Air Support
für Amiga (OCS/ECS)

AirSupport.jpg
Mr Creosote:Wandrell:Gesamt:
3/6
Firma: Psygnosis
Jahr: 1992
Genre: Action, Strategie
Thema: Fahren / Fliegen / Krieg
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 31723
Rezension von Mr Creosote, Wandrell (29.12.2012)
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[Mr Creosote] 1992 waren die Genres wie wir sie noch heute kennen bereits recht weit ausdefiniert. Im vergangenen Jahrzehnt waren diesbezügliche Experimente noch positiv aufgenommen worden, aber nun war das umgeschlagen und professionelle Rezensenten, die teilweise sogar explizit als „Spezialisten“ für ein Genre angestellt waren, waren lange nicht mehr so aufgeschlossen, als Air Support herauskam.

Genremix

[Wandrell] Wobei es ein recht einfacher Mix nicht, lange nicht so seltsam wie beispielsweise Firmen wie Coktel oder Silmarils sie produzierten. Strategie und Action, so ähnlich wie in Campaign.

[Mr Creosote] Das stimmt soweit: Psygnosis versuchte sich hiermit daran, das Strategie-Kriegsgenre mit ein bisschen dreidimensionaler Action zu würzen, in der der Spieler sich selbst an den Steuerknüppel eines der eigenen Gefährte schwingen kann.

[Wandrell] Keine schlechte Idee. Ein paar Jahre später, als 3D-Spiele etwas weiter entwickelt waren, sollte das Konzept auch wieder aufgegriffen werden. So bekommt man ein bisschen mehr Kontrolle in einem ansonsten vollkommen computergesteuerten Schlachtverlauf.

[Mr Creosote] Der Vorwand ist in diesem Fall, es handele sich um eine Trainingssimulation für zukünftige Kadetten. Entsprechend beginnt das Spiel auch mit einer Reihe einfacher Trainingsmissionen, in denen dem Spieler Schritt für Schritt die Spielelemente nahegebracht werden.

Strategie!

[Wandrell] Die Steuerung ist einfach gehalten. Man schaut auf eine Karte, man sieht seine eigenen Einheiten und die Gegner halten sich drumherum versteckt. Per definierbaren Wegepunkten schickt man seine Einheiten dann los.

[Mr Creosote] Ein paar Jahre später hätte das den Stempel „Echtzeitstrategie“ erhalten, da die Zeit permanent weiterläuft, ob man nun einfach nur plant oder Befehle gibt. Allerdings nur sehr langsam.

[Wandrell] „RTS“ wurde allerdings zum Synonym für „Dune-2-Klon“. Dieses Spiel sieht deutlich anders aus, aber es ist ebenfalls ein Versuch, den Einstieg in das Strategiegenre zu erleichtern.

[Mr Creosote] Der strategisch/taktische Teil erinnert eher an Modem Wars: Auf einer abstrakten Landkarte zieht man abstrakte Symbole, die militärische Einheiten repräsentieren, umher. Trotzdem geht, wie in jenem Spiel auch, die Steuerung intuitiv von Statten.

[Wandrell] Ein Rechtsklick auf die Landschaft markiert den Platz, ein Linksklick aktiviert die Einheiten. Das war's eigentlich, aber es gibt dann noch eine Reihe Optionen, die immer an der Seite der Karte sichtbar sind und mit denen man die Befehle genauer eingrenzen kann.

[Mr Creosote] Pro Level gibt es ein klar definiertes Ziel, beispielsweise ein bestimmtes Gebäude zu zerstören oder eine feindliches Abteilung zu vernichten. Das schöne ist, dass man diese Aufgaben auch komplett bereits auf der taktischen Spielebene erledigen kann – es ist möglich, das Spiel allein auf dieser Ebene zu spielen.

Action!

[Wandrell] Das spricht klar für das Spiel, denn ich empfand die Actionszenen als verwirrend und schwierig kontrollierbar. Doch das lag bestimmt daran, dass ich ohne Joystick gespielt habe. Trotzdem ist es gut, dass man nicht in Actionsequenzen gezwungen wird, wenn man ein Strategiespiel spielen möchte. Das ist schließlich das Kernproblem von Genremischungen, dass man zu einem Spielprinzip, das einem zusagt, noch einen Teil dazubekommt, für den das nicht so ist.

[Mr Creosote] Jetzt reagierst du genauso wie die engstirningen zeitgenössischen Rezensenten. Aber generell sollte klar sein, dass die beiden Ebenen des Spiels nicht besonders dicht miteinander verwoben sind; die Action ergibt sich aus der Strategie, aber andersherum gilt das nicht. Man könnte durchaus vermuten, dass die Action erst im Nachhinein in das Design eingeflossen ist. Und genau dieser Teil brachte ja auch jene Rezensenten 1992 auf die Palme…

[Wandrell] Wenn die Action nur spät obendraufgepackt wurde, würde mich das nicht überraschen. Gar nicht mal so sehr, weil dieser Teil besonders unorganisch eingefügt wirkt, sondern weil im Umkehrschluss die Strategie für die Zeit doch recht simpel geraten ist.

Damals erwarteten die Kunden „komplexere“ Spiele, sie wollten mehr als nur ein paar Symbole herumbewegen, selbst wenn das dann eher zu Gimmicks führte.

Das sieht man beispielsweise in Panzer General, das ein paar Jahre später immer noch im Herzen ein Brettspiel war, aber mit Kampfanimationen und ein paar Videos, die zwar keinen spielerischen Nutzen hatten, aber den Spielern das Gefühl gaben, mehr involviert zu sein, als nur auf einer Landkarte Befehle zu erteilen.

[Mr Creosote] Na ja, das ist vielleicht nicht das beste Beispiel. Nectaris, oder in der Computerwelt Battle Isle kamen ja beide vor Air Support heraus (und ganz sicher lange vor Panzer General). Und in all diesen Spielen sind die Schlachtszenen ja auch wirklich nicht mehr als ein nicht-interaktives Gimmick. In diesem Spiel kann man sie tatsächlich selbst spielen, während anderswo der Rest der Schlacht weiterläuft.

[Wandrell] Die Idee ist also, dass man seine Truppen erstmal losschickt und wenn es problematisch wird, übernimmt man selbst die direkte Kontrolle und rettet die Situation.

[Mr Creosote] Die Action wird als Drahtmodell dargestellt. Dadurch ist sie sehr flüssig und schnell, aber so richtig aktuell war das 1992 nicht mehr. Das verband man eher mit den Tagen des originalen Elite. Noch etwas, was damals nicht gut ankahm, aber weitere 20 Jahre später spielt es ehrlich gesagt keine Rolle mehr.

[Wandrell] Werden angeblich nicht auch diese alten 3D-Brillen unterstützt? Ich habe gar keine solche Option gefunden.

[Mr Creosote] Doch, die gibt es (sie nennt sich „Stereo“). Der Effekt ist gar nicht mal so übel, zumindest soweit diese farbbasierte Technik eben funktionieren kann. Leider wird gleichzeitig die Wiedergabefrequenz halbiert, d.h. es flackert schrecklich. Das erklärt aber wohl auch die Drahtgittergrafik, denn nur so ist dieser Effekt wohl überhaupt leistbar. Um ehrlich zu sein ist dieser 3D-Effekt wirklich nur ein Gimmick, das wirklich nur ablenkt, anders als die Action selbst.

Mehr Strategie!

[Wandrell] Wir haben jetzt viel über die Action geredet, aber die Strategie dafür bisher erst kurz beschrieben. Auch diesen Spielteil fand ich, genau wie die Action, schwierig spielbar. Das lag größtenteils daran, dass mir nicht klargeworden ist, wie die Details funktionieren. Beispielsweise scheint sich die Karte erst langsam aufzubauen, erst mit der Zeit werden die Dinge, auf die die eigenen Truppen stoßen, überhaupt dargestellt. Doch diese dauernde Neuberechnung machte es für mich schwierig zu erfassen, was überhaupt wo vor sich geht.

[Mr Creosote] Da wird's interessant, denn im Gegensatz zu der Action, deren Steuerung tatsächlich noch verbesserungswürdig wäre, stellt sich die taktische Ebene als komplexer heraus, als man erstmal annimmt. Es passiert permanent eine Menge und schon allein die Möglichkeit der genauen Routenplanung über Wegpunkte gibt der Taktik eine Tiefe, die die meisten Spiele bereits übertrifft.

[Wandrell] Man befehligt Land- und Luftstreitkräfte und beide sind jederzeit auf der Karte sowie in der Seitenleiste sichtbar. Dem Gegner steht aber natürlich auch alles notwendige zur Verfügung, um einen aufzuhalten. Doch erstmal ist für beide das Problem, dass die Gegner noch nicht zu sehen sind, also muss man erstmal die Landschaft und die Ziele auskundschaften.

[Mr Creosote] Das gefällt mir gerade sehr gut, da diese Aufklärung viel realistischer gehandhabt wird als es später im „RTS“-Genre üblicherweise auftauchte: Es gibt nicht nur schwarz oder weiß (d.h. sichtbar oder nicht), sondern verschiedene Grade an Sicherheit, je nach dem, wie nah mal sich befindet.

[Wandrell] Also muss man seine Truppen immer herumbewegen, um wichtige Zonen unter Bewachung zu stellen.

Realismus oder Chaos?

[Wandrell] Das mag nun alles recht vielversprechend klingen, aber das kann ich so nicht unterschreiben. Man denke nur an das Interface, erstmal wirkt alles einfach, aber dann beginnen mit den Details die Probleme. Es sind scheinbar kleine Dinge, wie wenn man beispielsweise seinen Panzer anweist, einen anderen Panzer zu zerstören und schon steckt der dabei fest, ein Wrack weiter zu beschießen, doch sowas nervt einfach.

Oder wenn man seine Einheiten anweist, sich vorwärtszubewegen, und sie bekämpfen plötzlich Gegner, die man gar nicht sieht. Warum kann das Spiel einem nicht erstmal einen Hinweis geben, dass dort etwas sein könnte, und einen dann die Einheiten bewegen lassen?

[Mr Creosote] Um perfekt zu spielen, müsste man tatsächlich sehr, sehr viel Mikromanagement betreiben. Beispielsweise sucht sich eine Einheit nicht notwendigerweise selbst ein neues Ziel. Doch ich sehe es so, dass dadurch die langfristige Planung wichtiger wird; die durchzuführen das Spiel eben mit seiner vielschichtigen, schrittweisen Befehlsstruktur bestens ermöglicht.

[Wandrell] Dadurch wird alles nur völlig verwirrend, es wirkt, als könnte man seine eigenen Einheiten gar nicht kontrollieren. Man könnte sagen, dass Distanz zwischen Spieler und Spiel ein Problem ist, aber darüber hinaus fehlt mir auch einfach das Feedback, wie beispielsweise eine deutlichere Missionsbeschreibung, in der die grobe Stellung des Gegners schonmal gezeigt wird.

[Mr Creosote] OK, die Missionsziele könnten etwas klarer formuliert werden. Das, was du auf dem Schlachtfeld als verwirrend bezeichnest, würde ich jedoch einfach sehr realistisch nennen. Wenn man in einer echten „Kommandozentrale“ säße, könnte man auch nicht alles detailliert steuern, obwohl es vielleicht eigentlich besser wäre. Es würde Verluste allein dadurch geben, dass man eben nicht alles gleichzeitig im Blick haben kann oder Sensorinformationen einfach verspätet bei einem eintreffen.

Die Strategien, die man anzuwenden hat, ergeben ebenfalls Sinn. Bevor man seine Panzer losschickt, sollte man erstmal die Luftüberlegenheit sichern (deshalb der Name des Spiels) usw.

[Wandrell] Trotzdem scheint mir in dem Spiel einfach etwas zu fehlen. Man wird einfach ins kalte Wasser geworfen und soll anscheinend schon wissen, was zu tun ist. Letztendlich machte das das Spiel für mich langweilig.

[Mr Creosote] Mich hat vielmehr der scharfe militaristische Tonfall gestört. Normalerweise haben Kriegsspiele ja zumindest den Anstand so zu tun, als ginge es darum einen „Krieg zu beenden“ oder sich zu „verteidigen“, man sei also „gezwungen zu kämpfen“. Air Support ist schon fast ein Vorgänger im Geiste von offenen Propagandawerken wie America's Army, nur eben ohne offiziellen Stempel einer echten Armee. Doch zugegeben, einige Flugsimulationen von Microprose aus der gleichen Zeit können diesbezüglich durchaus mithalten.

[Wandrell] Ich habe die Hintergrundgeschichte kaum beachtet. America's Army war, soweit ich mich von den kurzen Spielversuchen erinnern kann, ein vernünftiges Ballerspiel mit ein paar öden Trainingsabschnitten. Aber es ist ja nicht ungewöhnlich, dass solch militaristische Spiele sich auch einem entsprechenden Tonfall bedienen, üblicherweise soll als Rechtfertigung herhalten, dass sie unter einer Diktatur stattfinden. Aber wie gesagt, darauf habe ich nicht gesteigert geachtet.

[Mr Creosote] Eigentlich war es eher die Überraschung, sowas in einem britischen Spiel zu erleben anstatt einem amerikanischen. Immerhin ist es nicht so schlimm, dass man es nicht zugunsten des Spielprinzips ausblenden könnte.

Fazit

[Wandrell] Das Spiel hat schon ein paar gute Ideen, aber in der Summe ist es ungelenk. Deshalb ist es wohl auch so sehr in Vergessenheit geraten, aber immerhin wird es dadurch zur Seltenheit.

[Mr Creosote] Mir gefällt die taktische Spielebene sehr gut. Sie ist sehr gut spielbar, ohne flach zu sein. Man wird in spielerische Tiefen gezogen, die man erstmal gar nicht als solche erkennt und ohne dass immer noch mehr Optionen hineingestopft werden müssen.

Die Actionszenen sind eine nette Beigabe. Sie sind nicht ganz so gut spielbar, funktionieren aber gut genug und sie erlauben es dem Spieler, entweder entscheidende Begegnungen selbst auszufechten oder auch einfach nur mal ein bisschen Dampf abzulassen. Das ist insofern gut, dass allzuviele Strategiespiele nur aus einer intensiven anfänglichen Planungsphase bestehen, und der Spieler danach nur noch zugucken darf, wie sich alles langsamst entwickelt. Air Support gibt einem in dieser Phase immerhin etwas zu tun.

Zugegeben, die Integration der beiden Ebenen hätte enger sein können. Midwinter macht das beispielsweise viel besser. Air Support ist viel abstrakter, wie ein Brettspiel, aber mit spielerischen Aspekten, die in einem Brettspiel nicht umsetzbar gewesen wären.

[Wandrell] So hat also jeder seine Meinung. Wie üblich gibt es nur eine Möglichkeit, sich seine eigene zu bilden: Das spiel selbst auszuprobieren, denn wie jeder Innovationsversuch ist das Spiel zumindest einen Blick wert.

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