Der schauerliche deutsche Spieltitel läßt Schlimmes befürchten, doch ganz so mies wie der Name klingt, wurde die Krimigeschichte im Vierziger-Jahre-Stil nicht umgesetzt. Die Qualität der Videoszenen ist ordentlich und die Leistungen der Schauspieler zwar nicht oscarreif, aber erträglich. Die aufkommende Atmosphäre erleidet jedoch sehr bald einen Dämpfer, da man dank des Zeitlimits erstmal feststellen muß, in welcher Reihenfolge bestimmte Aktionen am besten durchzuführen sind. […] Überraschende Wendungen im Fall helfen der Motivation zwar einige Zeit auf die Sprünge, aber für einen langanhaltenden Reißer hält das mittelmäßige Detektivspiel nicht her.
Unter der Interactive Movie-Verpackung steckt ein grundsolides Adventure mit dem Film Noir-Charme der vierziger Jahre. Obwohl die Rätsel als solche keine Kopfstände verlangen, birgt das Zeitlimit so manche Tücke und unfreiwillige Sackgasse in sich. […] Nicht zuletzt die gelungenen Dialoge und die guten schauspielerischen Leistungen garantieren unter dem Strich für ein atmosphärisches Adventure mit Köpfchen.
Es hätte die perfekte Hochzeit werden können. Auf der einen Seite das FMV-Genre, auf der anderen Seite das CD-i, also ein System, das zu seiner Zeit ziemlich weit vorne lag, was das Anzeigen von Fotos und Videos anging. Nur ging das FMV-Genre ziemlich schnell wieder unter. Und, noch schlimmer, dem CD-i gelang selbst das erste Abheben nie so richtig. 1996 hatte Philips inoffiziell aufgegeben und so kam The Dame Was Loaded, in Deutschland unter dem selten dämlichen Titel Puppen, Perlen und Pistolen, nur noch auf der dominanten PC-Plattform heraus. Auch wenn in der Liste der Mitarbeiter noch CD-i-Programmierer auftauchten.
Dabei handelt es sich um ein Detektivadventure in deutlich weniger albernem Ton als die zu der Zeit beliebten Tex-Murphy-Spiele. Was nicht heißen soll, dieses Spiel sei wirklich durchgehend ernst. Immerhin nimmt es sich ernst genug. Der Geist Raymond Chandlers schleicht sich auf jeden Fall gleich in der Eingangsszene mit durch die Bürotür, als ein Landei auf der Suche nach ihrem Bruder über die Schwelle tritt. Die kleine Schwester ist es nicht ganz, aber der verwickelte Plot voller Wendungen kommt dem schon gefährlich nahe.
Der Schreibstil lässt ebenfalls hoffen. Der Humor kommt staubtrocken rüber. „Ich wollte unbedingt ihren Bruder finden, um dieses Lächeln wiederzusehen.“, lautet der innere Monolog des Protagonisten, während die Kamera den Rücken der jungen Frau hinunterschwenkt. Sofort ist der Protagonist somit als einsamer Verlierer charakterisiert. Sogar noch mehr, da es sich nicht um die stereotypische Femme Fatale / Sexbombe handelt, sondern ihre Kleidung betont schlicht ist. Alles klar, durch eine Kombination verbaler und visueller Erzählung. Ja, nennt mich einfach gestrickt. „Meine Kamera. Die Leute fotografieren die schönen Momente des Lebens. Ich fotografiere die schlechten Momente der Leute.“ hat dagegen schon beinahe eine lyrische Qualität.
Puppen, Perlen und Pistolen kann dieses Niveau leider nicht ganz aufrecht erhalten. Die deutschen Sprecher klingen professionell, ihre Stimmen entwickeln aber keine individuellen Klangfarben oder -muster. So klingt schließlich alles irgendwie gleich. Egal in welcher Szene, welcher Situation. Emotionen kommen kaum rüber. Die Musik ist ebenfalls grundsätzlich nicht schlecht… bis man bemerkt, dass sie sich einfach immer und immer wieder wiederholt. Beides macht das Spiel nicht kaputt, aber der anfangs sehr positive Eindruck verfliegt halt.
Spielerisch schlägt das Spiel jedoch die typische Konkurrenz der Zeit locker. Dazu erfindet es nichts Neues, aber besinnt sich auf die Qualitäten, die das Krimigenre seit den frühen 1980er Jahren ausgemacht hatten. Mitte der 1990er hatten leider die verfluchten Rätselkisten so ziemlich alles übernommen. Die Spieler mussten sich mit überkomplexen mechanischen Türschlössern herumschlagen. Sie sollten Formen und Farben zuordnen, ohne dass es dafür wirkliche Anlässe im Plot gab. Puppen, Perlen und Pistolen ist andererseits ein richtiges Adventure, denn die Rätsel ergeben sich organisch aus der Handlung.
Beispiel gefällig? Ein größerer Abschnitt dreht sich darum, sich bei einem Wäschereibesitzer unberechtigt Kleidung zu erschleichen, die man als Verkleidungen verwenden kann. Aventurelogik³ (denn es sollte einfachere Wege geben, äquivalente Kleidung zu bekommen), aber die Lösung stellt sich trotzdem als ganz clever heraus. Erzählung und Gameplay sind schön aus einem Guss, da kommt Freude auf.
Erwähnenswert darüber hinaus ist, dass die Spielwelt nicht stillsteht und auf den Protagonisten wartet. Andere Personen handeln ebenfalls, was nicht nur in einem globalen Zeitlimit mündet. An zentralen Zeitpunkten sollte der Spieler einen gewissen Informationsstand erreicht haben, um überhaupt noch eine Chance zu haben. Das hat seine Vor- und Nachteile.
In der ersten Phase des Spiels ist der direkte Einfluss des Spielers auf die Vorkommnisse deutlich eingeschränkt. Man befragt Person um Person, was wiederum Spuren zu anderen Personen eröffnet und so weiter. Man durchsucht Räume. Trotzdem ist es ganz unterhaltsam und der Spieler wird gut bei den mechanischen Seiten unterstützt. Informationen werden automatisch im Notizbuch festgehalten und spielerisch klug mit der Kernaktivität, den Dialogen, verknüpft. Neue Fakten, Namen usw. eröffnen neue Dialogstränge. Untypisch für FMV-Spiele ist einiger Aufwand, individuelle Antworten abzufilmen, sichtbar.
Doch selbst wenn direkter Einfluss erstmal gering ist, so wirken sich die Handlungen des Spielers doch indirekt aus. Spielzustände für diverse Vorgehensweisen werden durchaus gut gemanagt. Auf Basis mehrerer Faktoren geschehen Ereignisse früher, später oder gar nicht. Was sich dann in Szenenvarianten widerspiegelt, die darauf angepasst sind, was der Spieler überhaupt weiß. Ein großer Produktionsaufwand, den die meisten Spiele des Genres nicht trieben.
Die Spielerfahrung beinhaltet dann natürlich viel Speichern und Laden. Oh, Mist, jetzt bin ich hierhingefahren, und bin zwar nicht gestorben, aber es war Zeitverschwendung. Also springen wir mal besser zurück. Offensichtlich ist selbst zu spielen nicht vergleichbar mit dem logischen „a folgt b“-Muster, das man in Videomitschnitten sieht, die natürlich alle von idealen Komplettlösungen Gebrauch machen.
Bei all den Ausführungen darf man natürlich niemals vergessen, dass es doch „nur“ ein kitschiges FMV-Spiel ist. Kann das überhaupt die Spielzeit wert sein? Ja, es suhlt sich in Clichés, aber es ist auch deutlich, dass alle Beteiligten genau wussten, was sie taten, und das auch gut machten. Philips' Geld stellte immerhin eine Produktionsqualität sicher, von denen einige Konkurrenten nur träumen konnten. Der Plot bietet all die heißgeliebten Punkte des Hard-Boiled-Genres. Wenn man die denn mag.
Man könnte sagen: TrotzFMV ist Puppen, Perlen und Pistolen ein echtes Spiel. Man verbringt die Spielzeit größtenteils wirklich mit spielen, nicht nur Zuschauen. Denkt man sich all die Videos weg und ersetzt sie mental mit Textdialogen, die Schauspieler mit gepixelten Sprites, bleibt ein vernünftiges Spiel. Global gesehen kein außergewöhnliches, keine Killerapplikation eines sich im Scheitern befindlichen Systems, aber immerhin bietet es im Rückblick mehr als was sich sonst so in der Nische tummelte.
FMV:
„Full Motion Video“, also der Einsatz von gefilmten Realszenen im Spiel. ↩︎