als „Rätselelemente“ bezeichnet) liegt jedoch in unterschiedlichen Fähigkeiten der beiden Charaktere. Jede hat genau eine Spezialfähigkeit: Die eine kann sich so schnell um die eigene Achse drehen, dass sie anstatt herunterzufallen kontrolliert und beinahe horizontal schweben kann; die andere kann einen hochzerstörerischen Sprung mit dem Kopf voran auslösen. Jedoch, und das ist das „große Geheimnis“ der „Rätsel“: Die Betonung liegt auf auslösen; tatsächlich haben sie beide beide Fähigkeiten, nur auslösen kann sie jeweils nur eine von beiden.

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In diesem Level 41 Mal gestorben? Kein Problem!

Das Umschalten zwischen den beiden Welten wird im Laufe der Level immer wichtiger. Teilweise müssen die Spezialfähigkeiten auf engstem Raum in Serie angewendet werden, und das sind zweifellos die trickreichsten und schwierigsten Situationen, in denen man als weniger begabter Spieler (Endlich! -Anonyme Leserzuschrift) auch gerne mal stirbt. Was allerdings gar nicht mal so schlimm ist, denn Twisted Dreams macht einige Zugeständnisse an die veränderten Spielgewohnheiten heutiger Zeiten. Dicht gesäte Neustartpunkte in den Levels sind da nur der Anfang; dazu kommen unendlich viele Leben (immerhin verdient man sich zusätzliche schlüsselfähige Edelsteine, indem man selten stirbt) sowie subtile Unterstützung bei der Steuerung, wie beispielsweise halbautomatisches Zielen beim Angriff auf die Gegner oder beim Springen auf besonders kleine Plattformen.

So bekommt man schnell den Eindruck sehr guter Spielbarkeit durch schnelle Erfolgserlebnisse, einen über die Levels langsam ansteigenden Schwierigkeitsgrad und immer mal wieder, selbst noch im späteren Spielverlauf, neu eingestreute Features. Sowohl in Struktur und Umsetzung ist Twisted Dreams sehenswert; es kann locker als logischer Evolution vieler Klassiker durchgehen. Trotzdem muss man sich fragen, was dieses Spiel nun derart auszeichnen soll, dass man es einem der ja nun ehrlich gesagt in riesiger Anzahl verfügbaren Klassiker vorziehen sollte. Wie erwähnt ist es sicher nicht der eher geringe Umfang und die sparsamen Grafiksets für die Landschaften. Ebenso geizig zeigt sich das Spiel bezüglich Extras: Spielerisch relevant gibt es gerade mal einen einzigen besonderen Bonus, der einem einen zusätzlichen „Hitpoint“ verleiht; sonst gibt es einfach überhaupt nichts. Ein Endgegner alle sieben bis acht Levels haut auch Niemanden vom Hocker. Und so vorbildlich die dual instrumentierte Musikuntermalung technisch funktioniert, hätten es doch ruhig ein paar mehr Stücke sein dürfen, um die Wiederholungsfrequenz geringer zu halten.

Doch heutzutage kommt man als erwachsener Spieler ja ohnehin langsamer voran als früher. Damit rechnen wohl auch die Spieleproduzenten und glauben deshalb, mit geringerem Aufwand durchzukommen. Zugegeben: Der Preis von 15€ (natürlich inklusive des 30-prozentigen Europa-Aufschlags des Dollarpreises von 14,99$) ist für dieses kleine Spiel durchaus fair und einige Abende ist man trotzdem beschäftigt. Vielleicht sind einige Entwicklungen ja auch wirklich gar nicht mal so schlecht. Denn eines ist sicher: Mehr als drei Leben hätte ich, wäre dieses Spiel vor 25 Jahren herausgekommen, nicht gehabt. Und wie weit ich damit beim Spielen nach einem ernsthaften Arbeitstag zwischen nun anders priorisierten Lebensaspekten gekommen wäre, ist wohl klar.

Dieser Rezension liegt ein kostenlos von der Firma zur Verfügung gestelltes Vorabexemplar zu Grunde.

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