Grim Fandango

Firma:
LucasArts
Jahr:
1998
Systeme:
PC (Windows) / PC (SVGA)
Genre:
Adventure
Tags:
Humor / Krimi / Polizei & Verbrecher / Mythen und Sagen / ScummVM
Sprachen:
Englisch / Deutsch / Spanisch / Französisch
Mittlere Wertung:
5/5

Meinung damals

Seit Sam'n'Max hat mich kein Adventure mehr so begeistern können. Selbst Monkey Island 3 wirkt rückblickend betrachtet doch eher wie eine Aktualisierung von Guybrushs früheren Abenteuern, während Grim Fandango wirklich Neues zu bieten hat.

Peter Kusenberg, PC Games 01/99 

Mir bot der abgedrehte Plot um den liebenswerten Loser Manny jede Menge Kurzweil, Spaß und Spannung. Entsetzlich war eigentlich nur das Gefühl beim Abspann, denn ich kann kaum glauben, daß sich so viel Liebe zum Detail, so ausgeklügeltes Gameplay und so skurriler Humor im nächsten Tanz von Lucas Arts so schnell wiederholen läßt…

Michael Trier, PC Joker 01/99 

Wo soll ich anfangen, Grim Fandango zu loben? Die Rätsel sind herrlich logisch und ineinander verzahnt, die Dialoge wunderbar schräg und die Handlungsorte einfach eine Schau.

Roland Austinat, PC Player 01/99 

Einmal mehr zeigen und die Luc-Asse, wer der Adventure-König ist. Mit viel Witz, Ironie und Hüftschwung erzählen sie eine Geschichte, die dennoch (wie schon der Titel sagt) ziemlich „grim“ daherkommt […] Die Maniac Mansion-Kids sind inzwischen erwachsen geworden

Joachim Nettelbeck, Power Play 01/99 

Bericht von Mr Creosote & Herr M. (25.05.2013) – PC (Windows)

[Herr M.] Lange Zeit war Grim Fandango für mich das „LucasArts-Spiel mit den Skeletten“, dessen Reiz sich mir überhaupt nicht erschlossen hat. Es mag daran liegen, dass ich damals bei seinem Erscheinen, wie viele andere auch, schon ein wenig übersättigt war von den zahllosen Adventures, die sich immer mehr selbst zu kopieren angefangen hatten, und oft nur mehr mit sehr lahmen Ideen aufwarten konnten. Trotzdem schien mir ein Spiel, in dem man in die Rolle eines Knochenmännchen schlüpft, ein wenig zu absurd. Fünfzehn Jahre später, nachdem inzwischen nicht nur die Adventures am Wiederkehren sind, sondern auch LucasArts endgültig seine Pforten geschlossen hat, will ich mich daran machen, eine Bildungslücke zu schließen.

[Mr Creosote] Bei mir liegt der Fall genau andersherum: Es war das erste Adventure von LucasArts, dass ich seit dem Vollgas-Desaster wieder direkt neu gekauft und gespielt habe. Seit 1998 allerdings nicht mehr, also war eine Auffrischungskur nötig.

[Herr M.] Zwei doch sehr unterschiedliche Perspektiven also, man darf gespannt sein, wie sehr sich dabei die Geister scheiden werden. Eine Sache gibt es aber, in der wir uns, so glaube ich, schon mal einig sind: Es war eine gewisse Herausforderung, es nach all den Jahren zum Laufen zu bringen.

[Mr Creosote] Ja… leider gehört das Spiel ja zu der Generation der Windows-95-Spiele, die heutzutage die allseits am schlechtesten unterstützten sind. Und da es sich um LucasArts' erstes Nicht-SCUMM-Adventure handelt, half logischerweise auch ScummVM nichts. Zum Glück hat Herr M. da etwas anderes aufgetan.

[Herr M.] ResidualVM heißt das Zauberwort, ein Spiele-Interpreter, der sich daran macht, das ScummVM der Post-Scumm-LucasArts-Adventures zu werden [Update: mittlerweile ist die ResidualVM-Engine Teil von ScummVM geworden]. Ein wenig steckt das zwar noch in den Kinderschuhen, aber bei mir hat es, mit minimalen Fehlern, eigentlich sehr gut geklappt. Bei Mr Creosote leider nicht ganz so gut, aber du konntest es zumindest durchspielen?

[Mr Creosote] Ich hatte einige Probleme mit Grafikfehlern, aber ich konnte das Spiel schließlich dank freundlicher Hilfe in den Supportforen durchspielen, ja. Also spricht nichts dagegen, dass wir direkt zum Spielinhalt übergehen…

Wilkommen im Land der Toten!

[Herr M.] So schwer es war, endlich einen Blick auf das Spiel selbst zu werfen, so muss ich doch sagen, dass mein erster Eindruck ein extrem positiver war, und ich ganz hin und her gerissen war zwischen zwei Gefühlen: „Warum habe ich das nicht schon längst einmal gespielt?“ und „Wie schön, dass ich hier noch einmal frisch in eine wunderbar abgedrehte LucasArts-Geschichte eintauchen kann!“ Auf alle Fälle war ich erstaunt, was sich da für eine seltsame Spielwelt auftat und gleich bei der Eröffnungsszene voll und ganz dabei.

[Mr Creosote] Dort zeigt sich der Protagonist, ein gewisser Manny Calavera, bei seiner Arbeit. Die Geschichte spielt im Land der Toten (anscheinend zurückgehend auf süd-/mittelamerikanische Mythologie) und es ist Mannys Aufgabe, frisch verstorbene Seelen eine Reise durch diese Welt zu organisieren, die… wohin eigentlich führen soll?

[Herr M.] Das ist eigentlich gar nicht so leicht zu beantworten, da es eine der Kernfragen des Spiels ist. Immer wieder wird von der „Neunte Unterwelt“ gesprochen, die das Ziel aller Toten sein dürfte. Je nachdem wie „gut“ oder „schlecht“ man im Leben vor dem Tod war, kann man diese bequem per Zug erreichen oder muss sich auf eine längere Reise gefasst machen.

[Mr Creosote] Tja, wir stecken also tief in religiösen Motiven. Man könnte es wohl in etwa mit der katholischen Vorstellung des Fegefeuers, in dem eine Seele eine Zeit lang von ihren Sünden reingewaschen werden muss, bevor sie endgültig in den Himmel aufsteigt, vergleichen.

Nur ist es in diesem Fall eben so, dass das Ganze recht… weltlich aufgezogen ist. Manny und seine Kollegen sind Reisevertreter der übelsten Art, die hauptsächlich auf fette Prämien für verkaufte Reisepakete aus sind. Entsprechend begehrte Kunden sind besonders „gute“ Seelen.

[Herr M.] Nun, es gibt auf alle Fälle Parallelen zu der ein oder anderen Religion, aber wie du richtig sagst, ist es alles sehr weltlich, ja teils sogar ungewöhnlich lebendig für ein Reich der Toten. Tatsächlich scheint kaum jemand traurig darüber zu sein, hier gelandet zu sein, irgendwie finden sich alle zurecht und manche blühen sogar richtig auf. Gut gerade letzteres ist in diesem Spiel sehr zweideutig…

Interessant fand ich übrigens auch, dass diejenigen, die im Leben die größten Gauner gewesen sein dürften, nun hier das Sagen haben.

[Mr Creosote] Na ja, dass hier die größten Gauner das Sagen haben, würde ich so nicht unterschreiben. Die Charaktere, die man anfangs trifft, und zu denen Manny ja auch gehört, sind einfach sehr menschlich charakterisiert: Sie haben ihre Schwächen und sind sich somit in manchen Fällen selbst die nächsten. Im Verlauf des Spiels mag es erstmal so scheinen wie du es ausdrückst, aber gegen Ende gibt es da ja eine recht drastische Szene, die das „schicksalshaft“ korrigiert. Die große Verschwörung der Fieslinge des Landes der Toten steht aber natürlich im Zentrum des Spiels.

[Herr M.] Gut, „die größten Gauner“ ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber trotzdem haben viele Personen sehr viel Dreck am Stecken und sind teils schon eher unsympathisch, wenn auch zugegebenermaßen in einem sehr menschlichen Ausmaß. Zumindest ihre Motive sind nur allzu menschlich.

[Mr Creosote] Alles beginnt damit, dass die schöne Meche in Mannys Büro landet. Sie war im Leben eine wahre Heilige, sie sollte sich also locker für ein Ticket im Express-Zug qualifizieren. Manny reibt sich bereits die Hände, doch es kommt alles anders: Laut seinem Computer hat sich Meche gerade mal einen Wanderstock verdient und soll so den vierjährigen Weg zu Fuß zurücklegen. So kommt Manny langsam der erwähnten Verschwörung auf die Spur.

[Herr M.] Langsam trifft es sehr gut! Um ehrlich zu sein, war ich fast ein wenig überrascht wie langsam dies von statten geht. Gerade am Anfang findet man sehr viele Spuren, entwickelt sich die Geschichte richtig schön und dann geschieht etwas, womit ich nicht gerechnet hätte: Plötzlich steht da „Ein Jahr später“!

Episoden aus der Unterwelt

[Mr Creosote] Das Spiel teilt sich in vier Episoden/Jahre, was wohl auch etwas mit erwähnter Mythologie zu tun hat, also in dem Sinne der langen und beschwerlichen Reise der verstorbenen Seelen.

[Herr M.] Diese Form der episodenhaften Erzählung (derzeit sehr modern bei Adventures, insbesondere bei den LucasArts-„Erben“ Telltale Games) bringt so manche Vor- und Nachteile mit sich. Zum einem sorgt sie für Abwechslung: Man besucht viele exotische Schauplätze, plaudert mit vielerlei Gestalten und erlebt eine Reihe von unerwarteten Siegen und Niederlagen. Andererseits wirkt die Handlung aber sehr abgehackt: Gerade erst hat man sich eingelebt, schon befindet man sich, so will es scheinen, wieder in einer völlig anderen Geschichte. Am stärksten ist der Sprung vom zweiten auf das dritte Jahr. Zudem ist es überraschend wie wenig sich die Dinge und Personen innerhalb der vier Jahre verändern. Gut, es ist ein Land der Toten, vielleicht stehen da die Sachen auch ein wenig eher still.

[Mr Creosote] Na ja, da verändert sich schon Einiges, insbesondere im Vergleich des zweiten und vierten Jahres, die jeweils in der gleichen Stadt spielen, aber gerade da hätte ich schonmal einen großen Kritikpunkt: Die Episoden sind qualitativ sehr uneinheitlich!

Das zweite Jahr glänzt beispielsweise mit einer immanent bestens konstruierten Erzählung und interessanten Charakteren. Dann kehrt man im vierten Jahr in die gleiche Stadt zurück und anscheinend hat mittlerweile ein Konkurrent aus dem zweiten Jahr hier deutlich an Einfluss gewonnen. Gut daran ist, dass dies bereits im zweiten Jahr angedeutet wurde, dass es so kommen könnte: Manny stellt die Konkurrenz seines Cafés/Nachtclubs mit der klotzigen Katzenrennbahn seines Konkurrenten als Kampf „David gegen Goliath“ dar.

Im vierten Jahr soll es dann wohl so sein, dass jener Konkurrent nun praktisch das gesamte Leben der Stadt kontrolliert. Doch so richtig explizit erfährt man das nicht; der Rest der Stadt ist einfach leer, die wenigen alten Bekannten, die Manny trifft, klären ihn nicht über die Veränderungen auf und Manny fragt selbst auch nicht nach. So dass dieses vierte Jahr doch etwas faul anstatt durchdacht wirkt.

[Herr M.] Das meinte ich eigentlich auch mit wenig Veränderung: Man ist am genau gleichen Schauplatz, an dem halt ein paar Figuren weniger herumstehen. Was genau passiert ist, wird nicht näher erläutert, was eigentlich sehr schade ist, in Anbetracht der Tatsache, dass einem die Casino-Stadt doch ein wenig ans Herz wächst, und dann einfach leer steht. War es dann letzten Endes doch der Polizeichef, der alle Läden dicht gemacht hat? Auch hier gibt es Andeutungen, aber nichts genaues. Und ja es wirkt wie einfach nur kopiert. Man muss dort beim zweiten mal schlicht das ein oder andere mitnehmen, damit die Handlung hinhaut.

Zugegebenermaßen besucht man auch Orte wieder, wo sich dann tatsächlich vieles ändert, was aber obiges Beispiel nur um so schmerzhafter macht.

[Mr Creosote] Insgesamt meine ich, dass der episodenhafte Aufbau nicht immer mit dem Gesamtplot zusammenpassen will. Wenn man seine Geschichte derart konstruiert, muss man ja immer auf zwei Ebenen erzählen: Einmal den Plot innerhalb der aktuellen Episode vorantreiben, dabei aber nicht die übergreifende Gesamtgeschichte aus den Augen verlieren. Letzteres passiert leider ein paar Mal.

[Herr M.] Für sich betrachtet sind die Episoden aber durchaus gelungen, manche eben ein wenig mehr, andere eventuell ein bisschen weniger. Auch die Gesamthandlung haut im großen und ganzen hin. Nur sobald man die beiden irgendwie zusammenbringen will, wirkt es ein wenig inhomogen. Es fügt sich nicht ganz so nahtlos zusammen, wie es das mit ein wenig mehr Abstimmung vielleicht könnte.

Für mich hat die Geschichte nämlich trotz erwähnter Macken sehr gut hingehauen. Manches ist mir zwar ein wenig rätselhaft (die Motive der Schurken begreife ich etwa nicht völlig oder warum Manny so sehr auf Meche abfährt) aber es gibt eine stete Entwicklung. Und wo man am Anfang viel zum Lachen hat, wird es gegen Ende doch fast nachdenklich.

[Mr Creosote] Ich habe da auch viel drüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es tatsächlich das zweite Jahr ist, das nicht so recht reinpasst. Für sich gesehen ist es die mit Abstand beste Episode, aber sie tut einfach überhaupt nichts für die Gesamthandlung. Letztere wird wiederum im ersten Jahr aufgesetzt (1. Akt), steht dann ein Jahr völlig still, hat mitten im dritten Jahr ihren Höhepunkt (2. Akt, Mannys Gefangennahme) und der 3. Akt findet dann über den Rest des dritten Jahres und das vierte Jahr verteilt statt. Man kann also die klassische Dramenstruktur zwar noch gerade so erkennen, jedoch etwas chaotisch aufgeteilt und mit einer Zwischenepisode, die erzähltechnisch völlig unorganisch dazwischengequetscht ist.

[Herr M.] Auch ich finde die zweite Episode in so vielerlei Hinsicht einfach die beste. Trotzdem muss ich dir da leider zustimmen: Bis auf ein paar Kleinigkeiten, die man auch später einführen hätte können, trägt sie viel zu wenig zur Haupthandlung bei.

Episode Noir

[Mr Creosote] Schon vorher hatte es ja diverse Anspielungen auf das Film-Noir-Genre gegeben (angefangen mit Meches Auftritt), doch im zweiten Jahr nehmen diese Motive nun eine wirklich zentrale Stellung ein. In dieser Episode hat sich Manny mit seinem Kompagnon, dem naiv-gutmütigen Dämonen Glottis, in der Stadt Rubacava niedergelassen. Hier betreibt Manny nun einen Club, der wohl nicht ganz zufällig an Ricks Café Americain aus Casablanca erinnert. Wie Humphrey Bogart äußert sich Manny, er trinke nicht mit seinen Gästen und ebenso betont er immer wieder, es ginge ihm bei seiner Sorge um Meche nur um seine Geschäftsinteressen, nur um dann eben immer wieder mit seinen Handlungen das Gegenteil zu beweisen. Stammgast in seinem Café ist ein Peter-Lorre-Verschnitt und Glottis klimpert permanent auf dem Klavier herum. Das fand ich alles schon sehr herzerwärmend!

[Herr M.] Leider bin ich da filmisch nicht ganz so bewandert, auch wenn mir die unverkennbaren Parallelen zu Casablanca doch aufgefallen sind, wie ein etwas bösartiger „Captain Renault“, Mannys/Bogarts Anzug, das erwähnte Cafe oder dass so gut wie alle Figuren Raucher sind.

Genretypisch gibt es auch ein umfangreicheres lokales Ränkespiel: Eine gefährliche Affäre und allzu neugierige Personen, der Polizeichef, streikende Arbeiter usw.

[Mr Creosote] Die streikenden Arbeiter und die auftretende Problematik der Macht der Gewerkschaft sowie deren Korruption bezieht sich wiederum auf Die Faust im Nacken. Ebenfalls ein hochdekorierter Film, der mir persönlich aber nicht so gut gefällt. Noch etwas besser hätte angesichts des südamerikanischen Einschlags allerdings statt Casablanca, so sehr ich die Anspielungen darauf genossen habe, Gilda gepasst: Jener Film ist ja praktisch „Casablanca in Südamerika“, und auch dort gibt es einen Charakter, der durch einen manipulierten Roulettetisch illegale Abschlagszahlungen erhält. Aber gut, man muss sich wohl an die bekanntesten Varianten halten, um allgemeinverständlich zu bleiben.

[Herr M.] Ob nun Filmzitat oder eigene Ideen: Hier werden jede Menge Handlungsfäden gesponnen. Ich glaube allein daraus hätte man schon fast ein eigenes Spiel machen können.

[Mr Creosote] Auf jeden Fall geschieht in dieser zweiten Episode sehr, sehr viel und ich stimme dir durchaus zu, dass dies genug Stoff für ein eigenes Spiel gewesen wäre. Was wiederum im Umkehrschluss den restlichen Episoden dieses Spiels vielleicht sogar gutgetan hätte, da dann dieser Fremdkörper — so gut er für sich gesehen ist – entfernt worden wäre.

Das Ende der Geschichte

[Herr M.] Um auch den erwähnten restlichen Episoden ein wenig Platz einzuräumen: Die dritte fand ich ehrlich gesagt mit Ausnahme eines sehr durchgeknallten Charakters eher schwach, während in der vierten doch noch mal ordentlich aufgedreht wird in einem, wie ich finde, sehr gelungenen Finale, mit einem Schluss, bei dem ich mir immer noch unschlüssig bin, wie gut er mir gefallen hat.

[Mr Creosote] Die dritte Episode besteht spielerisch eigentlich nur aus ein paar Botengängen, während eben die Handlung wieder Fahrt aufnehmen soll. Das ist eher unbefriedigend, zeigt aber in gewisser Weise das typische Konfliktfeld zwischen durch den Plot vorgegebenem Erzähltempo und spielerisch bestimmtem Takt.

[Herr M.] Im großen und ganzem geht das Spiel jedoch durchaus gelungen damit um: Die Spielstopper, also die Rätsel, fügen sich sehr gut in die Handlung ein und ergeben sich auch aus dieser. Sie fließen also gelungen mit der Erzählung mit, ohne sie allzusehr ins Stocken zu bringen. Mag sein, dass sie dafür teils ein wenig zu einfach sind, aber ihre Logik und wie sie in den größeren Handlungsbogen passen ist vorbildlich.

[Mr Creosote] Na ja, das ist ja schon nicht ganz das gleiche. Nun stell dir mal vor, die Rätsel (egal wie organisch sie sich aus der Handlung ergeben) wären viel schwieriger und komplexer – schon hättest du riesige, unfreiwillige Stockungen in der Erzählung, die unsere Beschwerden über den geringen Fortschritt dieser im zweiten Jahr doch sehr kleinlich aussehen ließen…

[Herr M.] Da hast du wohl nicht ganz unrecht, vor allem wenn man bedenkt, dass es genug Adventures gibt, wo die Handlung durch ein Übermaß an unschaffbaren Rätseln überhaupt nicht in Fahrt kommt.

[Mr Creosote] Sicherlich ein schwieriger Drahtseilakt, all diese Dinge (Rätsel und sonstige Ablenkung) richtig auszubalancieren. Für Adventureveteranen ist es eben ein bisschen zu wenig, das Spiel scheint sich eher an Anfänger zu richten.

Die vierte Episode ist, was Balance zwischen Spiel- und Erzählungsfortschritt angeht, in gewisser Weise tatsächlich wieder besser, wenn da nicht diese erwähnte Irritation um die Geschehnisse in Rubacava während Mannys Abwesenheit wäre. Die Stadt macht einfach keinen lebendigen Eindruck mehr!

[Herr M.] Am ehesten macht sie noch den Eindruck, dass den Entwicklern hier entweder die Zeit oder die Ideen ausgegangen sind. Vielleicht hatte man auch Angst, dass die Geschichte wieder an Fahrt verlieren würde, wenn sie sich weniger stark auf das absolut notwendigste konzentriert hätten.

Gegen Ende wird es dann aber fast wieder „lebendig“ und der Haupthandlungsbogen wird eindeutig abgeschlossen, jedoch gilt aufgrund der Lücken für viele andere interessante Details: Sie bleiben ein Rätsel.

Und wo wir schon bei Rätselhaftem sind: Die spielerischen Rätsel selbst fand ich übrigens nicht nur im vierten Teil in der leeren Stadt durchwachsen. Teils sind sie ziemlich genial und manchmal zeigt das Verwenden von Gegenständen auch eine nicht handlungsfördernde Wirkung (was man einem Adventure nie hoch genug anrechnen kann), aber oft hat man in meinen Augen ein entscheidendes Problem: Zu wenig Gegenstände auf zu kleinem Raum. Dazu noch die Tatsache, dass man die Objekte im Inventar nicht miteinander kombinieren kann und selten mit jemanden reden muss, um ein Rätsel zu lösen (und wenn, dann ist es sehr einfach und offensichtlich), machen das Spiel über weite Strecken ein wenig zu leicht.

Wobei ich finde, dass manche Aufgaben in Grim Fandango durchaus schwer und komplex sind, sie sich aber wie gesagt sehr rasch lösen lassen aufgrund des Kombinationsmangel. Dieser ergibt sich wohl auch aus der Erzählung einer Reise, bei der die Entwickler endlich den Anstand hatten, einem nicht immer einen ganzen Kastenwagen an Ramsch mitzugeben, den man vielleicht irgendwann einmal brauchen könnte.

[Mr Creosote] Bei dem Stichwort „Kastenwagen an Ramsch“ will ich gleich mal einhaken: Das hat mir nämlich wiederum nicht sonderlich gefallen. Verallgemeinert könnte man sagen, und das haben wir ja bereits vorher angedeutet, dass die Welt sich recht leer gestaltet. Größtenteils konzentriert es sich auf die Personen und Objekte, die man wirklich benötigt zur Lösung des Spiels.

Das ist für die Lösbarkeit der Rätsel natürlich gut, aber andererseits leidet darunter doch die Glaubwürdigkeit der Welt massiv, wie ich finde. Die Welt wirkt (das soll jetzt kein Wortspiel sein) nur wenig lebendig. In keiner der Episoden habe ich wirklich den Eindruck einer wirklich funktionierenden Stadt bekommen.

[Herr M.] Am ehesten noch im zweiten Abschnitt, der sich, wie oben ja schon angedeutet habe, auch hier ein wenig unterscheidet: Alles spielt sich in einem großen Bereich ab, es gibt eine Menge an Figuren mit denen man über allerlei Sachen reden kann, teils kann man sogar Nebensächlichkeiten machen und es füllt sich auch das Inventar. Man verfolgt mehrere klare Ziele, die man parallel in Angriff nehmen kann. Es gibt also eine gewisse Freiheit, die zum Entdecken einlädt.

[Mr Creosote] Witzigerweise musste ich in der zweiten Episode dann an einer Stelle wiederum im Gegenzug an Tschechows Gewehr denken: Man wird bei den langen Laufwegen immer wieder von einem riesigen Zeppelin verhöhnt, der über der Stadt schwebt und auf Abflug wartet, aber dann… verlässt man die Stadt einfach, ohne jemals einen Fuß dareingesetzt zu haben! Das ist jedoch wohl so ziemlich die einzige Nebelkerze, die das Spiel überhaupt im gesamten Verlauf zündet. Ich hätte mir insgesamt also sogar eine schwächere Fokussierung auf den Lösungsweg gewünscht.

[Herr M.] Lustig, beim Zeppelin war ich der festen Überzeugung, dass dort das Finale stattfinden würde, vor allem weil Manny nochmal extra erwähnt, dass er hoffe, dass die Füllung diesmal nicht brennbar sei.

Aber ich denke es gibt auch ein paar andere Nebelkerzen, wie etwa das Land der Lebenden (unheimlich geniale Idee, die nie wieder vorkommt) oder das Chepito, eine meiner Lieblingsfiguren, im vierten Teil nochmal auftaucht (da hatte ich mir fast noch mehr erwartet). Aber im großen und ganzen muss ich dir zustimmen: Es liegt ein starker Fokus auf der Handlung und wie man sie voran treibt.

Die lebenden Toten

[Mr Creosote] Wo du aber Chepito erwähnst: Wie gefielen dir die Charaktere insgesamt?

[Herr M.] Mit ganz wenigen Ausnahmen (wie beispielsweise den Oberschurken oder der ein wenig farblosen Meche) fand ich die eigentlich gelungen bis genial. Viele sind zwar sehr eindimensional und ein wenig flach, aber wir reden hier ja auch von einem Spiel. Besonders besagten Chepito mit seiner Bootphobie und seinem fröhlich falsch gesungenen „Mein kleines Licht so schön…“ mochte ich sehr. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie einem Glottis nicht ans Herz wachsen kann. Bei einer weiteren Figur, die ich eigentlich auch gleich mochte, war ich dann doch von einer Wendung sehr… bewegt.

[Mr Creosote] Interessant. Gerade Glottis und Gepito empfand ich eher als überzogen-nervig. Die waren für meinen Geschmack beide doch etwas zu sehr auf billige Lacher ausgelegt.

[Herr M.] So billig fand ich Glottis auch wieder nicht: Er ist halt sehr enthusiastisch, mit voller Begeisterung bei seiner Sache. Außerdem traf er die Rolle eines rasenden Dämons doch sehr gut.

[Mr Creosote] Ansonsten fand ich die Charaktere schon treffend fürs Genre, wobei ich die Anmerkung, es sei ja „nur“ ein Spiel nicht gelten lassen kann. Ich stelle an jedes erzählende Medium erstmal die gleichen Ansprüche. Recht geben muss ich dir bezüglich der Farblosigkeit einiger Personen. Die verschiedenen Bösewichte sind allesamt recht austauschbar und noch stärker ist das bei den Frauenfiguren so, die eigentlich nur gesichtslose Staffage sind – oder hast du entscheidende Unterschiede zwischen Eva, Carla usw. feststellen können?

[Herr M.] Was die Frauen anbelangt: Außer Meche fand ich die eigentlich schon recht abwechslungsreich. Da hätten wir die gelangweilte Eva, die verzweifelte Carla, die coole Olivia und die überdrehte Lupe. Ich finde die unterschieden sich schon seeehr stark voneinander. Nur Meche fand ich dann doch ein wenig zu brav und langweilig, aber das passte im Grunde gut zur Rolle.

[Mr Creosote] Also große Tragik sah ich wiederum in zwei anderen Figuren: Einmal die Fotografin, Lola, in deren letzter Szene die emotionale Kraft des Schweigens bestens zur Geltung kommt, und Salvador, der Anführer der Untergrundbewegung. Letzterer wirkt auch lange wie eine Witzfigur, aber als das Ticket sich schließlich gegen Ende auf ihn zubewegt, bekam seine Figur schon eine tiefere Dimension: Im Gegensatz zu den „intellektuellen Revoluzzern“ aus dem einen Nachtclub, die immer nur untätig herumsaßen (die Volksfront von Judäa lässt grüßen) widmet er sein „Leben“ tatsächlich völlig altruistisch einer guten, realen Sache!

[Herr M.] Komisch, gerade jenen Salvador fand ich eher anstrengend, selbst gegen Ende. Das spricht aber meiner Ansicht nach für eine gelungene Charakterisierung: Nur die wenigsten Figuren sind einem gleichgültig und sie sind nicht so charakterlos, dass sie bei allem die gleiche Reaktion hervorrufen.

Einen Charakter haben wir aber noch ausgelassen: Manny selbst. Wie findest du den Protagonisten?

[Mr Creosote] Für mich einer der besten Protagonisten des Genres! Ein extrem zynischer, aber durch sein trotzdem positives, altruistisches Wesen, das er so verzweifelt vor der Welt zu verbergen versucht, sympathischer Humphrey-Bogart-Verschnitt, der darüber hinaus dadurch noch sympathischer wird, dass er eigentlich ein kleiner Versager ist? Da bin ich dabei!

[Herr M.] Was ich an ihm sehr mochte ist, dass er ein verhältnismäßig ernster Charakter ist. Ja, er hat durchaus Sinn für Humor, aber auf einem gewissen (trockenen) Niveau. Weder ist er extrem fanatisch, noch lassen ihn die Dinge völlig kalt. Und was ich vor allem an ihm mag: Seine schiere Sturheit, was er alles auf sich nimmt um sein Ziel zu erreichen. Das passt einfach so unheimlich gut zu einem Adventure-Spiele-Avatar. Außerdem mochte ich seinen spanischen Akzent, das war mal was anderes.

[Mr Creosote] Nicht zu vergessen seine extrem trockenen Sprüche: Mich hatte er überzeugt, dass es Spaß machen würde, seine Rolle zu übernehmen, als er auf Meches Frage „Sehen Sie einen Ring an meinem Finger?“ antwortete: „Nein, aber auch keine Haut.“

[Herr M.] Typisch für LucasArts könnte man damit wieder einmal ein ganzes Zitatebuch füllen: „Meine Sense – ich trage sie gerne an der Stelle an der früher mein Herz war.“

Ein Leben nach dem SCUMM

[Herr M.] Weniger typisch ist hingegen die Präsentation der Spielwelt, hier wurden mit dem Wechsel der Engine extrem neue Wege beschritten. Am auffälligsten dürften dabei der Wechsel zu „3D“ und das Wegfallen der klassischen Scumm-Verbenliste sein.

[Mr Creosote] LucasArts hatte ja bereits ein paar Jahre lang, seit Sam & Max, mit verschiedenen (primär) Steuerungs- und (untergeordnet) Grafikstilen experimentiert. Doch unter der Motorhaube waren es alles trotzdem immer nur leichte Abwandlungen des SCUMM-Systems gewesen. Mit Grim Fandango unternahmen sie allerdings einen (eventuell verzweifelten) Komplettbruch was die gesamte Spielmechanik angeht.

Er bewegt sich noch…

[Herr M.] Wo man früher fast nur die Maus zum Steuern benötigte, verzichtet Grim Fandango auf dieses Utensil komplett. Manny läuft per Cursortasten durch die Gegend und nimmt, benutzt und betrachtet Gegenstände durch ein paar weitere (Buchstaben-)Tasten. Das einzige was von früher gleich geblieben ist, ist die F1-Taste, die nach wie vor das Menü aufruft.

[Mr Creosote] In gewisser Weise erinnert die Bedienung an Shadow of the Comet: Nicht nur, dass man per Cursortasten herumläuft und Aktionen per dedizierten Tasten auslöst, auch die Methode des „Anpeilens“ von Objekten in der Szene ist ähnlich. In beiden Spielen braucht man eine Sichtlinie auf das gewünschte Ziel. Allerdings mit dem Unterschied, dass jene Sichtlinie in dem älteren Spiel explizit gezeichnet wird, während man hier auf teilweise recht subtile Bewegungen von Mannys Kopf und Veränderungen seiner Blickrichtung achten muss. Da übersieht man doch leicht Einiges.

[Herr M.] Nicht nur das: An Orten mit größerer Gegenstands-Dichte ist es etwas schwierig, ein bestimmtes Objekte anzuvisieren, weil man nicht weiß, welches der vielen Dinge Manny denn nun genau ansieht. Zudem wäre es manchmal wirklich praktisch gewesen zu wissen, was das denn nun für ein Gegenstand sein soll. Die Beschreibung hilft da nämlich nicht immer gleich weiter. Eine einfache Zeile, wie sie Escape from Monkey Island bereits hatte, in der einfach steht, was man gerade anguckt, hätte da wirklich viel weiter geholfen.

[Mr Creosote] Ein weiterer Unterschied zu Comet ist, dass die durch die Cursortasten angegebenen Richtungen nicht absolut auf den Bildschirm bezogen werden („links“ –> auf dem Bildschirm nach links laufen), sondern relativ zur Spielfigur gelten. D.h. „oben“ bedeutet „vorwärts“, „links“ eben „linksherum drehen“. Das hat so seine Vor- und Nachteile. Nervig ist auf jeden Fall, wie langsam Manny sich um die eigene Achse dreht. Andererseits wäre eine absolute Richtungsbelegung natürlich bei den wechselnden grafischen Perspektiven nicht gegangen.

Das Spiel versucht einen auf jeden Fall zu unterstützen wo es nur geht. Läuft man gegen eine Wand, dreht sich Manny beispielsweise automatisch. Ohne diese Funktion wäre das Erklimmen der Wendeltreppe in Richtung Zeppelin beispielsweise ein wirklich schmerzhaftes Unterfangen geworden. Andererseits führt die gleiche Funktion dazu, dass man manchmal unabsichtlich in völlig falsche Richtungen rennt.

[Herr M.] Oder, so wie ich, Aufzüge zu hassen beginnt, weil man immer wieder in sie zurück läuft. Im Grunde ist die Steuerung am Anfang, für ein Adventure, eher ungewohnt, ich würde aber sagen, dass man recht rasch hineinfindet.

[Mr Creosote] Das Aufzug-, oder allgemein das Bildausgangsproblem hatte ich auch immer wieder. Vor allem wird es noch dadurch verschärft, dass ähnliche „Türen“ unterschiedlich funktionieren: Manchen muss man nur nahekommen und Manny öffnet und betritt sie automatisch, andere muss man explizit erst per Tastendruck öffnen.

[Herr M.] Schade ist auch, dass wieder einmal ein Haufen Verben und Aktionen wegfallen. Im Grunde gibt es nur mehr drei Stück, von denen eine „Ansehen“ ist.

[Mr Creosote] Was die „Verben“ angeht, so hätte man sie tatsächlich genausogut weglassen können. „Benutzen“ deckt hier eh alles ab. Es ist eben eine Steuerung, die auf Konsolen angepasst ist: Richtungskreuz plus drei Tasten des Gamepads. Wahrscheinlich kein Zufall, denn der Konsolenmarkt befand sich ja gerade heftig im Aufwind.

[Herr M.] So mächtig der „Benutze“-Knopf auch ist, man muss dennoch oft genug grübeln wie man die „Funktion“ eines Gegenstandes richtig nutzt. Es ist also nicht nur ein hirnloses durchdrücken.

Gelegentlich darf man auch die Kontrolle über Fahrzeuge übernehmen, was mal mehr (Gabelstapler), mal weniger gut gelungen ist (Kran).

[Mr Creosote] Die dazugehörigen Rätsel fand ich allesamt zweischneidig. Die Ideen waren teilweise ganz gut, aber die Ausführung häufig etwas frickelig. Timing-Rätsel (der Gabelstapler ist nur eines von vielen), mehrfache Wiederholung des gleichen (beim Herumfahren mit der „Knochenschleuder“ den variablen Wegweisern folgend) – das verstärkt nur noch den Eindruck der Annäherung an die Konsolenwelt. Wobei es natürlich wiederum genauso positiv interpretiert werden könnte: Es ist in gewisser Weise konsistent mit den anderen Änderungen.

Gleiches gilt auch für das Inventarmanagement: Man kann nicht einfach aus einer Liste von Dingen auswählen wie gewohnt; Manny muss alle Objekte in teilweise quälender Langsamkeit eins nach dem anderen aus der Tasche ziehen und dem Spieler zeigen, bevor dieser etwas damit anstellen kann. Hier gilt das gleiche: Für erfahrene Spieler ist das schlicht ineffizient, aber es passt ins Gesamtbild.

[Herr M.] Nachdem man aber, wie gesagt, selten ein völlig überfülltes Inventar hat, ist das durchgehen der Liste, selbst wenn es sich manchmal ein wenig in die Länge zieht, nie wirklich hinderlich. Schlimmer ist da schon, dass man im Inventar keine Gegenstände kombinieren kann, und in den Fällen wo man einen Gegenstand aktivieren kann, diesen erst aus dem Inventar heraus nehmen und von allen Objekten weg schauen muss, und erst dann betätigen kann.

Generell gesprochen: Die Steuerung funktioniert. Nicht besonders gut, aber sie erfüllt ihren Zweck, und man kommt auch damit klar ohne ein Handbuch gelesen zu haben.

Unterwegs in neuen Dimensionen

[Mr Creosote] Weniger durchwachsen stellt sich meines Erachtens die audiovisuelle Präsentation dar. Fangen wir mit der Grafik an. Es ist vielleicht mittlerweile bekannt, dass ich überhaupt kein Freund der typischen Polygonexperimente dieser Zeit bin – aber es zeigt sich mal wieder, dass jede Technik in den Händen der richtigen Leute bestens funktionieren kann!

[Herr M.] Es war wohl auch eine sehr weise Entscheidung sich nicht auf die (damals) mickrige Leistung der Heimrechner zu verlassen und die Hintergründe vorzugenerieren und bei den Modellen auf Skelette zu setzen (die ja nicht unbedingt die höchste Polygonzahl brauchen um etwas gleich zu sehen). Nicht unwichtig für die hohe Qualität dürfte auch sein, dass man sich nicht nur auf das technische Gadget 3D verlassen hat, sondern viel Geschick beim Bildaufbau und der Atmosphäre gezeigt hat.

[Mr Creosote] Das ist es eben: Bildkomposition und Perspektiven (auch, wenn diese manchmal spielerisch nachteilig sind) machen eine Menge aus! Und die Charaktere sind nicht nur optisch gut auseinanderzuhalten, sondern sie sind ebenfalls interessant stilisiert. So richtige Skelette sind das ja nicht – eher mystische Inkarnationen von Seelen im Playmobil-Stil.

[Herr M.] Eigentlich eine sehr gelungene Transformation des 2D-Comic-Stils in eine 3D-Form. Ich finde es schon faszinierend, wie viel Individualität diese Playmobil-Figuren angesichts ihrer doch sehr einfachen Form dennoch haben. Das hatte ich mir in der Form gar nicht erwartet, und war eigentlich auch einer der Gründe warum ich das Spiel ursprünglich links liegen gelassen hatte. Gelungen fand ich auch die Zwischensequenzen, die sich mit ihrer Optik wirklich sehr nahtlos einfügen. Ich habe erst ganz am Ende mitbekommen, dass diese nicht in der regulären Engine stattfinden.

[Mr Creosote] Sehr entspannend an den Figuren fand ich darüber hinaus, dass sie sich einigermaßen realistisch bewegen (normalerweise fanden ja bei derlei Grafikstil sämtliche Bewegungen wie in Watte statt) und dass sie optisch aus einem Guß sind (keine abfallenden, abstehenden oder sichtbar drangepappten Gliedmaßen). Nahtlos wie die Einbindung der Zwischensequenzen.

Ausnahmslos gut hat mir auch dir klangliche Untermalung gefallen. Die Musik passt nicht nur, sie unterstützt die Atmosphäre sehr gut. Und die Sprecherleistungen empfand ich ebenfalls als exzellent (in der deutschen Version: „Alf“ Tommi Piper in der Hauptrolle).

[Herr M.] Musik ist so eine Geschmackssache, und was Grim Fandango anbelangt, muss ich leider sagen, dass ich sie mit wenigen Ausnahmen eher unauffällig gefunden habe. Ich könnte kein Stück benennen, das mir besonders in Erinnerung geblieben wäre. Es war zwar immer eine gewisse klangliche Kulisse vorhanden, die auch passend war, aber nichts was mich sonderlich mitgerissen hätte.

Was die Sprecher betrifft: Ich habe die englische Originalversion gespielt, und fand die Rollen quer durch die Reihe hervorragend besetzt. Die Stimmen passten einfach, und die Sprecher hatten auch eine hohe Professionalität (also kein Putzpersonal, dass mal schnell ein paar Zeilen runterliest).

Kleinigkeiten

[Mr Creosote] An der Produktionsqualität gibt es also hier wie dort nichts zu rütteln. Das waren dann wohl die größeren Sachen. Im Gesamtbild gibt es noch zahlreiche kleinere Änderungen gegenüber dem Gewohnten, von denen man einige durchaus als Innovationen bezeichnen kann, andere wohl eher als Notlösungen oder gescheiterte Experimente. In erstere Kategorie fällt für mich die sehr gelungene Szene, in der Manny eine Unterhaltung mit Carla zu führen versucht. Es läuft vordergründig im bekannten Multiple-Choice-Stil ab, aber tatsächlich ist die Szene nebenläufig gestaltet, d.h. Carla wartet nicht geduldig, bis Manny sich entschließt, endlich mal etwas zu sagen. Sie spricht einfach weiter, so dass sich Manny Wahlmöglichkeiten dynamisch und selbst ohne Spielerinteraktion permanent anpassen.

[Herr M.] Meine absolute Lieblingsstelle! Das wirkte durch die Dynamik wirklich sehr authentisch, und die Einwürfe die man machen kann sind wahrhaft köstlich. Reagieren tut sie dann natürlich nur auf das eine, das man von ihr will. Schön finde ich auch den Umfang: Es sind nicht nur ein paar Wortfetzen die da fallen, sondern Carla erzählt einen halben Roman, während Manny mehrere Dutzend Einwürfe zur Verfügung stehen.

Vielleicht nicht unbedingt innovativ, aber doch ungewöhnlich ist da auch die Szene in einem Nachtclub, wo man ein Gedicht improvisieren kann. Teils ist das nicht mal so katastrophal daneben.

Nekrolog

[Mr Creosote] Das sind eben eher so kleine, leisere Szenen, die so wie nebenbei passieren, und scheinbar vergleichsweise unwichtig sind, doch es sind eben solche Momente, die gar nicht so schwierige Technik brauchen, die für mich einen großen Teil des Reizes des Spiels ausmachen.

In der großen, vordergründigen Handlung mag es Einiges zu kritisieren geben, was wir ja ausführlich besprochen haben. Ebenso in der Ausgestaltung der Dramaturgie und der Struktur der Erzählung. Bei den Rätseln und der Steuerung sowieso. Doch (abgesehen von letzterem Punkt) ist das alles Kritik auf hohem Niveau!

[Herr M.] Ich finde auch, dass das, was wir an dem Spiel kritisiert haben, den Gesamteindruck vielleicht ein wenig mindern mag, aber vieles davon auch ein wenig subjektiv ist. Eben gerade die Steuerung oder der Schwierigkeitsgrad. Wirklich arge Schnitzer gibt es keine.

Und das Gesamtbild stimmt eindeutig. Dabei hat mir vor allem das sehr individuelle Spielgefühl gefallen: Die eben erwähnten ungewöhnlichen Szenen, das einzigartige Misch-Masch aus amerikanischen Totenkulten mit Film Noir und vielen eigenen Ideen, die in Episoden gegliederte Erzählung (auch wenn sie nicht ganz perfekt ist), das alles hat seinen ganz eigenen Reiz.

[Mr Creosote] Die Geschichte bietet auf jeden Fall einen interessanten Reiz durch ihre Melancholie einerseits, andererseits aber ironischerweise auch einer großen Wertschätzung des Lebens an sich. Soetwas findet man in erzählenden Spielen leider viel zu selten und es lässt einen schon über die eine oder andere kleine Macke auf den verschiedenen Ebenen hinwegschauen. Mein Urteil ist ganz klar: Ein einsames Highlight in einer leider sehr durchwachsenen Schaffensperiode einer Firma, die sich bereits deutlich auf dem absteigenden Ast befand.

[Herr M.] Was ich an der Geschichte am meisten mochte war, dass sie gelungen in sich abgeschlossen ist und auch mit einem echten Ende aufwarten kann. Mag sein, dass die Reise ein wenig holprig ist, aber es gibt eine Entwicklung, die vom Anfang bis zum Ende reicht, und den Spieler mit einem, ich würde fast sagen, vollkommenen Gefühl zurücklässt. Und ja, damit ist es auch eine hervorragende Parabel auf LucasArts selbst. Ein würdiges Ende der Adventure-Sparte von LucasArts, bei dem noch einmal alle Register gezogen wurden.

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