In Powermonger steckt spielerisch mehr also in Populous, aber es macht nicht ganz so viel Spaß. […] Powermonger wird nicht ganz so viele Spieler ansprechen, denn es erfordert eine längere Einspielzeit und vor allem viel genaueres Planen und Taktieren. Das ist zwar ein theoretischer Garant für eine sehr hohe Langzeitmotivation, aber teilweise artet das Spielen von Powermonger richtig in Arbeit aus.
Bericht von Mr Creosote (28.12.2002) – Amiga (OCS)
Bullfrog wurden erst ziemlich spät auf dem Markt bekannt – ihr erstes selbst entwickeltes Spiel war 1989 Populous, zuvor hatten sie nur ein paar Umsetzungen existierender Spiele gemacht. Trotzdem schaffte es Peter Molyneux noch, eine Art „Kultdesigner“ zu werden, obwohl die Industrialisierung (und somit fehlende Personalisierung) der Computerspiele bereits langsam anfing. Muss wohl an der umfassenden Originalität und Qualität seiner Designs gelegen haben. Zwischen den ersten beiden (und einzigen wahren) Teilen der berühmten ersten Gott-Serie designte Molyneux ein einerseits ähnliches, andererseits aber auch wieder revolutionäres Spiel: Powermonger.
Im Vergleich zu Populous wird einem sofort die ähnliche Grafik auffallen. Wieder hat man eine isometrische Landkarte, die von Bedienungsicons unrahmt wird. Die Karte sieht allerdings weniger „unterteilt“ aus, sie ist nicht aus so klar sichtbaren Vierecken aufgebaut, sondern realistischer.
Realistisch ist auch schon das zentrale Wort. Anstatt eines mächtigen Gottes ist man „nur“ ein ein General, der seine Armee anführt. Um genau zu sein erzählt die wenig interessante Hintergrundgeschichte, man sei ein König, der sein Land verloren habe, und jetzt übers Meer zu neuen Ufern zum Erobern gelange. Schnell wieder vergessen. Also, der Einfluss, den man auf die Leute hat ist in etwa so beschränkt wie bei Populous. Nur sehr indirekt kann man überhaupt etwas für sie tun. Doch diese „Bürger“ sind auch nicht der Kern des Spiels – die Soldaten sind es. Man kann in den Dörfern, die man unter Kontrolle hat, neue Männer einziehen, und seine Kampftruppe vollkommen direkt steuern.
Die Armee bewegt man also nach Belieben über die Karte, hält bei freundliche Städten an, um die Nahrungsvorräte aufzufrischen, und hält bei feindlichen Städten an, um sie seinem Reich einzuverleiben. Das kann auf zwei Arten geschehen: friedlich oder brutal. Die erste Variante funktioniert eher bei kleinen, neutralen Dörfern, deren Bevölkerung klar kleiner ist als die eigene Armee. Die eigenen Männer überzeugen dann die Einwohner verbal davon, sich lieber einem anzuschließen, und kurz darauf hat man ein paar Untertanen mehr. Eine große, stolze Stadt wird auf solche Taktiken eher weniger anspringen. Es könnte sogar passieren, dass die eigenen (waffenlosen) Unterhändler mit Schwertern empfangen und abgeschlachtet werden! Dann sollte man doch lieber gleich den Kampf wählen. Das läuft normalerweise sehr schnell und vollkommen automatisch ab. Sobald die Schlacht begonnen hat, kann man eigentlich nur noch zusehen, wie sich die kleinen Sprites gegenseitig abschlachten, und hoffen, dass die eigene Streitmacht die Oberhand behält. Erst wenn der eigene Charakter (der auch mit der Armee herumläuft) stirbt, hat man verloren. Wenn man also zumindest ihn rettet, hat man selbst nach einer desatrösen Niederlage noch eine Chance, den Spieß nochmal umzudrehen.
Städte sind nicht nur Brutstätten für immer mehr Soldaten und Produktionsstätten für Nahrung. Man kann dort auch Waffen entwickeln und bauen, um seinen Soldaten einen Vorteil gegenüber zahlenmäßig überlegenen feindlichen Armeen zu geben. Das leitet über zu einem weiteren interessanten Konzept: den Generälen. Am Anfang ist da nur das eigene Alter Ego, das neben der Karte steht. Wenn man eine Stadt, in der ein General lebt, friedlich übernimmt, wird sich dieser einem anschließen. Dann hat man zwei voneinander unabhängige Armeen unter seinem Kommando. Logischerweise dauert das Abliefern der Befehle an den anderen General per Brieftaube natürlich desto länger, je weiter man sich von ihm entfernt befindet. Einer dieser Befehle könnte (wieder) das Angreifen einer Stadt sein. Aber man könnte ihn auch anweisen, die besagten Waffen zu bauen. In diesem Fall bleibt der Anführer in einer eigenen Stadt und die Bürger dort produzieren neben der üblichen Nahrung auch noch die Rohmaterialien für die Dinge, die der General sich ausgedacht hat. Das mögen Schwerter, Bögen oder sogar Boote und Katapulte sein – je nachdem, in welchem „Modus“ der General sich befindet. Währenddessen kann die andere Armee natürlich ihren Feldzug fortsetzen…
Das Ziel jedes Levels (und es gibt viele davon – man braucht mehrere Monate bis zu mehreren Jahren, um das Spiel durchzuspielen) ist es, jeweils 2/3 der Bevölkerung auf seine Seite zu bekommen. Dann kann man sich aus dem Level erfolgreich zurückziehen. Das bedeutet natürlich auch, dass man nicht zwangsläufig alle gegnerischen Armeen besiegen und alle Städte einnehmen muss. Stattdessen ist taktisches Abwägen gefragt, was einem wieviel Nutzen bringt.
Die ersten Level können noch mit simplem „Hit and Run“ geschafft werden: eine Stadt einnehmen, dort alle Männer und Vorräte mitnehmen, dann zur nächsten Stadt usw. Schnell genug läuft man damit aber in eine Sackgasse. Dann wird die wirtschaftliche Komponente von Powermonger wichtiger. Städten all ihre Vorräte zu nehmen ist dann plötzlich nicht mehr so schlau, weil die Bewohner hungern müssen. Sie sich entwickeln zu lassen, und erst nur das Nötigste zu nehmen, ist auf lange Sicht erfolgversprechender. Damit ist Powermonger dann auch um Einiges komplexer als moderne sogenannte Echtzeitstragiespiele: die „Fabriken“ (Städte) folgen komplexen Zusammenhängen von langsamen Wachstum und im Gegenteil vollständiger Ausbeutung, die Umgebung (Küste, Berge) sowie das Wetter (!) spielen wichtige Rollen.
Peter Molyneux sagte einmal in einem Interview, Powermonger sei dasjenige seiner Spiele, mit dem er am wenigsten zufrieden wäre (allerdings war das ein Interview von 1994, er konnte also noch nicht wissen, welchen Schrott er später produzieren würde ;)), und gab als Hauptgrund an, dass es nie wirklich fertiggestellt worden sei. Die Handhabung beispielsweise habe vollkommen anders aussehen sollen, all die Ikons seien noch Relikte des Projektstadiums. Vielleicht hätte Powermonger besser werden können auf die eine oder andere Weise, aber die Bedienung klappt wirklich sehr gut, sobald man erstmal die verschiedenen Ikons verstanden hat. Und im Bezug auf Spielbalance und Lernkurve braucht sich Herr Molyneux nun wirklich nichts vorzuwerfen ;)
Kurz nach dem Hauptprogramm brachte Bullfrog noch eine Erweiterungsdiskette namens Powermonger: World War 1 Edition heraus (zu sehen auf den letzten Screenshots). Sie ist grundsätzlich das selbe Spiel, nur eben im ersten Weltkrieg statt in der späten Antike (frühes Mittelalter?). Die Kommunikation läuft per Telefon/Morsezeichen, die Waffen sind Gewehre, Kanonen und Panzer. Insgesamt eine wirklich gute grafische Variation.
Vom heutigen Standpunkt aus ist Powermonger leider etwas aus dem Bewusstsein der Spieler verschwunden. Es zwischen den beiden Populous-Hits, die noch mehr Aufmerksamkeit in den Medien erhielten, herauszubringen, ließ es schlechter aussehen, als es tatsächlich ist: als eine Art Ableger der „Hauptserie“. Objektiv gesehen ist das allerdings nicht vertretbar: Populous mag das Genre der Gottspiele begründet haben, aber Powermonger krempelte den Bereich der konventionellen Echtzeitstrategiespiele um. Vielleicht ist es sogar insgesamt einflussreicher als sein „großer Bruder“, wenn man sich den heutigen Markt ansieht, denn in wie vielen Echtzeitspielen steuert man denn heute seine Armeen direkt anstatt wie bei Populous indirekt? Nur dass leider der Strategie-Teil von Powermongers Konzept mit der Zeit verloren gegangen ist…