Bericht von Mr Creosote & Tapuak (19.06.2005) – PC (DOS)
[Mr Creosote] Bei Geheimprojekt DMSO handelt es sich um ein Grafikadventure der Firma Art Department, in dem im Auftrag der Merckle GmbH für deren Rheumamittel geworben wird. Professor Scheiffele von der Universität Ulm, der an entsprechender Produktforschung gearbeitet hat, ist verschwunden. Vorher hat er aber noch per Telegramm seinen Neffen Jack Bene zu Hilfe gerufen. Es liegt nun an diesem, den Professor zu finden und die Hintergründe des Verschwindens aufzuklären.
Spielkonzept und Steuerung
[Tapuak] Man steuert Jack Bene mittels eines klassischen Adventuremenüs. Es stehen einem sechs Verben zur Verfügung, die man mit den Objekten im Spielgeschehen kombinieren kann. Außerdem hat man ein Inventar an Gegenständen dabei, das mittels kleiner Icons angezeigt wird. Theoretisch spielt es sich also ab wie bei allem Grafikadventures: Man untersucht den Bildschirm nach interessanten Objekten und muss überlegen, welche Aktionen man damit durchführen kann.
[Mr Creosote] Das wird einem dadurch erleichtert, dass die Handlungsorte tendenziell leer sind, es also nur wenige „sinnvolle“ Objekte gibt. Dazu kommt, dass die meisten Objekte sowieso nur für wenige vorgesehene Verben überhaupt „sichtbar“ sind. Fährt man beispielsweise mit einem auf „Nimm“ eingestellten Cursor über ein Objekt, dass man zwar untersuchen, jedoch nicht mitnehmen kann, kann man es gar nicht erst anklicken.
[Tapuak] Grundsätzlich ist die Steuerung befriedigend gelöst, da man sich auf ein klassisches Muster verlassen hat. Der Cursor ist jedoch nicht „intelligent“ – sehr naheliegende Befehle können nicht automatisch ausgeführt werden (z.B. „Öffne Tür“), was die Effizienz der Steuerung wiederum verschlechtert.
[Mr Creosote] Sehe ich ähnlich: Konzeptionell gut, aber bei den Details sind sie zu faul gewesen. Gerade das Ausprobieren relativ abstruser Handlungen macht mir in einem Adventure Spaß, doch dies wird von vornherein unterbunden. Deshalb gibt es auch keine unterhaltsamen Reaktionen auf „falsche“ Aktionen, weil diese einfach gar nicht möglich sind.
[Tapuak] Es sind ohnehin nur recht wenige Objekte vorhanden. Von daher hat man eher das Gefühl, bestimmte Aktionen, die ziemlich offensichtlich sind, „abarbeiten“ zu müssen. Man kann nicht groß herumprobieren, und die Steuerung ermutigt einen auch nicht dazu, es zu versuchen.
Rätsel und Schwierigkeitsgrad
[Mr Creosote] Womit wir eigentlich schon bei den Rätseln wären: Geistige Kunststücke werden einem nicht abverlangt. Meistens beschränkt sich das Spiel auf Standardaktionen wie „Öffne Tür mit Schlüssel“ oder das stumpfe Abarbeiten sämtlicher Dialogoptionen.
[Tapuak] So ist es. Am Anfang gibt es eine „Sammelphase“, in der man reichlich Gegenstände mitnimmt und somit das Inventar auffüllt. Das finde ich typisch für simple Adventures. Die wenigsten Objekte davon kommen jedoch in einem Rätselkontext zur Anwendung. Sie werden vielmehr in offensichtlichen Situationen eingesetzt.
[Mr Creosote] Richtig, kaum etwas wird auf originelle Weise zweckentfremdet. Ein Telefon ist halt zum Telefonieren, Säure zum Wegätzen usw.. Also immer das erste, worauf man kommt.
[Tapuak] Alles in allem gibt es also viel zu wenig Rätsel. Man kommt im Spiel allein dadurch weiter, dass man immer das Naheliegendste tut. Aber bei Adventures sind gerade unkonventionelle Lösungswege interessant. Die wird man hier nicht finden.
[Mr Creosote] Andersrum betrachtet bedeutet das aber auch, dass es keine völlig perversen Hirnwindungen braucht, um nachvollziehen zu können, was die Designer von einem erwarten. Ich habe niemals von einem der Rätsel gedacht: „Wie hätte ich denn darauf kommen sollen?“. Insofern ist die Rätseldecke zwar dünn, aber man hat auch schon deutlich Schlimmeres gesehen.
[Tapuak] Klar, man kann dem Spiel zumindest nicht vorwerfen, unfair zu sein. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass es ein Werbespiel ist. Sie wollen natürlich nicht, dass man mit dem Produkt Nerverei und Frustration verbindet. Zum einfachen Schwierigkeitsgrad trägt auch noch die begrenzte Zahl der Orte, die man gleichzeitig besuchen kann, bei.
[Mr Creosote] Grundsätzlich ist auch die Einteilung der Handlungsorte in eine „Makroebene“ (Städte) und „Mikroebene“ (Bildschirme) etwas, was gute Adventures auszeichnet. Wenn man sofort zu hunderten von Bildschirmen Zugang hat, verliert man die Lust am endlosen Rumlaufen schnell.
[Tapuak] Ja, aber hier haben sie es eben nicht geschafft, einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Die einzelnen Schauplätze bestehen jeweils nur aus einer Anzahl von Bildschirmen, die man an einer Hand abzählen kann. Wenn man einen Ort abgehakt hat, reist man zwangsläufig zum nächsten, um irgendeine neue Spur weiterzuverfolgen.
[Mr Creosote] Sicher fehlt die Balance, aber gerade im Bereich der Werbespiele ist man dahingehend nicht gerade verwöhnt. Man denke beispielsweise an Abenteuer Europa, wo man in manche Länder nur reist, um auf dem einzigen Bildschirm einen einzigen Gegenstand vom Boden aufzuheben. Ganz so schlimm ist es bei diesem Spiel nicht: Immerhin sind die Orte in sich größtenteils abgeschlossene Handlungsräume mit zwar wenigen, aber vorhandenen „Vernetzungen“.
[Tapuak] Viel mehr, als eine Aktion in einem Raum auszuführen, macht man hier aber auch nicht. Es gibt wie gesagt wenige Bildschirme, und in denen ist die Aktionsdichte auch noch sehr niedrig. Das wirkt vielleicht weniger lächerlich, als extra wegen eines Gegenstandes herumzureisen, aber dennoch ist es im Prinzip das selbe.
[Mr Creosote] Das ist natürlich richtig, aber eine Aktion pro Raum ist mir immerhin lieber als eine Aktion pro Stadt. Dass insgesamt die Komplexität und der Anspruch im unteren Bereich liegen, versteht sich von selbst.
[Tapuak] Die Länge des Spiels ist ja auch entsprechend kurz: In maximal einer Stunde ist man durch.
[Mr Creosote] Bezeichnend ist, dass ich nicht mal weiß, ob es eine Funktion zum Speichern des Spielstands gibt. Beim ersten Versuch bin ich gleich durchgekommen.
[Tapuak] Die gibt es, und sie war für mich praktisch der Höhepunkt des Spiels. Man muss auf irgendwelche Schachteln des beworbenen Produktes klicken, um zu speichern und zu laden. Die Bedienung dieses Menüs war das schwierigste Rätsel.
Werbung
[Mr Creosote] Insgesamt hält sich das Spiel aber mit allzu penetranter Werbung zurück. Es liegen immer mal wieder irgendwelche Produkte der Firma rum, und in einer Szene wird auch mal irgendeine Salbe völlig aus Selbstzweck eingesetzt, aber das war es (abgesehen von der Grundsituation, dass der Professor an Rheumamitteln forscht) schon.
[Tapuak] Also, man kann nach meiner Einschätzung beinahe Verdacht hegen, dass das Spiel schon vorher fertig war und das entsprechende Produkt erst nachher eingebaut wurde. Es kommt fast nur völlig ohne Zusammenhang zur Handlung vor, so nach dem Motto „Ups, jetzt bin ich auf eine Tube Dolobene getreten“. Und der Professor hätte genauso gut am „Bifi-Produktionsgeheimnis“ forschen können.
[Mr Creosote] Darauf wäre ich zwar nicht gekommen, aber von der Hand zu weisen ist der Gedanke nicht. Man muss sich sowieso fragen, wem eigentlich der glorreiche Gedanke gekommen ist, in einem Computerspiel (Zielgruppe: Jugendliche) für Rheumamittel zu werben.
[Tapuak] Rheumabehnadlung und -prävention ist ein Thema, das die ganze Gesellschaft betrifft. Gerade Jugendliche müssen bereits für dieses Problem sensibilisiert werden. Ich habe jetzt jedenfalls den Schrank voller Rheumabene-Tuben. ;)
[Mr Creosote] In dem Fall nehme ich meinen Einwand zurück und preise die wirkungsvolle Aufklärungsmethode. ;)
[Tapuak] Zu dieser Zeit war es eben groß in Mode, Computerspiele für Werbezwecke einzusetzen. Geheimprojekt DMSO zeigt, welch seltsame Blüten diese Praxis damals hervorgebracht hat. Wahrscheinlich galten die Marketingbeauftragten damals als besonders pfiffig, wenn sie derartige Ideen eingebracht haben, selbst, wenn sie völlig an der Klientel vorbeigingen.
Fazit
[Mr Creosote] Also ein historisches Dokument von höchstem Wert für die kulturelle Entwicklung der Menschheit. Doch Spaß beiseite: Geheimprojekt DMSO ist durch und durch ein typisches Werbeadventure. Es ist kurz und einfach, und man sieht das Wort „Auftragsarbeit“ durchscheinen. Gegenüber der entsprechenden Konkurrenz macht es sich aber nicht grundsätzlich schlecht. Immerhin hat es spielerisch (Bedienung, Ortsaufteilung, Rätsel) einige Ansätze von professionelleren Produkten aufgegriffen, wenn es auch an deren Ausgestaltung deutlich mangelt. Grafisch kann es sich (mit Ausnahme der leicht deformierten Menschen) wirklich sehen lassen, vor allem die Benutzung einer Palette gedeckter, unaufdringlicher Farben hat mir dahingehend sehr gefallen. Alles in Allem ist es natürlich keinesfalls eine Konkurrenz zu kommerziellen Klassikern, aber auf seine eigene bizarre Weise (man denke nur an das Thema) sehenswert.
[Tapuak] Dem kann ich mich anschließen. Letztendlich ist Geheimprojekt DMSO keine Herausforderung, sondern nur ein kurzer Zeitvertreib, was aber allemal besser ist, als den Spieler mit unfairen Situationen zu überfordern. Da man nicht scheitern oder gar sterben kann, hat man das Spiel schnell gelöst und kann es getrost als Kuriosität unter den Computerspielen abhaken.