Die Schweinderl unter Euch dürfen sich zudem auf ein paar erotische Einlagen freuen, die jedoch passend zum Rest der originellen und spannenden Story alles andere als bierernst zu nehmen sind.
Wenn Sie ein humorvolles Cartoon-Adventure suchen, dann kaufen Sie Discworld 2. Wenn es Zynismus pur sein soll, ist Toonstruck zu empfehlen. Aber lassen Sie Bazooka Sue im Regal stehen.
In jedem Lexikon sollte die Redewendung Leiche im Keller mit einem großen Bild von Bazooka Sue illustriert werden. Das Spiel wurde bereits Anfang der 1990er Jahre angekündigt und das „beinahe fertige“ Produkt verschwand dann in der Konkursmasse Starbytes. Die Entwickler schlossen sich mehrheitlich Blue Byte an, wo sie ein ähnliches Spiel (Chewy: ESC von F5) herstellten. Zwei Jahre später traute sich Jemand beim wiederbelebten Starbyte in den Keller. Nur vergaß dieser Jemand, das dort Gefundene abzustauben.
Bazooka Sue, halb Schwein, halb Mensch, und früheres „sexy“ Supermodell, ist auf der Flucht vor den Justizvollzugsbehörden. Im abgelegenen Nest namens Swamp Rock läuft ihr Tank leer. Was sie noch nicht ahnt ist, dass sie hier ein noch viel größeres Abenteuer erwartet. Ein Abenteuer voller lüsterner Einwohner (soweit, so normal) und einem verrückten Wissenschaftler (nicht ganz normal).
Wer denkt, mit Übertreibung vertraut zu sein, sollte sich dringend dieses Spiel anschauen. Es sollte sich schnell die Erkenntnis einstellen, dass man übers Ziel hinausschießen kann. Bereits auf die Box gedruckt sticht einem diese extrem deformierte Frauengestalt mit Schweinenase, -füßen und -schwanz entgegen, die darüber hinaus riesige Brüste hat, eine Kettensäge in der Hand, und auf einen Totenkopf (mit Augen!) tritt. Die darüber hinaus ein rosanes Cabrio durch die unglaublich alberne Introsequenz fährt, und nichts anderes dabei hat, als ein paar Zeitschriften mit pornografischem Bildmaterial von ihr selbst (keine Angst, die sieht man im Spiel nicht).
Selbst wenn sich das jetzt noch für den einen oder anderen lustig anhören mag: Sue und ihr Verhalten sind leider einfach nur albern, ihr geht völlig jegliche Ironie bezüglich dem offensichtlichen Sexismus und Rassismus (grinsende chinesische Touristen mit Schlitzaugen fotografieren) der Geschichte ab und gibt so einfach nur ein lächerliches Bild ab. Wer trotzdem noch in Betracht zieht, das Abziehbild der ältesten Blondinenwitze der Welt, deren Dialoge unglaublich hirnlos sind, zu spielen, der möge weiterlesen.
Das Spiel bemüht sich Cartoonlogik heranzuziehen. Nur dass dies an völlig unpassenden Stellen und jenseits jeglicher immanenter Logik geschieht. Was ist beispielsweise wohl die Methode, an tote Fliegen zu kommen (bitte keine Rückfragen, wofür man die überhaupt braucht)? Na klar, man haut natürlich den Wirt der Kneipe ins Gesicht, denn der hat ja schon länger nicht geduscht und deshalb schwirren allerlei Insekten um ihn herum. Nebeneffekte? Fehlanzeige. Man schnappt sich die Fliegen, aber der Typ ist nicht nachtragend, bewirtet einen weiterhin freundlich – und geht noch nicht einmal auf die Aggression ein. Andererseits steht im Krämerladen eines gewissen Tex Avery sehr prominent eine Harke an die Wand gelehnt. Aber tritt jemals jemand darauf? Natürlich nicht!
Apropos Tex Avery, die Protagonistin tut alles, dem Spieler jede noch so kleine Anspielung zu erklären. Ohne jetzt in die Diskussion abgleiten zu wollen, ob die bloße Erwähnung etwas Bekanntem überhaupt eine brauchbare humoristische Strategie darstellt (Family Guy fährt damit immerhin bereits sehr lange gut, es scheint also eine Zielgruppe zu geben, die das reine Erkennen als witzig empfindet), saugt Bazooka Sue wirklich jedes Humoratom aus diesen Situationen, indem es auf längliche Erläuterungen besteht: „Das ist doch der Typ, dem wir Bugs Bunny und Daffy Duck verdanken!“ Ebenso ist es selbstverständlich nicht genug, ein Motel mit einem düsteren Herrenhaus auf einem Hügel im Hintergrund oder eine Frau, die auf dem Schulhof von Vögeln attackiert wird, zu zeigen. Falls diese Beschreibungen nun noch nicht klar gewesen sein sollten: Keine Angst, das Spiel nennt die Quelle, auf die sich diese „Anspielungen“ beziehen. Der Tiefpunkt ist erreicht, wenn die Protagonistin ihren eigenen Entwicklern im Starbyte-Büro gegenübertritt, was dann wohl die Endstufe unlustiger Selbstreferentialität darstellen sollte.
Auch neben dem Plot, der Erzähltechnik und der Welt an sich zeigen sich an allen Ecken und Enden Probleme. Das bereits beschriebene Rätsel befindet sich leider qualitativ so etwa in der Mitte dessen, was einem hier abverlangt wird. Wenn die Protagonistin dem Spieler erklärt, sie könne noch nicht weiterziehen, da am aktuellen Ort noch nicht alles erledigt sei, ist es ohnehin bereits ein schlechtes Zeichen (immanente gegenüber extrinsische Begründung). Doch wenn man dann herausfindet, dass das nicht genannte Problem darin besteht, dass ihr Auto von einem anderen zugeparkt wurde, und man dieses loswird, indem man beim Poolbillard verliert und daraufhin für zwei schleimige Typen (nicht die Eigentümer der blockierenden Autos) strippen muss, dann verliert sich die Kausalität endgültig im Nirvana.
Die Grafik ist prinzipiell noch das Beste am Spiel, da immerhin die Hintergründe kompetent gezeichnet wurden und (abgesehen vom hässlichen Stil) auch die Charaktere optisch in Ordnung gehen. Kleine Hintergrundanimationen helfen dem Gesamteindruck. Ironischerweise ist allerdings die Animation der Protagonistin misslungen. Sie „läuft“ nicht nur in schlimmster Sierra-Tradition besonders lahm, sondern sieht dabei auch noch albern aus – und zwar nicht beabsichtigt, sondern es fehlen einfach Animationsphasen. Das Scrolling ist sogar noch schlimmer: Es ist zwar konfigurierbar, jedoch beschränken sich die Einstellmöglichkeiten auf „einigermaßen flüssig, aber langsamer als die ohnehin schon langsame Laufgeschwindigkeit“ (so dass man also immer wieder auf die Bildschirmbewegung warten darf) oder aber hirnschädlich ruckelig.
Die Bedienung geschieht über ein kontextsentitives Verbenmenü, das in Ordnung geht, wo nicht gerade Pixelsuche angesagt ist. Dialoge (abgesehen vom Inhalt) gestalten sich dadurch schwierig, dass weder per Platzierung auf dem Bildschirm, noch Farbkodierung des Textes klargemacht wird, wer überhaupt spricht. Die Vertonung gestaltet sich passend amateurhaft; die Sprecher bewegen sich wahlweise zwischen den Extremen „gelangweilt“ und „angestrengt übertrieben verrückt“.
Letztere Worte fassen eigentlich sogar das Spiel als Ganzes zusammen. Bazooka Sue schießt weit übers Ziel hinaus, ohne jedoch jegliche Originalität zu zeigen. Unvorhersehbar ist es, zugegeben, aber nicht im Sinne positiver Überraschungen. Seine Wendungen wirken rein willkürlich. Gute Cartoons folgen einer strengen Logik (die häufig bewusst verschleiert wird) und haben eine nachvollziehbare Thematik. Bazooka Sue schießt in wirklich jede vorstellbare und unglaubliche Richtung, trifft aber wirklich überhaupt nirgendwo ins Ziel. Die technischen Probleme der Spielengine könnte man verschmerzen (insbesondere angesichts der schwierigen Produktionsgeschichte), aber nicht schlechtes Spieldesign und Erzählung, die zwischen Langeweile und Nerverei schwankt.