The 7th Guest
für PC

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Wandrell:Mr Creosote:okgooddays:Gesamt:
3/6
Besucherwertung:
4.5/6
Firma: Trilobyte
Jahr: 1993
Genre: Denkspiel
Thema: Horror
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 24387
Rezension von Mr Creosote, Wandrell (10.11.2012)
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[Wandrell] Auf der European Computer Trade Show 1992 konnten die Besucher einen Blick in die Zukunft der Spieleindustrie werfen. Während die meisten der vorgestellten Spiele deutlich nicht mehr waren als Evolutionen des Bekannten, trauten sich andere Firmen mit den neuen Technologien weiter vor und produzierten das, was für einige Jahre als die Zukunft angesehen wurde: CD-ROM-Spiele. Zu den ersten dieser Gattung gehörte das fordernde The 7th Guest.

[Mr Creosote] Wir müssen uns daran erinnern, dass zu der Zeit fast kein Computer überhaupt ein CD-Laufwerk besaß. Viele hatten noch nicht einmal eine Festplatte. Verglichen mit einer Diskette konnte eine CD das unerhörte 500-fache an Daten aufnehmen.

Man konnte also sagen, dass eine CD zu der Zeit als „unbegrenzter“ Datenspeicher gelten durfte. Sogar so weit, dass es gar nicht mal so einfach war, sie überhaupt voll zu bekommen. Auf Videos fiel offensichtlich die Wahl, aber damit stießen die Computer dann wiederum schnell an die Grenzen ihrer Rechenleistung.

Die Ankunft der CD und des „Full Motion Video“

[Wandrell] Ja, ich war noch ein Kind, aber ich kann mich daran erinnern, dass als die CD-ROMs auftauchten, der Hauptgedanke war, dass man nun „endlich“ Filme auf dem Computer anschauen könne. Ich habe noch ein paar solche Filme und Dokumentationen, die auf Zeitschriften gepappt wurden, herumliegen; die Bildqualität ist schrecklich. Doch welchen besseren Weg könnte es schon geben, um zu zeigen, was Computer jenseits von Diskettenkapazitäten leisten könnten? Um zu überzeugen, dass dieses neue Spiel den Computer zu neuen Höhen bringen würde?

[Mr Creosote] Prinzipiell gab es damals eigentlich nur zwei Möglichkeiten der Videokodierung auf CDs: unkomprimierte Videos im Briefmarkenformat (da unkompromierte Videos selbst CDs sehr schnell vollmachten) oder MPEG- (d.h. der erste MPEG-Standard, nicht diese aktuellen) komprimierte Videos, für die man jedoch eine spezielle Dekodersteckkarte in den Computer einbauen musste. Die natürlich schweineteuer war, jedoch den einzigen Weg darstellte, überhaupt so komprimierte Videos abzuspielen, da die üblichen CPUs das einfach nicht in Echtzeit schafften.

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[Wandrell] Nicht unähnlich sah es mit dem Ton aus. Das kleinere MIDI-Format, das zu sehr von der Qualität der Soundkarte abhing, konnte mit besseren Formaten ersetzt werden, was üblicherweise der Redbook-Standard war, der viel bessere Klangqualität bot, aber auch so seine Probleme im Spielgeschehen hatte, beispielsweise die typische Stille während des Trackwechsels.

Doch diese erhöhte Qualität hatte auch noch mit zwei weiteren Dingen zu tun: Dem Käufer das Gefühl zu vorzugaukeln, sie bekämen ein besseres Spiel (manchmal handelte es sich ja auch um eine verbesserte Version eines bereits bekannten Spiels) und natürlich ging es auch darum, Softwarepiraterie zu stoppen, da man mit der CD ein Medium in der Hand hatte, das zu der Zeit praktisch unkopierbar war.

[Mr Creosote] Die typischen Probleme früher CD-Spiele kann man auf dieser Seite ja zur Genüge begutachten: Sherlock Holmes: Consulting Detective hat beispielsweise diese winzigen, pixeligen Videos. Psycho Killer musste auf 7-MHz-Prozessoren laufen und so wurden alle bewegten Bilder in nur einen Farbton getüncht (wie man das ja bei frühen Spielfilmen auch teilweise gemacht hat).

[Wandrell] Natürlich gibt es auch Beispiele für erfolgreichere Spiele, die allerdings leider auch nicht viel besser sind. Dragon's Lair war ein LaserDisc-Spiel, das für Spielhallen gemacht war; es spielt sich schnell, sieht gut aus und ist dafür berühmt geworden, aber es ist auch echt verwirrend. Trotzdem entstand daraus ein ganz eigenes Genre in den Spielhallen, bis hin zu Spielen wie Los Justicieros. Selbst die SEGA-Konsolen-Erweiterung, die sich ebenfalls an diesem neuen Medium versuchte, die Mega CD, löste sich nur selten von diesen Spielen, bei denen es nur um schnelle Entscheidungen geht.

[Mr Creosote] Auf allen Computer- und auch Videospielsystemen war die CD-ROM also ganz klar das kommende Medium. Was jedoch noch fehlte, war die sogenannte „Killerapplikation“, also das eine Spiel, das als dermaßen begehrenswert gesehen würde, dass man sich ein Laufwerk (das ja immerhin allein schon ein paar Hundert Mark kosten würde) kaufen würde, nur um dieses eine Spiel genießen zu können. In dieser Rolle werden meist drei Spiele genannt: Star Wars: Rebel Assault, Myst und The 7th Guest, wobei wir uns wie erwähnt letzteres heute mal vornehmen wollen.

[Wandrell] Rebel-Assault-Spiele wurden ja noch bis vor Kurzem neu produziert, auch wenn unter anderen Titeln wie Rogue Squadron. Diese Schienen-Shooter waren eines der ganz großen CD-ROM-Genres, und obwohl sie nicht mehr ganz neu waren, wurden sie mit Spielen wie Panzer Dragoon berühmt.

Andererseits wurde Myst ziemlich hochgejubelt. Der Grund dafür ist mir schleierhaft, es besteht nur aus Rätseln ohne sichtbare Logik und ohne Charme. Doch es hat für Jahre seinen Schatten über CD-Spiele geworfen, selbst auf seine Vorgänger, wie dem Spiel, das wir heute diskutieren. Die Popularität Mysts ging sogar so weit, dass daraus Comic- und Buchreihen hervorgingen, was auch immer sie in diesem Spiel gefunden haben.

[Mr Creosote] Die Firmen befanden sich in der Zeit also in einer Konzeptfindungsphase. Was sich verkaufte, wurde nachgemacht und erweitert, so dass die Spiele schon bald wieder nur noch im Umfang wuchsen und sogar genau so beworben wurden. So stieß man auch schnell genug wieder an die Kapazitätsgrenzen des neuen Mediums.

[Wandrell] Wenn man die Anfangszeit der CD-Spiele betrachtet, sieht man schnell, dass auf gewisse Weise experimentiert wurde, also versucht wurde, die Industrie zu erneuern. Nicht dass es ein besonders kluger Versuch war, aber plötzlich konnten Spiele eben viel größer werden und dazu wurden die offensichtlichen Pfade eingeschlagen. Mehr Spielstunden und neue, interessante Spielprinzipien? Nein, schicke Grafiken. Ein Trend, der immer stärker wurde, je mehr Kapazitätsschranken fielen.

[Mr Creosote] Du hast ja bereits erwähnt, dass viele dieser Spiele praktisch „auf Schienen“ stattfanden. Das war tatsächlich eine technische Beschränkung, die viele dieser Spiele überhaupt erst möglich machte – inklusive 7th Guest. Trotz der zweifellos beeindruckenden Fortschritte in der Datenkomprimierung, die das Spiel mit sich brachte, blieb immer noch der CPU als Flaschenhals, der einfach nicht leistungsfähig genug war, komplett dreidimensionale Umgebungen in dieser Qualität live zu berechnen. Was die Hersteller also taten, war Bewegungen vorzuberechnen und die Bewegungsfreiheit des Spielers auf genau diese vorberechneten Pfade, die dann abgespielt werden konnten, zu beschränken.

[Wandrell] Richtiges 3D, und damit meine ich etwas, das wirklich wie gefilmt aussieht, war damals immer noch ein Traum und ist es auch noch heute. Doch während aktuelle Spiele es immerhin locker hinbekommen, Dreidimensionalität erfolgreich vorzutäuschen, musste damals noch mit mehr Tricks gearbeitet werden.

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Doom, mit seiner überarbeiteten Wolfenstein 3D-Engine, ließ 2D wie 3D aussehen. Für jeden X-Y-Schnittpunkt hatte man zusätzlich einen Z-Wert, wobei sich jedoch immer nur ein Objekt an dieser Position befinden konnte. Komplexere Spiele wie Ultima Underworld: The Stygian Abyss ließen einen auch über und unter Plattformen laufen, aber hatten trotzdem auch ein paar visuelle Störungen, wenn man die Bewegungsfreiheit allzu sehr ausnutzte.

Eine wirklich überzeugende und funktionierende dreidimensionale Welt zu erzeugen kostet nun man viel Rechenzeit. Doch teilweise konnte dieses Problem durch das Vorrendern der Szenen umgangen werden. Selbst Jahre später wurde diese Technik immer noch beispielsweise in Resident Evil für die Hintergründe benutzt.

[Mr Creosote] 7th Guest macht erstmal genau das: Es setzt künstlich generierte Hintergründe die in vorberechneten Bewegungsmustern dargestellt werden, ein, kombiniert diese jedoch mit dem anderen „heiligen Gral“ der Zeit, d.h. es überlagert diese Hintergründe mit Videoclips. Bezüglich letzterer bedient man sich einem Plotkniff, der besagt, dass es sich bei allen dargestellten Personen um Geister handelt, was also die mangelnde Schärfe der Bilder erklärt. Die Kombination der beiden völlig unterschiedlichen Technologien, also einmal mathematisch modellierter Hintergründe und gefilmter Vordergründe, funktioniert visuell allerdings erstaunlich gut. Diese Kombination einigermaßen organisch hinzubekommen, ist wirklich nicht trivial und die Umsetzung verdient höchstes Lob!

Der Plot in den Videos

[Wandrell] Bevor wir jedoch ganz in die Videos einsteigen, möchte ich noch etwas anmerken. Es liegt wahrscheinlich an der CD-Audio-Technik, aber man kann die Lautstärke der Musik nicht einstellen, so dass sie immer mal wieder die Stimmen der Leute überlagert. Das kann beim Spielen schon stören.

Macht aber nicht allzu viel, da der Plot derart erzählt wird, dass es nicht ganz so schlimm ist, ein oder zwei Dinge zu verpassen. Er wird häppchenweise erzählt, meist als Belohnung für erreichte Ziele und ist somit nicht linear. Es ist ja kein neuer Kniff, die Geschichte stückchenweise und in schneinbar zufälliger Reihenfolge zu erzählen, um so Spannung zu erzeugen, was aber durchaus passt, da die Geschichte ohnehin unheimlich ist.

[Mr Creosote] Ich hatte das gleiche Soundproblem: Die Musik tendiert dazu, die Stimmen unverständlich zu machen. Bevor man jedoch überhaupt mit dem tollen „multimedialen“ Spiel beginnt, sollte man erstmal zum klassischen Medium der gedruckten Anleitung greifen, denn das Video-Intro erzählt nur einen Teil der Geschichte; zahlreiche Hintergrundinformationen zu den Charakteren und der Ausgangssituation findet man nur in den „Stauf Files“.

[Wandrell] Ironisch dabei ist, dass wenn man einen späteren Release des Spiels gekauft hat, dieses Handbuch überhaupt nicht bekam. Auch das könnte man als eine Art Kopierschutz, also einen Anreiz zum Kauf, ansehen, aber bei Neuveröffentlichungen im Budgetbereich wurde sowas dann häufig einfach übersehen. Zum Glück verpasst man in diesem Fall nicht allzu viel, außer eben einem Teil des Plothintergrunds und den genauen Identitäten der Gäste.

[Mr Creosote] Also zum Plot. Ein reicher und offensichtlich abgrundtief böser Spielzeugproduzent hat einmal sechs Gäste in seine Villa eingeladen und ihnen die Erfüllung ihrer geheimsten Wünsche versprochen, falls sie überleben sollten. Ganz offensichtlich spielt er die Gäste gegeneinander aus, säht Zwietracht. Ein entscheidender Faktor der Unsicherheit der Gäste ist, dass anscheinend alles für einen siebten Gast vorbereitet ist, dessen Identität jedoch erstmal verborgen bleibt. Soweit, so gut – nur dass der Protagonist erzähltechnisch völlig aus dem Rahmen fällt; er will einfach nicht ins Bild passen.

[Wandrell] Der Spieler ist nur ein Zeuge. Es wird niemals klar, warum er überhaupt hier ist, aber die Anleitung deutet immerhin an, dass er eine der Personen ist, die mysteriös im Umkreis der Villa verschwunden sind, und der nun an den Spielen, die der Hausherr hinterlassen hat, teilnimmt.

[Mr Creosote] Ganz am Ende wird das Geheimnis der Identität des Spielers zwar gelüftet, aber Sinn ergibt es dadurch immer noch nicht. Was in dem Haus passiert ist, als die Gäste dort eintragen, ist bereits vor vielen Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten geschehen. Der Spieler findet sich nun in der Gegenwart einfach in dem nun verlassenen Haus wieder – mit Amnesie. Einen schwächeren Aufhänger kann man sich kaum vorstellen!

[Wandrell] Das ist aber entschuldbar, da der Plot ohnehin sekundär ist für das Spiel. Wie gesagt, man sieht nur zu, wie er sich langsam entwickelt. Die wichtigen Charaktere sind diejenigen, die man sieht, man selbst hat keinen richtigen Einfluss auf die Geschichte, die unabhängig vom eigenen Tun unaufhaltsam weiterstrebt. Schließlich handelt es sich darum, dass Geister die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens zum wiederholten Male erleben.

[Mr Creosote] Als sekundär würde ich die Geschichte keinesfalls bezeichnen. Dass sie jedoch ohne Interaktion und auch ohne Einflussmöglichkeit des Spieler fortschreitet, ist richtig. Das ist schon sehr schade, denn so sehr mir dieser blöde Gedächtnisschwunds-Aufhänger missfällt, so stellt sich die Geschichte, als sie dann tatsächlich loslegt, doch als klassische Erzählung von einem Pakt mit dem Bösen, Versuchung und Gewissenskonflikten heraus, die noch nicht mal schlecht geschauspielert ist. Na ja, abgesehen von diesem Jungen.

[Wandrell] Akzeptable, geschweige denn gute Schauspielerei, fehlte leider in den meisten FMV-Spielen, obwohl schlechte Darsteller ein Spiel völlig zu Grunde richten konnte, da sie die Atmosphäre zerstörten.

[Mr Creosote] Eine Entscheidung, die ich technisch gesehen nachvollziehen kann, aber trotzdem nicht mag, bezieht sich auf die Kostüme. Natürlich musste man sicherstellen, dass die Charaktere trotz grober Videoqualität immer noch auseinandergehalten werden konnten, aber müssen einige gleich in Clownskostümen herumlaufen?

[Wandrell] Ich denke mal, du beziehst dich damit auf den „Zauberer“. Er trägt ein passendes, indisch angehauchtes Bühnenkostüm; die anderen tragen einfach typische Kostüme der 30er Jahre: Eine ältere Frau scheint gerade aus einer Varieteshow entflohen zu sein, dann gibt es den geheimnisvollen Mann, das ältere Ehepaar und die Femme Fatale.

[Mr Creosote] Es gibt wirklich keinen Grund, warum dieser Zauberer sein Bühnenkostüm trägt. Na ja, das sind Kleinigkeiten. Insgesamt war ich bei diesem Durchgang des Spiels wirklich positiv überrascht davon, wie die Geschichte sich entwickelt und wie sie umgesetzt ist. Viel besser als in meiner Erinnerung! Lob, das sich jedoch leider nicht auf das Spielkonzept übertragen lässt.

Das Spielprinzip jenseits der Geschichte

[Wandrell] Für mich war eigentlich alles wie bekannt, es war ja nicht das erste Mal, dass ich das Spiel nochmal angefasst habe. Die Atmosphäre gefällt mir, ebenso die Rätsel, die wirklich zahlreich sind. Die meisten sind mathematisch (viele Matrizen und Graphen), aber es gibt auch ein paar andere, die einen schon überwältigen können, wenn man nicht aufpasst.

[Mr Creosote] Das vielleicht größte Problem der aufkommenden „Multimediaspiele“ schlägt hier ganz extrem zu: Neben der funkelnden Präsentation wurde völlig vergessen, auch ein begleitendes Spiel zu konzipieren. Also bekommt man einfach Rätsel… aber nicht Rätsel im Sinne des Adventuregenres, sondern einfach Denkaufgaben, die nun wirklich überhaupt nichts mit dem Plot zu tun haben. Anscheinend sollen sie irgendwelche Fallen darstellen, die der Gastgeber benutzt, um seinen Spaß mit seinen Opfern zu haben, aber die Verbindung ist mehr als schwach. Ganz besonders da man niemals sieht, wie irgendeiner der Gäste im Rahmen eines der Rätsel umkommt. Sie bringen sich alle entweder gegenseitig um oder geraten in Fallen, die nichts mit den Rätseln zu tun haben, auf die der Spieler jedoch nicht in gleicher Weise trifft. Warum es diese Rätsel überhaupt gibt und im Besonderen warum der Spieler sie überhaupt zu lösen versucht, wird niemals erklärt – für den Spieler gibt es somit keinen dem Spiel inhärenten Grund, sich den Rätseln überhaupt anzunehmen, außer dass sie eben da sind.

[Wandrell] Ich habe auch immer auf irgend einen tödlichen Trick gewartet, doch umsonst. Die Rätsel sind einfach Herausforderungen, die der Bösewicht zu seiner Unterhaltung hinterlassen hat. Und sie unterscheiden sich in ihrer Schwierigkeit und Originalität stark. Die meisten Rätseln sind sogar altbekannt, beispielsweise das Acht-Damen-Problem oder das Aufteilen einer Fläche in gleiche Stücke. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass den meisten Spielern einige davon schonmal über den Weg gelaufen sind.

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[Mr Creosote] Genau. Theoretisch gibt es 22 Rätsel, was ohnehin schon nicht besonders viel ist. Doch die effektive Anzahl verringert sich nochmal, wenn einem klar wird, dass schonmal drei davon auf einem Schachbrett stattfinden. Ebenso gibt es drei Verschieberätsel (ja, genau wie diese Plastikdinge, die man als kleines Kind gelöst hat). Viele andere sind, wie du gesagt hast, ohnehin bekannt, so dass man die Lösung sowieso schon kennt, oder sie sind völlig trivial (der „Blutlabyrint“ oder das extremst nervige Nachspielen einer vorgegebenen Melodie auf einem Klavier, während die normale Hintergrundmusik stumpf weiterdudelt).

[Wandrell] Dann gibt es wie gesagt noch ein paar, die im Prinzip nur Matrizen und Graphen sind. Wenn man den Trick dabei also einmal herausgefunden hat, lässt sich dieser immer wieder anwenden, da der Grundgedanke immer wieder der gleiche ist; wie beispielsweise die beiden Rätsel, in denen man einen Pfad so beschreiten muss, dass daraus ein Satz entsteht, was wirklich sehr einfach ist.

[Mr Creosote] Oder aber das Umdrehen der Münzen oder Spielkarten in der richtigen Reihenfolge – ob es nun Münzen oder Spielkarten sind, ist völlig gleichgültig, es ist zweimal genau das gleiche Rätsel! Doch dann gibt es natürlich noch diejenigen, die praktisch unlösbar sind. Das Springerrätsel wäre da beispielhaft zu nennen: Es ist mathematisch so komplex, dass ich mal stark bezweifeln möchte, dass viele Leute es selbstständig lösen konnten in Zeiten, als das Internet noch nicht voller Komplettlösungen an jeder Ecke war!

[Wandrell] Mir machen immer diese Dosen Probleme. Ich vergesse immer wieder, worum es dabei eigentlich geht. Teilweise weil es dabei seltsamerweise um die englische Sprache geht, teilweise weil man so an mechanische Rätsel gewöhnt ist, dass man auch hier erwartet, dass es eigentlich um Farben und Zahlen gehen müsste.

[Mr Creosote] Im Fall der Dosen soll man einen englischen Satz aus gegebenen Buchstaben bilden, jedoch ist kein einziger davon ein Vokal. Viel Erfolg, das sollte selbst für Muttersprachler schwierig werden. Nachdem man den Satz gedanklich gebildet hat, ist die Umsetzung aber immerhin einfach.

[Wandrell] Positiv ist immerhin, dass keines der Rätsel wirklich unverständlich ist. Das ist auch gut so, denn die Hinweise, die man in der Bibliothek bekommen kann, sind nicht wirklich hilfreich.

[Mr Creosote] Nicht hilfreich? Sie lösen einem sogar die meisten Rätsel vollkommen automatisch, wenn man denn will!

[Wandrell] Wirklich? Das wusste ich gar nicht, dorthin zu gehen ist viel zu umständlich. Es ergibt sich daraus kein Nachteil?

[Mr Creosote] Wenn man sich durch dreimaliges Konsultieren des Buches ein Rätsel automatisch lösen lässt, wird einem der eigentlich darauf folgende Videoclip nicht gezeigt. Trotzdem halte ich dieses Feature für die Rettung des Spiels, denn jeder Spieler wird früher oder später einfach unwiderbringlich irgendwo feststecken, was ansonsten eben endgültiges Aufgeben nach sich ziehen würde.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die meisten Rätsel Logikpuzzles mit wiederholbaren Lösungswegen sind. Hat man sie einmal gelöst, kann man es auch immer wieder mit den gleichen Schritten tun. Die eine Ausnahme ist das Mikroskoprätsel, das tatsächlich ein kleines Brettspiel gegen den Computer ist. Allerdings auch kein neues Spiel: Es ist Virgins eigenes Infection/Ataxx.

[Wandrell] Letztes Jahr ist dieses Spiel auf dem iPad unter dem 7th-Guest-Banner herausgekommen. Unter diesem Namen verkauft es sich wohl besser.

[Mr Creosote] Dabei handelt es sich um eine [game]Reversi[/i]- oder Othello-Variante, die wie gesagt von Virgin bereits ein paar Jahre zuvor als eigenständiges Spiel produziert wurde. Es macht unzweifelhaft Spaß! Warum irgendjemand jedoch die 7th-Guest-CD ins Laufwerk schieben sollte, nur um dieses Spiel zu spielen, anstatt einfach die Originalversion (die im Übrigen sogar editierbare Spielbretter bietet) zu nehmen, ist mir schleierhaft.

[Wandrell] Damit haben wir so ziemlich alle Rätsel durchgehechelt, aber es bleibt noch ein Höhe- (oder Tief-) Punkt, den eigentlich kein geistig gesunder Designer mehr anfassen würde: ein Labyrint. Natürlich muss man sich da mit einem unbeholfenen Bewegungsinterface durchquälen und ohne, dass man überhaupt weiß, wo man hingelangen möchte.

Darüber hinaus werden die Rätsel immer von Stimmen begleitet. Dieses halten das Spiel nicht nur auf, da sie das Fortkommen im eigentlichen Rätsel blockieren, sondern sie wiederholen sich in den immer gleichen Intervallen, wenn man das Rätsel neu beginnt.

Nehmen wir beispielsweise mal eines dieser sehr einfachen Schiebepuzzles. Nach nur ein paar Zügen hört man den Bösewicht sagen „Finding this puzzle a bit grrrrrrrating?“. Noch ein paar Züge später stimmt auch der Protagonist auf ähnlichem Niveau ein: „To get around this puzzle… I must get a round!“. Genau, in dem Rätsel geht es darum, eine runde Öffnung in ein Gitter („grate“) zu bringen, das ist ja wirklich „clever“.

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Und so geht das ausnahmelos bei allen Rätseln. Manchmal mag das ja ganz spaßig sein, dass einem ein böser Geist auf die Nerven geht, aber in diesem Ausmaß lenkt es zu sehr ab.

[Mr Creosote] Wenn man bedenkt, dass es sich bei dem Spiel eigentlich um ernsthaften Horror handeln soll, ist das schon ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. Ganz besonders, da diese Unterbrechungen bereits lange vor der selbst theoretischen Mindestanzahl an Zügen, die man zur Lösung brauchen wird, beginnen. OK, meinetwegen dürfen mich die Geister ruhig verspotten, wenn ich wirklich auf dem falschen Dampfer bin, aber nicht, wenn ich mich zielgenau auf die Lösung zu bewege!

[Wandrell] Es ist wohl so gedacht, dass man garantiert auch wirklich alles zu hören bekommt. Und natürlich gibt es keine Möglichkeit die Soundschnippsel abzubrechen, man muss sie sich komplett anhören.

[Mr Creosote] Wo wir gerade von nervigen Spielaspekten reden: Es gibt ja eine Karte des erwähnten Labyrints, aber die befindet sich natürlich in einem Raum, den man erst betreten kann, nachdem man sich schon durch das Original gekämpft hat. Das Spiel läuft nämlich so ab, dass der Spielerfortschritt durch das Öffnen anfangs abgeschlossener Räume reguliert wird. Was nach sich zieht, dass man immer wieder das gesamte Haus nach neu geöffneten Türen absuchen muss.

[Wandrell] Einige Spielelemente sind wirklich hassenswert. Das Herumlaufen im Haus ist eines davon. Es ist dermaßen langsam… alles ist so langsam. Man bewegt sich langsam, wählt langsam Optionen aus, löst langsam die Rätsel, die Stimmen und Szenen laden langsam…

Mit „langsam“ meine ich in diesem Zusammenhang, dass es immer Verzögerungen gibt. Manchmal sind es einfach die Animationen selbst, die sich allzu schnell wiederholen, manchmal aber auch einfach irgendeine Stimme, die das ganze Spiel blockiert oder ein Video nun sofort abgespielt werden möchte und alles andere unterbricht. Oder mein Favorit: Einen Geheimgang zu finden, der nur in eine Richtung durchschreitbar ist, so dass man erstmal durch das halbe Haus zurücklaufen muss, um wieder dort anzukommen, wo man eigentlich hin wollte.

[Mr Creosote] Diese Einwegeverbindungen gehen mir auch auf die Nerven! Und natürlich trifft das Problem der fehlenden Abbruchfunktion auf wirklich alles zu: Das Spiel spielt seine Animationen ab, ob man es will oder nicht. Man kann weder das Intro überspringen, noch das Herumlaufen etwas abkürzen (wobei die Laufanimation im Übrigen ohnehin überhaupt nicht aussehen, als würde Jemand laufen; es ist mehr ein Gleiten, was allerdings zu der Zeit durchaus üblich war). Nicht zu vergessen ergibt sich dadurch, dass nur vorgefertigte Wege gezeigt werden können, dass der Protagonist häufig recht große Umwege in Kauf nehmen muss, da direktere Verbindungen einfach nicht optisch vorliegen.

[Wandrell] Zumindest hätte man ja eine Karte einbauen können. Moment. Es gibt ja eine Karte! Nur dass auch diese nur sehr langsam überhaupt aufzurufen ist: Man öffnet ein Menü, wählt die Karte aus, wartet bis sie angezeigt wird und danach kann man dann auf ein anderes Stockwerk wechseln, nur um es wieder erstmal nachladen zu sehen…

Und dann kann man diese Karte noch nicht mal benutzen, um irgendwo hinzulaufen. Es gibt immerhin ein Cheat-Panel, das einem die sofortige Teleportation in beliebige Räume erlaubt, technisch gesehen hätte diesen Zweck auch die reguläre Karte erfüllen können.

[Mr Creosote] Das Spiel zu speichern und den Spielstand wieder zu laden ist auch etwas problematisch, da man sich nach dem Laden fast nie am erwarteten Ort wiederfindet. Man taucht stattdessen immer an wenigen definierten Orten wieder auf, so dass man gewungen wird, erstmal wieder umständlich zum eigentlich zuletzt besuchten Raum zurückzulaufen.

[Wandrell] Es ist wirklich alles langweilig und mühsam. Doch die Bewegung im Haus ist ja nicht der Hauptinhalt des Spiels, sondern es sind die Rätsel. Nur dass man eben, um diese zu erreichen, erstmal immer wieder unnötig durch das halbe Haus gleiten muss.

Zusammenfassend

[Mr Creosote] Da ist einfach Jemand allzu stolz auf seine sicher mit viel Schweiß produzierten Animationen. Was das Spiel dann leider auch bereits zusammenfasst. Zweifellos war es eine technische Sensation und selbst heutzutage ist es diesbezüglich noch sehenswert. Die Produktion (inklusive der Schauspieler) hinterlässt einen positiven Eindruck, man nimmt ihr ab, dass es sich um eine ernsthafte, auf Qualität bedachte Produktion war, anstatt des schnell heruntergekurbelten Versuchs, ein paar dumme Käufer, die nicht viel Auswahl in dem neuen Medium haben, hereinzulegen.

Doch das Spiel… wo ist bitte das Spiel geblieben? Die Rätsel sind größtenteils völlig uninteressant und es ist deutlich, dass sie nachträglich reingequetscht wurden. Man suche ein paar Standardaufgaben aus einem Rätselbuch heraus und schon ist man fertig. Es gibt keine Verbindung zum eigentlichen Spielgeschehen, wie wir ja im Detail festgestellt haben. Das ist kein „experimentelles Spielprinzip“, wie man es in einem neuen Medium erwarten könnte, sondern ein Experiment darin, mit wie wenig man bei den Kunden gerade noch durchkommen kann. Das ist beleidigend!

[Wandrell] Ich finde schon, dass das Spiel einen gewissen Charme hat, auch wenn ich es nie bis zu Ende gespielt habe, da es im Verlauf doch immer ermüdend wird. Doch als eines der ersten FMV-Spiele hat es schon einen Platz in meinem Gedächtnis.

Ich muss auch noch sagen, dass ich finde, dass das Spiel sehr seltsam veröffentlicht wurde. Es wurde in Zeitschriften besprochen, groß beworben usw. und so kann ich es nicht verstehen, dass es niemals übersetzt oder zumindest untertitelt wurde. In den frühen 90er Jahren war es in Ländern, in denen Englisch nicht die Muttersprache ist, immer noch als außergewöhnlich angesehen, diese Sprache zu verstehen. Was für ein Versuch, ein Spiel zu vermarkten, das niemand verstehen würde!

Und dieser Widerspruch zieht sich durch das Spiel. Man bekommt eigentlich nur die Hälfte und muss für die andere Hälfte selbst sorgen. Das wurde dann im FMV-Genre, in den rätselbasierten Spielen zumindest, in denen man damit rechnete, dass die starke Optik Designfehler schon ausgleichen würden, zur Tradition. Überraschenderweise funktionierte das Konzept trotzdem bei einigen Spielen, wie beispielsweise Myst, aber im Fall von The 7th Guest kam die Serie niemals über den zweiten Teil hinaus, auf den geplanten dritten Teil warten wir bis heute.

Auf lange Sicht ist damit nicht viel verloren. Die Rätsel machen immer noch Spaß, wenn man sie zum ersten Mal spielt, und das Spiel hat dank seiner Videos eine nette Atmosphäre. Es ist wirklich nicht alles schlecht.

[Mr Creosote] Der Hauptunterschied ist meines Erachtens, dass Myst (so sehr ich das Spiel nicht mag) immerhin Rätsel hatte, die sich in gewisser Weise aus der Spielumgebung ergaben. In The 7th Guest existieren sie dagegen völlig abgeschnitten vom Rest. Trotzdem, und auch trotz der erwähnten Sprachbarriere, funktionierte die Formel – das Spiel wurde millionenfach verkauft! Und das trotz eines Preises, der über dem doppelten eines normalen „Vollpreisspieles“ lag. Ja, das ist nicht nur ein Gerücht! Ich habe mir erlaubt, mal die alte Quittung einzuscannen: 199DM, zu einer Zeit, wo eigentlich sonst jedes neue Spiel für maximal 70 bis 80DM zu haben war!

[Wandrell] Zur richtigen Zeit am richtig Ort. Niemand anderes hatte die Krone der CD-ROM-Welle für sich erobert, also griffen sie einfach zu.

[Mr Creosote] Das war's wohl. Und immerhin war das Spiel eben gut genug. Einige andere frühe CD-Spiele haben wir ja genannt. Schaut man sich diejenigen, die noch älter sind, genauer an, merkt man schnell, dass sie einfach richtig schlecht sind. Psycho Killer? The 7th Guest ist immerhin gut genug, einen Blick zu riskieren, auch wenn der Spielspaß doch stark begrenzt ist.

[Wandrell] Das sehe ich auch so. Wer wissen will, wie es mit CD-ROMs losgegangen ist, sollte sich dieses Spiel mal zu Gemüte führen.

Rezension von okgooddays (02.06.2017)
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7th guest is a legendary game for a bunch of reasons. It was one of the first products featuring such a massive combination of cutting edge technology: cd-rom, a mansion constructed in 3d complete with interior design and period-specific styling, full motion video, audio narration by semi-professional actors, green screen animation on top of 3d renders, fully animated 3d walk sequences - tons of good stuff!

For me personally this game was always a mystery and kind of a turn off. I witnessed cds on store shelves and saw the game in my friend's homes, but was never able to play it properly until recently. The game required a bunch of expensive hardware like cd-rom and a modern sound card and a fasting video card to be able to play videos in real time which I simply didn’t have at the moment. At the time of the release the game cost a lot and hardware required to play it cost even more. Plus the core of the game was just a puzzler with a weird setting and intensely questionable acting which I didn’t get at all. Action sequences looked alienating to me to put it mildly.

The quality of the image and audio was quite revolutionary for the time, but was still really really bad. As a teenager I simply couldn’t afford it, but also didn’t see the point in trying to scrape enough money to be able to play it.

Well, after 20 years later I decided to give it a go. And what a treat I was into! This game is simply awesome! The story is creative and weird in a good way. Acting is hilarious and off the wall b-movie style. Of course now I do appreciate the quirkiness and the “so bad it’s good” factor of b-movie acting unlike myself 20 years ago. The music is majestic and the set of puzzles is not exactly something to write home about, but still a very compelling collection of classic and inventive brain teasers. I played the version where you can skip walking animations, which made my experience with the game quite pleasurable. I would definitely recommend this to anyone who loved MST 3K and can appreciate b-movies for what they are and I think the game is even better now than it was then, because of how contrasting and wonky it is in comparison to modern serious gaming/horror/b-movie sensibilities. This one is truly a gem in gaming history.

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