Bericht von Mr Creosote (11.01.2017) – C64
Nur noch ein kleines Paket abliefern und dann ab nach Hause. Zum Glück nimmt der Rezeptionist es. Puh, ab in den Aufzug nach unten… argh, was war das? Eine Explosion? Alles wird schwarz. Ein bisschen später wacht man wieder auf, inmitten Zeichen von Zerstörung. Niemand reagiert auf Rufe. Was ist hier geschehen und wir zum Teufel kommt man wieder raus aus der Bredouille.
Durch leere Büros und Labors zu streifen, hat bereits öfters in Adventuregenre gut funktioniert. Der schundige Stil ist andererseits definitiv Geschmacksfrage. Bei der ersten Gelegenheit entledigt sich die oberweitenlastige Protagonistin erstmal des Großteils ihrer Kleidung. Beim Laufen zeigt die Animation einiges Wippen. Und der Plot um ein tödliches Supervirus ist definitiv ziemlich trashig. Was alles Einige ansprechen, aber nicht allen genehm sein sollte.
Seltsam und vielleicht sogar ein bisschen schade in diesem Sinne ist nur, dass da doch ein paar Chancen verpasst wurden, ganz und gar in diese Richtung zu gehen. Beispielsweise wird der Rezeptionist von der Protagonistin als „niedlich“ bezeichnet, aber die Verben „Use“ oder „Turn on“ können nicht auf ihn angewendet werden.
Womit gemeint ist, dass die Implementierung sich leider sehr auf den vorgesehenen Lösungsweg fokussiert. Beinahe alle anderen Versuche werden mit einem schlichten „Das klappt so nicht“ abgeschmettert. Weitgehend ist dies akzeptabel, aber definitiv hätte man hier Raum für Verbesserungen gehabt.
Die Rätsel sind recht logisch, aber auch nicht allzu einfallsreich. Viele drehen sich nur darum, neue Türen zu öffnen (farbige Schlüssel usw.). Der Spielerfortschritt wird dadurch verlangsamt, dass die Spielwelt lange nicht so kompakt wie erwartet ist. Gemessen an den Standards eines Freeware-C64-Spiels, ist die Anzahl der Orte wirklich weiträumig. Wodurch man also eine Menge ausprobieren kann, wenn die Lösung nicht direkt auf der Hand liegt.
Ein paar Rätsel leiden etwas unter typischer Adventurelogik. Beispielsweise sucht man verzweifelt nach einem Schlauch – obwohl überall Feuerlöscher klar sichtbar an den Wänden hängen, nur dass man nicht mit ihnen interagieren kann. Das finale Rätsel, in dem man Urin auftreiben muss, ist ebenfalls etwas seltsam geraten. Man sollte meinen, dass man als menschliches Wesen durchaus in der Lage sein sollte, trivial Urin zu produzieren. Doch der offensichtliche Weg ist im Spiel einfach nicht möglich. Und die letztliche Lösung? Sie ist im eigentlich üblichen USE-B-WITH-A-Stil, aber USE-A-WITH-B funktioniert nicht – und gibt auch keinen Hinweis darauf, dass man sich auf dem richtigen Weg befinden könnte.
Abgesehen von solchen Details läuft das Spiel ziemlich gut, auch dank des guten Interfaces. Der Spieler kontrolliert die Protagonistin direkt mit dem Joystick. Der Button aktiviert das Verb/Inventar-Menü. Um mit etwas im Raum zu interagieren, muss man in der direkten Nähe stehen. So muss man also, um den Raum zu durchsuchen, ihn auch komplett ablaufen, anstatt ihn nur mit einem Cursor abzufahren.
Die Grafik verhindert, dass das zum Problem wird. Objekte sind immer klar erkennbar. Viele Räume sind gut gezeichnet und auch wenn ein paar vielleicht etwas leer sind, so ist das Spiel doch insgesamt schön anzusehen. Der einzige wirkliche (aber trotzdem kleine) Kritikpunkt in diesem Kontext ist, dass das räumliche Gedächtnis ein wenig verwirrt wird. Wenn man einen Raum nach rechts verlässt, sollte man meinen, dass man im nächsten links auftaucht. Dieses Spiel hat die Unart, die Richtungen durcheinanderzuwürfeln; im Extremfall sogar bis zu 180° – wenn man also den Joystick zu lange in eine Richtung drückt, wird man eventuell direkt wieder zurücklaufen.
Jetzt habe ich also eine Menge Kleinigkeiten aufgezählt. Doch das sollte einen nicht davon ablenken, das Große und Ganze zu sehen. Awakening ist ein unterhaltsames Spiel mit einigen wirklich schönen Ideen (z.B. die Roboterabschnitte). Sein Umfang übertrifft die Erwartungen locker und abgesehen von ein oder zwei Stellen erfährt man kaum kleinere Frustration. Es ist ein schmackhafter Snack für ein oder zwei Nachmittage.
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Adventurelogik:
Der Spieler wird gezwungen, triviale Aktivitäten auf undenkbar komplizierte Weise durchzuführen. Dies findet sich seit frühester Zeit in diesem Genre wieder, beispielsweise in Time Zone. Dort reist man, um einen Stock zu bekommen, in die Urzeit zurück und schlägt sich dort mit Dinosauriern herum, anstatt einfach einen Zweig von einem Baum in der Gegenwart abzubrechen. ↩︎