Bericht von Mr Creosote (03.10.2012) – Interpreter (Z-Code)
Im Textadventuregenre gibt es zahlreiche Clichés. Immer mal wieder kommen Spiele heraus, die diese Clichés dermaßen vereinnahmen, dass man es kaum glauben kann, dass das keine Realsatire sein soll. Sunday Afternoon ist ein solches Spiel. Es stolpert von einem Cliché ins nächste, und das mit einer Ernsthaftigkeit, die wirklich schwierig zu interpretieren ist. Zumindest bis es einmal kurz eine gewisse Selbstironie zeigt.
Was sind also diese Clichés, die Sunday Afternoon so ausführlich bedient? Zuerst ist da das „Flucht“-Genre zu nennen. Der Protagonist ist an einem Ort gefangen und Spielziel ist es, von hier zu entkommen. In diesem Fall befindet sich der junge Protagonist Hector in den Händen seiner Tante und seinem Onkel und soll die Predigt seines Onkels durchlesen, obwohl er viel lieber draußen in der Sonne spielen würde. Na ja. Normalerweise laufen solcherlei Spiele dann so ab, dass man mehr oder weniger clever die Umgebung so manipuliert, dass sich schließlich die rettende Tür öffnet und man so gewinnt. Was auch dieses Spiel genau beschreibt.
Nur versucht das Spiel immerhin die ersten physischen Manipulationen durch menschliche Interaktion zu ersetzen. Zumindest auf den ersten Blick. Nur, dass die menschlichen Charaktere, das ist das nächste Cliché, sich genau wie nicht-autonome, mechanische Objekte verhalten. Sie reagieren auf bestimmte Aktionen wiederholbar gleich. Diesbezüglich bricht das Spiel dann die sogenannte „vierte Wand“, indem es hierfür die Metaerklärung anbietet, dass das gesamte Geschehen nur eine Erzählung im Rückblick darstellt. Ob einem das viel bringt, hängt wohl vom Spieler ab, aber immerhin ein netter Versuch.
Spielerisch beinhaltet die Architektur jedoch auf jeden Fall einen großen Konstruktionsfehler: Die zur Flucht zu überwindenden Probleme werden einem in der falschen Reihenfolge vorgesetzt. Gleich das erste dreht sich rein darum, alle möglichen Konversationsmöglichkeiten auszuschöpfen (nachdem ein „aus dem Augenwinkel bemerktes Glitzern“, ein weiteres schreckliches Cliché, den Anlass hierzu gegeben hat), was sich leider sehr ermüdend und somit entnervend darstellt. Die beiden noch folgenden Rätsel sind da schon sinnvoller, aber auch nicht übermäßig einfallsreich.
Über das trivial „Flucht“-Thema hinaus versucht das Spiel implizit eine weitere Geschichte zu erzählen. Es möchte wohl etwas über die Unschuld und Naivität der Jugend sowie die Angewohnheit der älteren Generation, in den Erinnerungen eben jener Jugend zu schwelgen, aber in der Gegenwart durch die Konsequenzen dieser vergangenen Tage gefangen zu sein, aussagen. Eine unbeholfene Parallele soll mit dem dem Protagonisten noch bevorstehenden Leben, das ihn in die Schützengräben des 1. Weltkriegs führen wird, gezogen werden. Als Spieler diese Versatzstücke, die durch die nicht verstehenden Sinne des Protagonisten aufgenommen werden, zusammenzusetzen, sollte wohl die Hauptmotivation des Spiels ausmachen. Allerdings fügen sich die Puzzlestücke niemals zu einem interessanten Ganzen oder einer sinnvollen Aussage zusammen.
Und das war’s dann leider auch schon. Die Ansammlung kleiner spielerischer und erzähltechnischer Teilchen ergibt kein allzu lohnendes Gesamtbild. Die Anfangsszene ist allzu entmutigend und obwohl es danach durchaus besser wird, ist es andererseits auch dann schon sehr schnell vorbei. „Simpel“ und „kurz“ sind in diesem Fall jedoch vielleicht auch als positive Attribute zu verstehen, da sich das Spiel immerhin nicht zu viel vornimmt und so langweilig würde.