Bericht von LostInSpace (08.12.2021) – VC 4000
Kinder lieben das Schaukeln. Besonders Spaß macht das Schwindelgefühl, wenn sich die Welt anfängt zu drehen. Ein Gefühl, das auch die großen Kinder von heute kennen. Mit ihrem Hightech-Spielzeug in Form von Virtual-Reality-Brillen wird diese Motion-Sickness aber als eher störend empfunden. Zumindest die Profis im Zirkuszelt an ihren hohen Trapezschaukeln sollten schwindelfrei sein, damit die faszinierende Akrobatik auch unfallfrei beim Publikum ankommt. In der perfekten Computerspiele-Welt ist der Spieler jedenfalls hundertprozentig vor einem Absturz gesichert, ohne sich der Gefahr des realen Erlebens selber aussetzen zu müssen.
In den einschlägigen Spielhallen wurde die Schaukel- bzw. Wippbewegung bereits 1977 auf einem Arcade-Automaten simuliert, der mit regional unterschiedlichen Namen wie Acrobat, Springboard, Seesaw Jump oder Clowns auftrat. Dieser Urahne stand Pate für spätere Portierungen und gab den Nachahmern die Zirkus-Metapher mit auf den Weg. Die privaten Haushalte erreichten wenige Jahre später Titel wie Circus Atari auf dem Atari 2600 und das hier betrachtete Circus, auf der relativ unbekannten Konsole namens VC 4000 des deutschen Herstellers Interton.
Folgendes Spielprinzip liegt dabei zu Grunde: Der Spieler steuert eine Wippe am unteren Bildschirmrand hin und her. Darauf katapultieren sich abwechselnd zwei Clowns in die Luft. Je nach Absprungwinkel und Sprungkraft sausen die Akrobaten größtenteils direkt in die Höhe auf den oberen Bildschirmrand zu. Dort laufen auf stetigen horizontalen Bahnen Luftballons vorbei. Der Spieler versucht die Wippe so zu steuern, dass er mit den Clowns möglichst viele dieser Luftballons zerstört. Landet ein herabfallender Akrobat mal nicht punktgenau auf der Wippe, verliert der Spieler eins von zehn Leben. Um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen, sollte besonders die oberste der drei Ballon-Reihen anvisiert werden. Diese ist aber nur mit sehr viel Schwung überhaupt erreichbar. Aufgrund der Beschaffenheit der Konsole ist keine Highscore-Tafel vorhanden, so dass ein direkter Vergleich mit einem zweiten Spieler durchaus Sinn ergibt. Im Gegensatz zu seinem viel bekannteren Klon für den Atari 2600 bietet Circus einen 2-Spieler-Modus.
Die beiden farblich unterscheidbaren Clowns werden abwechselnd solange gespielt, bis ein unglücklicher Absturz die Punktejagd des einen beendet. Dann darf der andere Spieler sein Glück versuchen. Die getrennt gezählten Punkte entscheiden am Ende über Gewinner und Verlierer. Diese Ur-Form des Hot-Seat ist sehr unterhaltsam, da man sich so wunderbar über die Fehler seines Gegners amüsieren und ausgiebig der Schadenfreude frönen kann.
Eine weitere Besonderheit von Circus entspringt der Beschaffenheit der VC 4000. Über (physikalischen) Knopfdruck kann der Spielablauf modifiziert werden. So kann man mit 2- oder 4-facher Geschwindigkeit spielen oder die Darstellung der Luftballons beeinflussen: ob einzeln durchlaufend oder als zusammenhängender Streifen.
Grafisch sind sich die beiden Klone sehr ähnlich. Auf beiden Konsolen sind die Luftballons eckig. Das wundert mich im Fall der VC 4000 umso mehr, als dass die Animation der Clowns sehr filigran ist. Sie rudern beim Fliegen lustig mit den Armen. Die Soundeffekte von Circus gefallen mir besser, weil sie schön knackig und im typischen Arcade-Stil sind.
Nur der Schwierigkeitsgrad ist meiner Meinung nach auf dem Atari 2600 besser gelungen, denn dort ist die Absprungfläche der Wippe bedeutend breiter. Bei Circus tut man sich bei der relativ kleinen Wippe schwer, den Sweet Spot präzise zu treffen, zumal die Steuerung gerade in den beschleunigten Versionen tendenziell zu grob dafür ist.
Schade, dass diese konkrete Spielidee mit der Wippe in der Spieleindustrie nicht weiter verfolgt wurde und nur als eine kuriose Breakout-Variante in die Spielegeschichte eingegangen ist.