Joust in dieser Version kann also wohl nur spielen, wer schon immer nicht wußte, was er mit seinen Fingern anfangen sollte oder wer mit selbigen in den dem Spiel folgenden ein, zwei Stunden nichts Wesentliches, Handgreifliches oder Zärtliches mehr vorhat, es sei denn, jemand nähme ihm seine wahrheitsgetreue Begründung für das Zittern in mindestens einem Finger ab!
Helge Andersen, TeleMatch 12/83
Bericht von Mr Creosote (04.05.2013) – Atari 2600
Lanze in der Hand, auf dem Rücken des fliegenden Strauß und los geht’s mit dem Lanzenstechen! Detaillierte Grafik, tolle Animationen und eine überzeugende Simulation von Massenträgheit – das war Joust in der Spielhalle. Auf dem Atari 2600 ist es… na ja, das ganz sicher nicht. Eher ein trauriges Zeugnis davon, wie weit dieses System tatsächlich noch davon entfernt war, echte Spielhallenqualität ins Wohnzimmer zu bringen, als um seiner selbst willen ein gutes Spiel. Die detaillierten Spieler- und Gegnersprites sind schonmal weggefallen; stattdessen gibt es flache, einfarbige Klötzchen, die alle exakt identisch aussehen (im Original ritten die Gegner auf Bussarden) – und der „unbesiegbare?“ Pterodactyl ist als solcher praktisch nicht zu erkennen. Konsequenterweise verlässt man sich auch auf zweistufige Animationen. All das könnte aber natürlich erträglich sein, hätte das Spielprinzip die Umsetzung intakt überlebt.
Das Prinzip des Flügelschlagens per Knopfdruck, um Steig- und Sinkflug zu kontrollieren, während man horizontal die Gegner aus dem Sattel zu stoßen versucht, wobei die Duelle durch die relative Höhe der Kontrahenten entschieden werden, ist natürlich immer noch da. Doch wo sich im Original ein Flug- und Kollisionsmodell fand, das für Spielhallenverhältnisse recht glaubwürdig und vor allem handhabbar war, trifft man in dieser Version eher Flipperphysik an. Wie wenn man von einer gestreiften Plattform nicht etwa nur leicht abprallt, sondern gleich über den gesamten Bildschirm geschleudert wird, und das in einer scheinbar zufälligen Richtung und innerhalb dem Bruchteil einer Sekunde! Der Eindruck fehlender Kontrolle wird weiter dadurch verstärkt, dass jede kleine Berührung des Feuerknopfes einen gleich ein Drittel des Bildschirms nach oben katapultiert, während im Spielhallenoriginal ein einzelner Druck für sich gesehen beinahe nichts auslöste, was zu einer viel feineren Kontrolle über die Figur des Spielers führte.
Sogar noch seltsamere, haarsträubendere physische Gesetze gelten für die Eier, die erscheinen, wenn man einen Gegner eliminiert hat. Spielerisch ist ihre Funktion, dass sie einen neuen, stärkeren Gegner schlüpfen lassen, wenn der Spieler sie nicht rechtzeitig einsammelt. Man könnte meinen, dass es Sinn ergäbe, wenn sie nach unten fielen. Stattdessen fliegen sie in irgendeine willkürliche Richtung und wechseln bei Berührung von Hindernissen ihre Richtung, bis sie sich schließlich in neue Gegner verwandeln.
Wie gesagt, die Grafik wäre verschmerzbar, aber das Spiel ist in dieser Version leider beinahe unspielbar. Selbst mit viel Übung bleibt die Steuerung des eigenen Reittiers eher Glückssache. Der Zweispielermodus macht ebenfalls keine Laune: Versucht man gemeinsam mit den Feinden fertigzuwerden, passieren einfach zu viele versehentliche (tödliche) Zusammenstöße und will man gegeneinander antreten… sagen wir mal, einfach einen Würfel zu werfen ist nur unwesentlich unspannender. Frustrierte Spieler mussten noch ein paar Jahre warten, bis dann endlich auf dem hardwaretechnisch viel stärkeren Atari ST eine vernünftige Heimcomputerumsetzung erschien.
Kurzkommentar von Mr Creosote (04.05.2013) – Atari ST
Dies ist eine sehr gelungene Umsetzung des Spielhallenautomaten von 1982, die sich spielerisch und grafisch nahe am Original hält.