Bericht von Mr Creosote (01.04.2003) – Amiga (OCS)
Battle Isle – das Spiel, das zwei Gruppen ins Rampenlicht gerückt hat: Kriegsspiele und deutsche Spiele. Beide hatten schon vorher ihre treue Fangemeinde, aber beide waren auch sehr klein. Taktische Kriegsspiele wurden zu einem sehr beliebten Genre nach diesem Spiel. Deutsche Spiele blieben ein Nischenprodukt trotz seines Erfolgs.
Das Spiel hebt sich schon sofort nach Öffnen der Verpackung positiv von der Masse ab. Es fallen einem nicht nur ein paar kryptische Seiten, die auf kryptische Weise die kryptische Bedienung erklären, entgegen, sondern eine ausführliche Anleitung, die einem auf verständliche und ausführliche Weise die Spielmechanik erklärt; ein „Waffenbuch“, in dem alle Einheiten genau präsentiert werden und sogar noch ein weiteres Heftchen, das die Hintergrundgeschichte erzählt (die sich um böse Maschinen, die die Weltherrschaft wollen, dreht – nicht allzu originell, aber immerhin mehr als fast alle ähnlichen Spiele zu bieten haben).
Als nächstes fällt die Grafik ins Auge. Ein Panzer ist weder ein schwarzes Viereck mit einem Kreuz darin, noch irgendein ASCII-Zeichen. Er ist tatsächlich als solcher erkennbar – und sieht aus wie ein kleines Spielzeug. Die Landschaften sind auch nicht so wie üblich. Sie sind farbig, Straßen sind mit einem kurzen Blick von Wiesen unterscheidbar. Wer jetzt nicht versteht, warum all das erwähnenswert ist, sollte besser mal ein Spiel gleichen Genres von SSI aus den 80ern spielen.
Die Bedienung ist vielleicht der „diskutabelste“ Aspekt von Battle Isle. Ein Joystick in einem Strategiespiel? Na ja, solange es funktioniert. Wiederum: besser als die kryptischen Tastaturbefehle, die vorher so üblich waren. Es gibt nichts, was man sich groß merken müsste, einfach den „Cursor“ über eine Einheit, Feuer drücken, und Befehl auswählen. Sehr intuitiv, da jeweils nur die in der jeweiligen Situation sinnvollen Befehle überhaupt angezeigt werden.
Witzigerweise haben „damals“ viele Leute, die das Spiel nur kopiert hatten, nicht nur die Anleitungen nicht, sondern sie haben auch niemals den Einzelspielermodus gefunden (!). Battle Isle ist eines der ersten Spiele, das den Zweispielermodus designtechnisch klar bevorzugt. Man spielt immer auf einem vertikal geteilten Bildschirm, erster Spieler links, zweiter Spieler rechts (egal, ob dieser durch ein biologisches oder elektronisches Gehirn gesteuert wird). Beide Seiten geben ihre Befehle gleichzeitig und die Auswirkungen werden dann anschließend gleichzeitig berechnet. Um Frustration über im Nachhinein unmögliche Befehle (beispielweise dass zwei Einheiten sich auf das selbe Feld bewegen) zu vermeiden, ist ein Spieler immer in der Bewegungsphase, während der andere die Angriffsphase plant. Vorausplanen wird somit wichtiger, weil die verfügbaren Befehle von Runde zu Runde hin- und herwechseln.
Um auf den übersehenen Einzelspielermodus zurückzukommen: Anstatt Spielstände direkt abzuspeichern, gibt es für jeden Level ein Passwort. Das voreingestellte Passwort bei Spielstart ist für die erste Karte des Zweispielermodus. Um nun gegen den Computer zu spielen, muss man das richtige Passwort kennen und eingeben – das in der Anleitung steht. Ohne die Anleitung… Pech (da zeigt sich mal wieder, dass es Vorteile bringt, Tests zu lesen: Das Passwort ist „Conra“ ;).
Vom technischen Blickwinkel war Battle Isle seiner Zeit weit voraus. Es lässt sich ohne Probleme auf eine Festplatte installieren (und die Erweiterungsdiskette kann ohne Weiteres zu dieser Installation hinzugefügt werden: Man muss kurz das Hauptprogramm starten, sofort wieder beenden, und dann die Installation starten) und es unterstützt sogar den 68020-Prozessor direkt (der damals äußerst ungewöhnlich war). Es läuft nicht mit dem neueren AGA-Chipsatz, aber wenn man im OCS- oder ECS-Modus bootet, wird alles richtig dargestellt.
In den darauffolgenden Jahren erschienen zwei Erweiterungen. Jede brachte jeweils neue Karten und Landschaften. Die zweite (veröffentlicht '93) ist sogar ein eigenständiges Spiel, das ohne das Hauptprogramm gespielt werden kann, es gibt neue Einheiten und ein paar Detailverbesserungen im Spiel – trotzdem wurde es zum normalen Erweiterungspreis verkauft. Fair!
Hexfeldstrategiespiele wurden durch Battle Isle gründlich umgekrempelt. Andere Firmen nahmen sich der hier präsentierten Ideen an, weil sie einfach gut waren. Sie machten das Genre zugänglicher und stellten somit das Überleben solcher Spiele für mehrere Jahre sicher.
Andere deutsche Firmen konnten andererseits keinen Vorteil aus der internationalen Aufmerksamkeit, die Battle Isle zukam, ziehen. Sie produzierten weiterhin ihre staubtrockenen Wirtschaftssimulationen, für die sich niemand interessierte. Fast keine dieser Firmen überlebte. Aber Blue Byte traf sowieso auch das selbe Schicksal…