Bericht von Korondor (07.11.2012) – PC (DOS)
Ich erinnere mich noch ziemlich gut, wie ich vor zwanzig Jahren meine Vollversion von Campaign erwarb. Im Herbst 1992 absolvierte ich gerade das erste Quartal des Grundwehrdienstes in einer Instandsetzungskompanie der Bundeswehr. Nach der Ausbildung las ich eine der damals üblichen Spielezeitschriften (PC-Games / Powerplay) und fand darin einen Werbeflyer zu Campaign.
Nun muss man wissen, dass es im Herbst 1992 nur wenige Panzersimulationen gab. In M1 Tank Platoon konnte man einen Platoon bestehend aus vier Panzern eines Panzertyps fahren. Abrams Battle Tank war in dieser Hinsicht noch schlechter, da man hier nur mit einem Panzer gegen viele Gegner antrat, und das Spiel ansonsten mehr einem Konsolenshooter glich, als einer Tanksimulation.
Ich konnte daher kaum glauben, dass Campaign die unglaubliche Anzahl von 122 steuerbaren Panzern, Halbketten und Radfahrzeugen bot. Diese hohe Anzahl der steuerbaren Fahrzeuge ist, neben dem beeindruckenden Intro, die größte Stärke des Spieles. Erst heute, nach über 20 Jahren, wird Campaign durch das Onlinespiel World of Tanks auch in dieser Disziplin übertrumpft.
Das Spiel unterteilt sich in eine strategische Planungsebene und in die taktische Kampfsimulation. In der Strategieebene kann man Kampfverbände auf einer zoombaren Landkarte bewegen. Weiterhin gibt es noch Flugplätze, wo man Flugzeuge zu Staffeln zusammenstellen kann, und Produktionszentren, die Nachschub in Form von Treibstoff, Munition und neuer Panzer produzieren. Letztere sind jedoch nur in größeren Szenarien von Bedeutung. Den Zeitfluss auf der Strategieebene kann man nach Belieben pausieren oder auch beschleunigen, was auch notwendig ist, um in kritischen Situationen planen zu können bzw. ereignislose Stunden und Tage zu überbrücken.
Kommt ein Kampfverband in die Nähe eines feindlichen Truppenverbandes, wechselt das Spiel in die Kampfsimulation. Die Kampfsimulation startet mit angehaltener Zeit. Dies ist praktisch, da man nun jedem Panzer ein Richtung vorgeben kann, in die er fahren soll. Der untere Rand der Karte ist die Grenze zum eigenen Hinterland. In der Regel stehen dort noch einige Fahrzeuge und Panzer in Reserve. Flugzeuge kann man mit dem Flugzeugschalter herbeirufen, ebenso Artillerieunterstützung. Es macht daher durchaus auch Sinn, z.B. mit einem unbewaffneten Jeep Panzer zu sichten und dann eine solche Unterstützung anzufordern.
Die Karte wird durch zwei bis drei Straßen unterteilt, an dessen Rändern Häuser (graue Pixel) stehen. Bäume werden durch grüne Pixel markiert. Minenfelder sind durch schwarze Flecken gekennzeichnet und wahre Todesfallen. Häuser und oft auch Bäume sind hauptsächlich Hindernisse, die einen Panzer stoppen. Man kann zwar darüber hinwegfahren, bleibt dann aber nach wenigen Metern stehen, muss zurücksetzen bis man dem Hindernis ausweichen kann. Wirklich hässlich, wenn dies während eines Feuergefechtes geschieht. Während der Kampf andauert, kann man nach Belieben pausieren und von einen Panzer auf einen anderen wechseln. Man kann somit jeden Panzer der eigenen Streitmacht steuern, jedoch natürlich nicht gleichzeitig. Wird man abgeschossen, kann man somit mit dem nächsten Panzer weiterkämpfen…
Im Kampf verhält sich die KI ziemlich schwach. Die feindlichen Panzer ballern zwar in die Richtung des eigenen Panzers, ob sie aber etwas treffen, hängt mehr von Glück bzw. Pech ab. Besonders übel fällt dies bei Panzern auf, die keinen drehbaren Turm haben. Diese Panzer fahren ihre Route ab und können von hinten ziemlich einfach abgeschossen werden, da sie sie sich nicht dem nächsten Feind zudrehen. Ich finde aber, dass dies in Campaign nicht sehr stört, ganz im Gegenteil das Spiel macht dadurch erstmal Spaß.
Als Spieler muss man sich nämlich mit einer unpraktischen Tastatursteuerung abquälen. Um vorwärtszufahren muss man beide Ketten vorwärts drehen. Dazu kommen noch die beiden Turmdrehtasten, die Rohrsenken- und Heben- sowie die Feuertaste. Hat man sich verfahren, kommen noch zwei Rückwärtsfahrttasten hinzu. Bei Campaign II hat Empire Software später das KI-Problem behoben, ohne weiter die Steuerung zu verbessern. Das Ergebnis konnte man nur noch in die Tonne kloppen…
So kann man sich wenigstens daran erfreuen, feindliche Panzer abzuschießen. Gelingt dies, hält das Spiel allerdings einen ersten Dämpfer parat. Abgeschossene Panzer werden einfach nur grau, verpixeln in der höchsten Grafikstufe etwas und verschwinden dann. Richtig frustrierender sind gezogene Geschütze wie z.B. das 155 mm Long Tom. Diese können sich nicht bewegen und feuern daher nur in Richtung eines schmalen Korridors. Zwar können Geschütze durch einige Transporter angekoppelt und zu einer anderen Position gezogen werden, jedoch ist dies eigentlich relativ unpraktisch, und nur in Verbindung mit Minenfeldern sinnvoll. Im Kampf gegen gezogene Geschütze stellt man fest, dass diese nur sehr schwer zerstört werden können. Bei einem Testspiel hab ich mit einem Sturmpanzer IV fast 20 Granaten aus nächster Nähe auf ein Long-Tom-Geschütz verschossen, bis dieses endlich grau wurde.
Vermutlicher Grund: Der Sturmpanzer hat 25 Angriffs-HE, Long Tom dagegen 28 HE Verteidigung. Warum die Designer die Panzerabwehrwaffen so stark gemacht haben? Keine Ahnung. Einen Kampf gegen Panzerabwehrgeschütze sollte man jedenfalls lieber automatisch berechnen lassen. Ansonsten gehört die taktische Kampfsimulation eigentlich noch zu den Sahnetörtchen des Spieles.
Richtig mies ist die strategische Simulation. Hier verbergen sich Bugs im Detail. Einheiten können sich im Spiel verschanzen. Ändert man jedoch den Befehl und befiehlt das Vorrücken, erhält plötzlich der erste Panzer der Einheit den Zustand „Bewegungsunfähig“. Damit bleibt die ganze Kampfgruppe stehen, selbst wenn der Gegner lustiges Tontaubenschießen mit seiner Artillerie oder mit Bombern veranstaltet. Den selben Effekt hat man, wenn aufgrund von Kämpfen ein Panzer bewegungsunfähig liegen bleibt. Im Gegensatz zum Flughafen kann man keine neue Kampfgruppe bilden, indem man einfach Einheiten absplittet. Möglicherweise ist das Fehlen dieser Funktionalität auch ein Bug?
Ein weiterer Bug versteckt sich im Editor. Hier ist das Speichern von selbst angefertigten Szenarien eine Glückssache. Kommt nach Eingabe eines Speichernamens eine Schutzabfrage… Hurra – er speicht das Szenario ab. Stürzt Campaign ab… tja dann war das der Speicherbug, der stundenlange Arbeit einfach mal so kaputt macht.
Der Anbieter „Empire Software“ hat sich offenbar nicht die Mühe gemacht, diese Bugs zu fixen, bzw. zusätzliche Funktionalität und Inhalte in Campaign einzubauen. Dabei fragt man sich z.B. als Spieler, wieso man französische, japanische und italienische Kampfgruppen im Editor aufstellen kann, es aber keine Fahrzeuge dieser Nationalität gibt. Ebenso vermisst man natürlich auch Einheiten kleinerer Nationen, wie z.B. Polens, Ungarns, Finnlands oder der Niederlande. Ein paar Platzhaltereinheiten hätten dem Spiel gut getan, und selbst wenn es nur ein Fahrzeug/Geschütz/Flugzeug pro Nationalität wäre. Jedenfalls konnte ich bei meinen Recherchen keine Patches oder Updates zu Campaign finden. Empire Software veröffentlichte lediglich eine Datadisk mit 25 zusätzlichen Missionen und fabrizierte 1993 noch Campaign II, das aber mit einer 43%-Wertung der Powerplay beim Kunden endgültig durchfiel.
Fazit:
Campaign ist ein Spiel, dass die Spielerschaft spaltet. Die einen mögen den taktischen Kampf und lieben die vielfältig steuerbaren Fahrzeuge, die anderen finden das Spiel aufgrund der dilettantischen KI und der verbuggten strategischen Ebene grottenschlecht. Campaign auszuprobieren lohnt allemal. Man sollte dabei aber versuchen, die bekannten Bugs zu umschiffen. Es empfiehlt sich, keine großartige Szenarien aufzubauen und ganz am Ende zu speichern. Stürzt Campaign ab, können Sie Ihr Szenario nichtmal einmal probespielen und alles ist für die Katz. Bauen Sie lieber kleine Szenarien. Zwei Kampfgruppen, einen Kampf. Sie können die strategische Ebene jederzeit pausieren, in den Szenarioeditor wechseln, eine neue Kampfgruppe platzieren, eine alte Kampfgruppe entfernen und das Spiel an dieser Stelle fortsetzen. So werden Sie sicher ein paar Stunden verbringen, wo das „Campaign spielen“ Spaß macht.