Wer indessen mit einer Überdosis pechschwarzem Humor leben kann, sollte sich das spielerisch wertvolle Kanonenfutter eiligst besorgen – die BPS findet sowas ja meist gar nicht lange lustig…
Im empfehle das Spiel KEINESFALLS Kindern. Dieses Game ist für Erwachsene eher geeignet – und zwar für die, die zwischen Wirklichkeit und Phantasie unterscheiden können. Damit sollte es wohl alles gesagt sein.
Bei allen moralischen Fallstricken – beurteilt man alleine die spielerische Seite, verdient sich Cannon Fodder Respekt. […] Dem abstrahierten Gemetzel haftet dabei eine hartnäckige Spielbarkeit an. Man will es eigentlich gar nicht wahrhaben, aber das ist eine dieser „idiotischen“ Ballereien, die beängstigend motivierend sein können.
An sich ist Cannon Fodder aber ein prima Schieß-/Strategiespiel, abwechslungsreich aufgebaut, musikalisch schön untermalt und gut zu spielen. Reifere Spieler mit Ausdauer sollten schnell zugreifen, bevor es indiziert wird und nur noch für Erwachsene erhältlich ist.
Bericht von Mr Creosote (13.03.2021) – Amiga (OCS)
Die 1980er Jahre waren das Jahrzehnt der Söldnerfilme. Natürlich erinnert sich jeder an Rambo II: Der Auftrag und selbst der große Chuck Norris war Missing in Action . Mit Ende der Dekade war das alles vorbei. Womit die Zeit der Parodien angebrochen war. Man denke an Hot Shots 2 . In unserer Welt der Computerspiele fabrizierten die zuverlässigen Jungs von Sensible Software Cannon Fodder.
Söldneraction am Computer? Wer da an Ikari Warriors, Metal Gear oder Dogs of War denkt, ist schon auf dem richtigen Weg. Nur alles mehrere Größenordnungen überdrehter, sowohl stilistisch, als auch inhaltlich.
Der Stil spricht heute sicher für das Spiel, doch 1993 waren die 80er Jahre noch ziemlich nah und es fühlte sich alles ein bisschen… zweifelhaft an. Die ultra-zynische Stimmung („War has never been so much fun“) zieht sich bis in den letzten Pixel, wenn beispielsweise verwundete winzige Soldaten mit Todeszuckungen am Boden liegen, während Blutfontänen auf ihrer Brust sprudeln, bis sie schließlich von selbst verschwinden (jedoch erst, nachdem sie das fünffache ihres Körpergewichts an Blut verloren haben) oder der Spieler den Gnadenschuss gibt. Ja, selbst Babyrobben können blutigst zerschossen werden. Doch der Fluss der Zeit hat es mittlerweile mehr als klar gemacht, dass es sich hier um eine ironische Überspitzung des 80er-Jahre-Genres in niedlich-cartooniger Grafik handelt.
Spielerisch setzt Cannon Fodder auf eine typische Mischung aus schnellen Fingern am Abzug und taktischem Denken. Insgesamt warten 72 Missionen auf den Spieler, die meisten drehen sich um das Aufräumen in einem Sektor oder zumindest, gegnerische Gebäude in die Luft zu jagen.
Ist diese Aufgabe anfangs noch recht stringent schaffbar (wenn auch bereits nicht sehr einfach), wird es schnell vertrackter. Wie kommt man über diesen bewachten Fluss, da man beim Schwimmen ja nicht schießen kann? Gibt es irgendwo ein weniger tiefe Stelle, durch die man waten kann? Oder lässt man besser die Hälfte der Truppe am Ufer zurück, um Feuerschutz zu geben? Vielleicht kommt man besser in diesen Komplex, wenn man es nicht durch das schwer verteidigte Tor versucht, sondern dort hinten ein Loch in den Zaun sprengt? Vorsicht auf rutschigem Eis oder Treibsand. Diese Wache mit ihrem Raketenwerfer könnte die gesamte Truppe mit einem Schuss erledigen. Also schaltet man sie doch besser mit einer gezielt über das Gebäude geworfenen Granate aus. Wie wäre es damit, die heranrückenden Feinde einfach mit dem Panzer zu überrollen oder durch einen Blitzangriff per Hubschrauber? Cannon Fodder bietet eine große Abwechslung im Missionsdesign und den Lösungsmöglichkeiten, worin die größte Stärke des Spiels liegt.
Ermöglicht wird dies alles durch die durchdachte Steuerung. Die Kommandotruppe lenkt sich mit der Maus. Ein Linksklick bewegt, ein Rechtsklick feuert und beide Tasten zusammen aktivieren die gerade gewählte Spezialwaffe (deren Munition natürlich streng begrenzt ist). Intuitiver geht’s eigentlich nicht. Der Bildschirmausschnitt folgt der Mausbewegung (also in etwa im Sinne eines „Sloppy Focus“ eines heutigen Desktop-UIs), so dass man sich auch umsehen kann, ohne sich zu bewegen. Ganz wichtig darüber hinaus: Die Bewegungsrichtung ist entkoppelt von der Schussrichtung. Soll heißen, man kann ohne Weiteres beim Rückwärts- oder Seitwärtslaufen feuern. Eine Fertigkeit, die sich als essentiell erweist.
Wobei man in die beste Maus der Welt investieren sollte. Man muss sich ins Gedächtnis rufen, dass zu jener Zeit Computermäuse noch mechanisch funktionierten. Ein kleines Staubkorn auf der Mauskugel konnte schon das Ende des Spiels bedeuten, da exakte und bis aufs letzte optimierte Bewegung absolute Grundvoraussetzung zum Gewinnen ist.
In diesem Zusammenhang ist auch die eingeschränkte Wegfindungsroutine sowohl Fluch, als auch Segen. Permanent in Bewegung zu bleiben heißt die Überlebensstrategie, wenn man sich nicht gerade in einer der wenigen sicheren Ecken befindet. Die eigenen Soldaten bleiben jedoch schnell mal an trivialen Hindernissen wie Bäumen oder Gebäuden hängen. Man kann sie zwar anweisen, eine größere Strecke selbstständig zu durchlaufen, aber nur in direkten Sichtlinien. Das verflucht man, wenn die Truppe unerwartet steckenbleibt und deshalb von einer feindlichen Granate zerbombt wird. Das dankt man, da es vollständige Detailkontrolle erlaubt. Die Soldaten machen niemals unerwartete Schritte in irgendwelche andere Richtungen, nur weil irgendein automatischer Algorithmus dies so wollte.
Zum Glück kann zwischen den Missionen frei gespeichert werden. Erstens, weil viele Missionen beim ersten Versuch praktisch unschaffbar sind. Man muss oft schon genau wissen, wo die Gefahren lauern, und wer nicht gerade hellseherisch begabt ist, dem bleibt nur Lernen durch Versuch und Irrtum. Zweitens, weil das Spiel einen besonders hohen Schwierigkeitsgrad ansetzt. Eine halbe Sekunde mal nicht aufgepasst oder in die falsche Richtung geschaut (oder eben eine verschmutzte Maus…), schwupps ist die Truppe weg. Klar, neue Rekruten gibt es in erstmal genügender Anzahl, so dass man auch ohne Speichern und Laden mehrere Versuche hat, aber der Preis dafür ist der übliche im Shootergenre: Frischlinge laufen langsamer und treffen weniger zuverlässig als erfahrene Veteranen – d.h. letztere zu verlieren, bedeutet auch die Einbuße ihrer „Power-Ups“, wodurch die nächste Mission gleich nochmal schwieriger wird.
Man muss Sensible beinahe dafür danken, dass die gegnerischen Soldaten nicht besonders schlau sind. Sie verlegen sich auf Frontalattacken, laufen ohne mit der Wimper zu zucken in offensichtliche Hinterhalte und jagen sich auch schonmal selbst in die Luft, wenn sie beispielsweise auf die Spielertruppe feuern wollen, obwohl sich gut erkennbar ein Hindernis dazwischen befindet.
Es sollte klar sein, worauf das alles hinausläuft. Cannon Fodder ist die Erfüllung der Träume von Actionexperten mit einem Hang zu kleinen taktischen Knobelaufgaben. Doch gehört man nicht dazu… Ich persönlich kann die Qualitäten des Spiels auf intellektueller Ebene sehr wertschätzen. Ich wollte es schon immer auch emotional mögen. Doch 1994 stand auf meinem Computertisch immer noch die grobschlächtige A500-Maus, die nicht unbedingt die Krone ingenieurtechnischer Präzision war. Reaktionsspiele waren sowieso noch nie meine Spezialität gewesen und so kam ich nicht weit. Heutzutage, in fortgeschrittenem Alter, sind meine diesbezüglichen Fertigkeiten noch gesunken. Ich befürchte, eines der großartigsten Spiele seiner Generation ist somit einfach an mir vorbeigegangen. Eine zweite Chance gibt es in diesem Fall einfach nicht.
Archivierte Berichte
Bericht von Mr Creosote (10.11.2006) – Amiga (OCS)
Was sagt einem der Name, was sagt einem der Slogan „Krieg hat noch nie so viel Spaß gemacht“? Klar, Cannon Fodder sollte man nicht allzu ernst nehmen. Sollte man über Krieg Witze machen? Warum eigentlich nicht? Allerdings macht das das Spiel auch noch nicht automatisch gut, wie vielerorts auch angedeutet wird. Es kommt immer noch auf das Spiel selbst an, nicht das Thema. Also zum Spiel.
Es geht um… Krieg. Man steuert eine kleine Gruppe Soldaten durch jede Menge Missionen. Die ersten davon bestehen aus wenig mehr als „alles abschießen, was sich bewegt“, aber schnell genug entwickeln sich die Aufgaben zu kleinen Rätseln: Mit Frontalangriffen ist nicht mehr zu holen, also muss man sich erstmal die richtige Taktik überlegen, anstatt sich nur auf seine Reflexe zu verlassen.
Letztere sind aber natürlich auch gefragt. Das Spiel vergibt einem nichts. Kommt der Typ mit dem Raketenwerfer nur einmal zum Schuss, war’s das meistens mit der Mission und dem Team. Man muss es dann mit neuen Rekruten (frischem Kanonenfutter) nochmals versuchen, da Soldaten jedoch mit jeder überstandenen Mission an Erfahrung gewinnen, und somit stärker werden, ist es zweifelhaft, ob die Neulinge das vollbringen können, was dem ersten Team nicht gelungen ist.
Die Landschaften wechseln vom Dschungel über schneeverschneit bis hin zu kleinen Dörfern, also genug Abwechslung. Die Handhabung ist so einfach, wie man es sich nur wünschen kann (Mausklick, um sich zu bewegen, andere Maustaste zum Schießen), und selbst die Extrawaffen (Handgranaten und Raketen, die man in einigen Missionen bekommt) und Fahrzeuge (Jeep, Helikopter) sind leicht eingesetzt und gesteuert. Ein gutes Spiel.
Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es überbewertet wird. Wenn man ein wenig im Internet herumschaut, stellt man fest, dass es eines der meisterwähnten Amigaspiele überhaupt ist. Es taucht immer wieder auf persönlichen „Top X“-Listen auf. Die ganze Welt singt Lobeshymnen, und sollte es tatsächlich mal jemand wagen, auch nur ansatzweise etwas kritisches anzumerken, wird er niedergebrüllt. Warum hat dieses Spiel, das zwar tatsächlich gut, aber kaum revolutionär ist, einen solchen Kultstatus? Keine Ahnung.