Die 22. jährliche Interactive Fiction Competition

von Mr Creosote (05.10.2016)

Die 22. IF Comp (Warning: äußerst bandbreitenintensive Webseite)… Meine persönlichen Standards, was ein gutes Spiel ausmacht sind meines Erachtens in früheren Jahren ausreichend dargelegt. Doch die Zeiten ändern sich und deshalb ein paar kurze Vorbemerkungen, die neuerdings relevant erscheinen:


Wichtig sind mir dagegen eure Spiele. Im Bezug darauf:

Diskussion

Im Forum!

Die Spiele

Toiletworld

Oh, Mann, der Zufallsgenerator liebt mich! Solche Scherzspiele, die absichtlich auf „schlecht“ gemacht sind, gab es vor 15 Jahren haufenweise. Das Konzept ist seitdem nicht witziger geworden, also einfach nichts vernünftig zu implementieren, alles mit TODOs vollzupflastern, chaotische Rechtschreibung und Zeichensetzung anzuwenden usw. Nicht empfohlen.

Take

Zu bemühter Surrealismus. Nicht empfohlen.

Pogoman GO!

Ich habe Pokemon GO nicht gespielt, aber Bekannte haben mir einigermaßen ausführlich davon berichtet. Soweit ich es also beurteilen kann, hält sich diese selbsternannte Satire sehr eng an das Vorbild und bietet darüber hinaus noch eine Menge simulierter technischer Fehlschläge zwecks humoristischer Aufbereitung. Nett und gut geschrieben, aber vielleicht etwas zu nah am Original. Im Kern ist dies ebenfalls nur ein Spiel, das daraus besteht, zufällig auftauchende Kreaturen nach immer der gleichen zufallsgesteuerten Methode zu „fangen“ und zwischendurch an bestimmten Plätzen ordentlich zu „grinden“. Egal wie witzig die Namen und die Beschreibungen sind, das wird schnell langweilig. Wenn ich Pokemon GO spielen wollte, würde ich Pokemon GO spielen.

Von den Autoren kann man vielleicht erwarten, dass man das im Spiel simulierte Telefon irgendwie „hacken“ und so noch zahlreiche Metaeffekte auslösen kann. Doch auf dieser Basis habe ich die Geduld das im Detail zu verfolgen nicht aufgebracht (wer es hinbekommt melde sich bitte!). Trotzdem auch so empfohlen für einen kurzen Lacher.

Inside the Facility

Im typischen Stil dieses Autoren verwendet dieses Spiel einein extrem reduzierten Befehlssatz. Vor zwei Jahren, in seinem ersten Spiel, war das einigermaßen interessant durch den spielerischen Kontext. Letztes Jahr wurde es allerdings zum reinen Selbstzweck.

Dieses Jahr kann man nicht einmal mehr Dinge benutzen. Man läuft nur herum, wartet und schaut sich um. Wie soll das noch funktionieren? Man steckt Objekte automatisch ein und verwendet sie ebenso wo benötigt. Es handelt sich also um ein reines Erkundungsspiel, was auch die Dokumentation genau so verkauft und unterstützt. Die Kulisse dafür ist ganz interessant, da in dem Gebäude einiges los ist. Die spielerische Herausforderung ist besser als erwartet. Abgesehen vom erschöpfenden Absuchen aller Zweige bekommt man ein paar ganz clevere Timingrätsel. Dies ist deutlich das bisher beste Spiel dieses Autoren. Empfohlen.

P.S. Was man jedoch wirklich bedenken sollte, wenn man Befehle aus der Engine herausreißt, ist, dass man praktische Metabefehle wie SCRIPT nicht ebenfalls deaktiviert.

Ventilator

Ein Spiel in (beinahe) nur einem einzigen Hotelzimmer, in dem der Protagonist in einen mörderischen Kampf mit einem Ventilator verwickelt wird. Das wichtigste bei Spielen solch humorvollen Stils in abgeschlossenen Räumlichkeiten ist, dass man so viele offensichtliche und nicht offensichtliche Spieleraktionen wie nur denkbar ermöglichen muss. D.h. Experimentieren ist Pflicht.

Ventilator gelingt das gut. Die meisten Aktionen führen zu individuellen und oft auch witzigen Effekten. Dazu kommen eine Reihe Insider-Gags, die sich ebenfalls gut ins Gesamtbild einfügen. Man wird hiermit ganz sicher nicht Stunden verbringen – empfohlen!

Slicker City

Spielerisch ist dies eines der konventionellsten Spiele, die ich von Andrew Schultz gesehen habe. Das Bewegungsschema ist bekannt, es gibt nachvollziehbare Orte, Objekte und Charaktere sowie Rätsel zu lösen. Doch es wäre kein Andrew-Schultz-Spiel, wenn es mich nicht trotzdem zum Wahnsinn triebe. In diesem Fall ist es die alles erdrückende Symbolik, mit der er alles auflädt.

Wie immer ist alles detailliert ausgearbeitet, jedes Wort exakt gewählt und über die Implementierung besteht kein Zweifel. Die sozialen Themen sind stark, aber für mich leider zu intensiv zugespitzt.

Theatre People

Frustration kann Quelle großartiger Komik sein. Theatre People versetzt einen in die Rolle eines anonymen Hilfsarbeiters in einer Theaterproduktion. Die Show soll gleich losgehen, aber der Star hat sich mit Nervenzusammenbruch in der Garderobe eingeschlossen und der Mechanismus zum Heben des Vorhangs ist kaputt. Also ran an die Arbeit!

Das sehr unterhaltsame The People's Glorious Text Adventure von 2010 wird vom Autoren als Vorbild genannt und auch hier geht eigentlich nicht viel schief. Die Aufgaben sind klar und auch relativ eingängig durchführbar. Nur handelt es sich allerdings nicht um ein besonders detailliert ausgearbeitetes Spiel.

Die Implementierung fokussiert sich auf den Lösungspfad, wodurch riesiges Comedypotential unangetastet bleibt. Die Charaktere, die viel Raum für Karikaturen andeuten, bleiben oberflächlich. Die Räume sind nur spärlich beschrieben. Hauptbestandteil der Rätsel sind zwei sehr gut versteckte Objekte, die man schließlich an Stellen aufspürt, an denen es eigentlich wenig Anlass zum genauesten Suchen gab.

Das größte verschenkte Potential liegt jedoch im Ende, das den Protagonisten dann doch zu einem kleinen Helden macht. Die klassische komödiantische Wendung wäre gewesen, ihn erst lange (viel länger!) herumrödeln zu lassen, um ihn dann aber schließlich doch ohne Anerkennung und damit noch frustrierter zurückzulassen.

Trotz Allem ist dies jedoch ein sympatisches Erstlingswerk. Ich freue mich auf jeden Fall auf eine Fortsetzung, die sicher empfehlenswert werden wird.

Fair

Hat eine eigene Rezension.

Hill Ridge Lost & Found

Ich bin nicht weit gekommen. Der erste Schritt war schonmal, den Interpreter neu zu starten; diesmal ohne Farbunterstützung – aaaah, jetzt ist der Text tatsächlich lesbar! Dann wurde ich allerdings von mehr als drei Bildschirmen voller Text willkommen geheißen. Doch selbst all diese Buchstaben fügten sich nicht zu nutzbaren Informationen bezüglich Zielen oder Plot zusammen. Vielmehr handelte es sich unspezifisches Herumgerede unklarer Relevanz.

Einzig verwertbar erstmal, dass der Protagonist einen alten Bekannten, den er seit über 10 Jahren nicht gesehen hat, besuchen möchte. Also schaut er einfach mal unangekündigt bei dessen Farm vorbei, wo jedoch weit und breit keine Menschenseele zu finden ist.

Ich stolperte also ziellos ein wenig herum. Der Wortreichtum des Spiels blieb eine entscheidende Hürde, da es sich als echte Arbeit erwies, in den länglichen Beschreibungen die relevanten Teile zu identifizieren. Es passiert einfach überhaupt nichts, außer dass ich ein paar Szenerieobjekte in meine Hosentasche stecke, die wohl nicht zum Mitnehmen gedacht waren. Ich entschließe mich, diesen Besuch zu beenden, heimzufahren, das Spiel beiseitezulegen und diesen Freund einfach aus meinem Kopf zu streichen.

You are standing in a cave

Dies ist ein viel zu schwach implementierter „Cave Crawl“, der nicht einmal den Anstand besitzt, die Richtungen der zahlreichen Tunnels anzugeben. Bugs, auf die man ohne groß zu Suchen stößt, kommunizieren, dass dieses Spiel nicht ausreichend getestet wurde.

Game of Worlds Tournament

Hat eine eigene Rezension.

Color the Truth

Hat eine eigene Rezension.

How to Win at Rock Paper Scissors

Eine dick aufgetragene Racheeskapade über einen Protagonisten, der verzweifelt einen Stein-Schere-Papier-Wettbewerb an seiner Schule zu gewinnen versucht. Dabei geht er so weit, wirklich alle um ihn herum den Göttern dieses Spiels zu opfern, um die so erlangte Macht dann zum Sieg über den Champion einzusetzen.

Spielerisch dreht sich alles darum, das Schulgebäude zu erkunden und dabei auf andere Personen zu treffen, die nur einen Zweck erfüllen: Man muss sie (unwissentlich) in eine Stein-Schere-Papier-Pose bringen und dann schnell das dagegen gewinnende Symbol selbst „ausspielen“. Wodurch sie in einem Sturm ins Jenseits gesogen werden und man selbst an Macht gewinnt. Zu den unglückseligen Opfern gehören auch die besten Freunde des Protagonisten.

Natürlich endet schließlich alles in der einfachen Moral, Freundschaft sei wichtiger als zu gewinnen oder Macht zu erlangen. Doch das spielt eigentlich gar keine Rolle mehr, da der Weg dorthin zählt. Der Erzählton macht es unzweifelhaft klar, dass man hier nichts auch nur ansatzweise ernst nehmen sollte.

Die Aufgaben bleiben durchgehend eindimensional und recht simpel. Die Implementierung ist gut, aber nicht hervorragend (einige recht naheliegende Aktionen werden nicht richtig erkannt und verarbeitet und überhaupt ist die Welt recht dünn ausgestattet). Ein unterhaltsames Spiel, aber wohl keines, dem man sich langfristig erinnern wird.

Zigamus: Zombies at Vigamus!

Spiele werden manchmal primär zum Genuss in einem ganz bestimmten Kontext geschrieben. Dieses spezielle wird wohl, wenn ich es richtig verstehe, als Genrebeispiel in einem italienischen Museum ausgestellt, das gleichzeitig Schauplatz des Spiels selbst ist.

Der Plot dreht sich um eine interdimensionale Zombieinvasion, die sich dort abspielt. Der Spieler muss mittels Objekte der Ausstellung Wege finden, die einzelnen Zombies loszuwerden und schließlich den Oberbösewicht in die Schranken weisen. Anspielungen auf ein paar andere Spiele zeigen sich hier und da.

Das Spiel ist recht linear und seine Implementierung ist dünn. Besonders, wenn man bedenkt, dass es sich hier immerhin um ein Museum handeln soll, ist die Welt kaum ausgestaltet. Man könnte fast sagen, es macht keine besonders gute Werbung für potentiell interessierte Besucher, da die wenigen Ausstellungsstücke, die überhaupt erwähnt werden, allesamt eher langweilig wirken.

Trotzdem ist das Spiel ein einigermaßen spaßiger Zeitvertreib, der sich auf akzeptablem Qualitätslevel befindet. Es erfüllt wohl seinen Zweck.

Mirror and Queen

Sehr nerviges „Experiment“, in dem sich eine Märchenkönigin mit ihrem Spiegel unterhält. Abgedroschenes Symbol: Spiegel = Reflektion. Gähn!

Ariadne in Aeaea

Verglichen mit Pilgrimage aus dem letzten Jahr ist dies im Bezug auf die Plotdichte schonmal ein Fortschritt. Trotzdem gibt es immer noch fundamentale Probleme: Ausgänge werden einfach nicht erwähnt, es gibt viel zu viele leere Räume und generell gibt sich das Spiel sehr wortreich. Ein akzeptables Spiel, aber nicht weiter erwähnenswert.

Sigil Reader (Field)

Der desorientierte Protagonist mit Teil-Amnesie – eines der Clichés des Textadventuregenres. Das starke Gefühl der Hoffnungslosigkeit schwebt in den Texten mit und nimmt somit wirkungsvoll die Tragödie, hier wohl bereits passiert ist, der man sich aber noch erinnern muss, voraus. Doch es bleibt alles recht oberflächlich.

Die Implementierung ist nur mittelmäßig: Erwähnte Objekte existieren nicht, Aliase fehlen, Singular und Plural kommen durcheinander, seltsame Implementierungsentscheidungen halten mich davon ab, Dinge mitzunehmen und führen zu ungewünschten Nebeneffekten usw. Das Spiel bräuchte mehr Arbeit, um seine Wirkung wirklich zu entfalten.

Steam and Sacrilege

Es geht gleich mit einem Einführungstext los, der viel zu lang ist. Meine typischen anfänglichen Versuche, ein bisschen Chaos zu verbreiten, beantwortet das Spiel ausschließlich mit Standardantworten. Was daran liegt, dass hier ausschließlich der enge Pfad der vorgesehenen Lösung überhaupt implementiert wurde. Kein einziges Kommando links oder rechts ist vorgesehen. Was natürlich kein Problem ist, es sei denn, man nimmt an, die Zielgruppe wolle tatsächlich selber spielen.

Oft ist völlig unklar, was das Spiel überhaupt als nächstes erwartet. Es ist dabei extrem wählerisch bezüglich der Formulierung der Aktionen. Zur Illustration, gleich vom Anfang:

Zitat:
„How many guests are in your party?“ the clerk asks, one hand flexing and gesturing to the windows. Four small windows inset into the desk are lit from below to show numbers one through four painted on the miniature panes.

>two
That's not a verb I recognize.

>say two
(to Theresa)
There is no reply.

>say two to clerk
You can't see any such thing.

>press two
It is fixed in place.

>push two
It is fixed in place.

>x windows
A series of small rectangular panes are set into the desk. Each one is lit from below, the l
ight outlining a number etched onto the glass. The windows are labeled 1 through 4.

>touch two
You feel nothing unexpected.

>x 2
You can't see any such thing.

>x two
You see nothing special about Window Two.

Als Lösung erweist sich schließlich, dass man einen Briefbeschwerer, der unvermittelt in der Raumbeschreibung aufgetaucht ist, auf das „Fenster“ zu legen hat.

Ähnlich, jedoch noch schwerwiegender, läuft es beim nächsten Schritt, als man unterschreiben soll (wieder findet man plötzlich ein vorher nicht vorhandenes, unerwähntes Objekt – einen Stift):

Zitat:
>sign
I didn't understand that sentence.

>x window
(the signature window)
You see nothing special about the signature window.

>write on window
I didn't understand that sentence.

>sign window
I didn't understand that sentence.

>sign with pencil
I didn't understand that sentence.

>write with pencil
I didn't understand that sentence.

>write with pencil on window
I didn't understand that sentence.

>x pencil
You see nothing special about the wax pencil.

Die Lösung: WRITE MARSHALL WORTHINGTON, denn das ist der Name des Protagonisten. Was ja in Ordnung ginge, wenn das Spiel einem irgendwie ansatzweise das Gefühl gegeben hätte, WRITE könnte überhaupt ein erkannter Befehl sein. Es gab sich jedoch jede Mühe, einem genau das Gegenteil zu vermitteln.

Dazu kommen offensichtliche Zustandsbugs, von denen einer mein Spiel in der zweiten Szene (als „Scene 1“ bezeichnet) beendete, als ich nicht mehr aus einer Hollywoodschaukel aufstehen konnte, da das Spiel darauf bestand, ich sei nun urplötzlich Geisel eines Hausmeisters. Obwohl ich mich bislang nur auf dem Weg zur Arbeit befand und ein Hausmeister überhaupt noch nie aufgetaucht war.

So leid es mir tut, dieses Spiel braucht noch viel Entwicklungsarbeit, bevor es ernsthaft spielbar sein wird. Interaktive Geschichten zu schreiben ist sehr anders als „statische“ Erzählungen zu verfassen.

Darkiss! Wrath of the Vampire - Chapter 2: Journey to Hell

Hat eine eigene Rezension.

Abschließende Worte

Vielen Dank an alle Teilnehmer! Es war wieder eine Reihe sehr unterhaltsamer und interessanter Spiele dabei. Gut funktioniert hat, diesmal von vornherein die Spiele auszusuchen, die ich spielen wollte, anstatt blind irgendetwas aus der unmöglich langen Liste herauszupicken. Dieses Vorgehen kann ich nur empfehlen.

Persönliche Rangliste

1. Color the Truth
2. Fair
3. Inside the Facility
4. Darkiss! Wrath of the Vampire - Chapter 2: Journey to Hell
5. How to Win at Rock Paper Scissors
6. Ventilator
7. Pogomon GO
8. The Game of Worlds Tournament
9. Zigamus: Zombies at Vigamus
10. Theatre People
11. Sigil Reader (Field)
12. Ariadne in Aeaea
13. Hill Ridge Lost and Found
14. Steam and Sacrilege
15. You are standing in a cave
16. Mirror and Queen
17. Take
18. Toiletworld

Nicht bewertet: Slicker City

Wie bereits in den vorigen Jahren erklärt stimme ich beim Wettbewerb nach relativistischen Maßstäben ab. Das beste Spiel bekommt eine 10, das schlechteste eine 1. Dazwischen interpoliere ich den Rest und versuche, die relativen Qualitätsabstände abzubilden.

Das ist natürlich nicht das gleiche wie die Wertungen hier auf der Webseite, wodurch die sichtbaren Wertungen leider kein guter Indikator dafür sind, was ich im Wettbewerb verteilt habe. Und zweitens bedeutet es auch, dass eine „8“ dieses Jahr nicht mit einer „8“ der letzten Jahre vergleichbar sein muss.

Auf was ich wirklich verzichten könnte™


Oder mal zusammengefasst: Weniger ist mehr!

P.S. Falls ihr denkt, ich beschwere mich unnötig, dann hier ein paar konstruktive Hinweise.

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