Inferno treibt das 3D-Ballerspiel-Genre auf die Spitze. Wer braucht schon intelligente Gegner und lange Taktikpläne, wenn man sich mit flottem 3D und einem endlosen Raumschiffvorrat den schnellen Adrenalin-Kick geben kann?
Nie zuvor sah eine auf Vektor-Grafik basierende Weltraumballerei eindrucksvoller aus. Neben den geshadeten und detailliert gestalteten Schiffen und Stationen sind es vor allem die äußerst stimmungsvollen Planetenoberflächen, die Euch mal dunstig-nebelig, mal feurig-vulkanisch oder mal maritim-feucht beeindrucken werden. Und das Schönste für Leute mit ausgeprägtem Zerstörer-Syndrom: Alles in Inferno kann beschossen und danach in Deformation oder totaler Verwüstung betrachtet werden.
Dank der großen Menge verblendeter Käufer (inklusive des Autoren dieses Textes), die für die Scheußlichkeit namens Epic Geld ausgegeben hatten, war ein Nachfolger kommerziell notwendig. Wie schon der erste Teil verzögerte sich dieser, bis er schließlich zum Weihnachtsgeschäft 1994 dem hungrigen Kundenvieh vorgeworfen wurde. Seltsamerweise nannte es sich Inferno und nur der Untertitel (The Odyssey Continues gegenüber Epic: The Adventure Begins) erinnerte noch subtil an eine Verbindung zwischen den beiden Spielen.
Einen wirklichen Plot gibt es nicht. Seltsame Entscheidung in den Tagen nach Wing Commander 2. Trotzdem wird Epic recht nahtlos fortgesetzt. Menschen und Rexxonen befinden sich immer noch im Krieg. Die letzte Hoffnung der Menschheit ist ein genetisch optimierter Superpilot. Bumms, das war’s.
Höchst trashige Sequenzen zwischen den Missionen illustrieren den Fortgang des Krieges, ohne jemals irgendetwas spezifisch zu machen. Die Entscheidung, stilistisch auf 3D-gerenderte Charaktere extremer Körperproportionen zu setzen, erhöht den Unterhaltungsfaktor signifikant. Es sieht in etwa so aus wie die Werbehefte der He-Man-Figuren in den 80er Jahren, für die die Actionfiguren in einfachen Szenen und Posen abfotografiert wurden.
Das Fehlen eines starken Plots hängt mit dem spielerischen Design zusammen. Anstatt wie in Wing Commander Mission an Mission in vorbestimmter logischer Abfolge zu reihen, wie es die Geschichte verlangt, definiert Inferno nur das grundlegende Szenario und bietet darauf Missionen an, die nicht in bestimmter Reihenfolge erfüllt werden müssen. Im primären Spielmodus („Evolutionary“) entscheidet sich der Spieler selbst, wo er als nächstes angreifen oder verteidigen möchte. Erfolg oder Misserfolg haben dann einen Einfluss auf die Schwierigkeit der folgenden Schlachten, so dass dies sogar ein kleines strategisches Spielelement mit sich bringt. Alternativ kann der Spieler einfach eine zufällig generierte Abfolge von Missionen spielen („Arcade“) oder auf den „Director’s Cut“ vertrauen. Letzterer kommt dann einer wirklichen Geschichte noch am nächsten, erzählt aber immer noch schwach ausgeprägt.
Da der Begriff „zufällig“ bereits gefallen ist, sollte man über die Missionen an sich sprechen. Das Spiel verspricht 700 verschiedene. Das funktioniert natürlich über prozedurale Generierung anstatt individuell per Hand erstellt worden zu sein. Standardelemente wie die Verteidigung einer Sternenbasis oder der Überfall auf einen gegnerischen Konvoi werden zufällig zu einer Gesamtmission zusammengewürfelt. Wodurch sie natürlich weniger vorhersehbar sind als geskriptete. Der Gedanke war wohl, wiederholtes Spielen zu ermöglichen, da jede Kampagne somit einigermaßen anders verläuft. Andererseits gestalten sich die meisten Missionen damit recht gesichtslos und ähnlich. Ich persönlich hätte lieber 30 gut gemachte Missionen als 700, die sich letztlich doch nur wiederholen.
Womit aber noch lange nicht alles gesagt ist. Inferno bietet drei völlig unterschiedliche Umgebungen, in denen man sich bewegen kann, was immerhin einige Abwechslung verspricht. Standardmäßig beginnt jede Mission im Weltraum. Dies ist leider der schwächste Teil. Im Verlauf vieler Missionen muss der Spieler sein Schiff dann zur Oberfläche eines Planeten steuern, wie bereits aus Epic bekannt. Der Boden unter einem sowie vollständig modellierte Bodenstrukturen verbessern die Spielbarkeit ungemein. Dabei sieht es noch nicht einmal schlecht aus, da es zahlreiche verschiedene Welten gibt. Auf Terra Nova trifft man auf Dinosaurier. Der Nachbarplanet ist von riesigen Ozeanen überzogen.
Die zweite besondere Umgebung stellt das Spielprinzip geradezu auf den Kopf. Da ohnehin alles in Polygonen modelliert ist, kann (und muss) man seinen agilen Jagdflieger in größere Träger oder Raumstationen fliegen. Womit die freie Bewegung im offenen Raum unterbunden und durch enge Tunnelsysteme abgelöst wird. Es ist nicht gerade Descent, die Grafik ist seltsam einfarbig und verwaschen. Spielt sich aber trotzdem ganz ok.
Konzeptionell klingt es also ziemlich gut, aber die Spielbarkeit bleibt trotzdem beschränkt. Einige Einschränkungen stammen direkt aus Epic. Am ärgsten trifft es den Spieler weiterhin bei der Orientierung im Weltraum. Mit der Tastatur ist das Raumschiff praktisch unkontrollierbar. Ein guter analoger Joystick oder die Maus machen es einigermaßen erträglich. Trotzdem ist die richtige Richtung im dreidimensionalen Raum zu finden weiterhin nicht einfach. Das Schiffsradar kann in verschiedenen Modi benutzt werden, aber keiner davon hilft wirklich weiter. Der Bildschirm ist vollgekleistert mit Richtungsangaben, aber deren Bezug zu den gewünschten Koordinaten ist nicht intuitiv.
Immerhin kann man auf der Übersichtskarte selbst Navigationspunkte setzen, die der Autopilot dann auf Wunsch ansteuert. Ein anderer Modus des Autopiloten verfolgt von alleine den nächsten Gegner. Zumindest in groben Zügen, aber natürlich nicht exakt genug, um ihn auch abzuschießen. Was ja auch den gesamten Sinn des Spiels in Frage gestellt hätte. Beides sind jedoch ehrlich gesagt nur Hilfskonstrukte, ein fundamentales Problem abzuschwächen, das ohnehin überhaupt nicht existieren sollte, und in anderen Spielen dieser Art auch gar nicht vorkommt.
Dazu kommt, dass die feindlichen Schiffe auswechselbar sind und sich ausgenommen dumm verhalten. Eine künstliche Intelligenz existiert im Spiel nicht, die Schiffe folgen vorgegebenen Mustern. Im Weltraum und in Planetennähe bekommt man sie fast nie überhaupt aus der Nähe zu Gesicht. Ihre Bewegungsmuster sind derart erratisch und so flink, dass sie, sobald sie auftauchen müssten, auch schon wieder weg sind. Sie aus der Entfernung nach Hinweisen des Zielcomputers abzuschießen ist meist der einzige Weg. Ein weiterer Punkt für die Missionsteile in den Tunneln, wo all dies viel besser funktioniert.
Wie auch schon in Epic gilt es, während der Missionen weitere Ressourcen zu sammeln. Waffen, Schildenergie, Treibstoff usw. werden nun explizit auf der Übersichtskarte angezeigt, so dass es sich diesmal durchführbar gestaltet. Spaß macht es trotzdem nicht, aber immerhin verdirbt es ihn auch nicht mehr.
Inferno baut eine ungemeine Fallhöhe zwischen seinen Selbstansprüchen und seiner Umsetzung auf. Es ist zugegeben nicht mehr unspielbar wie Epic, aber selbst dies nur aufgrund Workarounds. Wirklich gelöst wurde keines der inhärenten Probleme. Die Missionen schreien geradezu „Zufallsgenerator“, doch trotzdem bieten sie allein durch die drei unterschiedlichen Umgebungstypen Abwechslung wie in keinem anderen Spiel. Klar, keiner der drei kann mit den jeweils besten spezialisierten Spielen mithalten, aber die ziemlich nahtlose Kombination aller zusammen kann schon punkten.
Ist Inferno damit spielenswert? Leider trotzdem nur für historisch interessierte Vollständigkeitsfanatiker. Ein wirkliches Fluggefühl stellt sich einfach nicht ein. Anstatt spannender Dogfights erlebt man vielmehr Tontaubenschießen. Das assoziiert man eher nicht mit einer großangelegten Weltraumoper. Im Großen und Ganzen ist leider der rockige Soundtrack der einzige wirklich überzeugende Aspekt des Spiels. Letztlich ist es kein Wunder und wahrscheinlich gut so, dass die Reihe hiermit ein Ende fand.