Von Atari kommt eine echte Novität, ein Zyklus von vier Cassetten unter dem Titel Swordquest. […] Die Suche nach dem Zauberschwert kann man nur schaffen, wenn man sich durch sämtliche vier Cassetten durcharbeitet. Das ist nicht einfach, aber spannend.
Tele Action 5/83
Über längere Abschnitte hindurch weiß man nicht so recht, was man tun bzw. wie man vorgehen muß, um schrittweise in den Besitz des zu suchenden Zauberschwertes zu gelangen. Man muß viel Zeit und vor allem Geduld mitbringen, denn die Spielanleitung geht über Andeutungen begreiflicherweise kaum hinaus. […] Wer das Ziel nach vielen Mühen erreicht hat, der wird vielleicht Geschmack gefunden haben, die Cassette Fireworld in den Abspielschacht einzulegen.
Helge Andersen, TeleMatch 7/83
Bericht von Mr Creosote (17.12.2022) – Atari 2600
Es sollte das Ereignis der Videospielewelt werden. Eine Reihe von vier Spielen, die von ebensovielen Wettbewerben in der echten Welt begleitet wurden. Zu jedem wurde ein Preis im Wert von $25000 ausgelobt. Die vier Gewinner sollten dann in einem großen Finale um den ultimativen Preis, dessen Wert mit sogar $50000 beziffert wurde, spielen. Und es waren nicht etwa irgendwelche Preise, sondern eigens angefertigte aus echtem Gold und Edelsteinen, passend zum Fantasythema der Serie, namens „Chalice of Light“ oder „Sword of Ultimate Sorcery“. Die Spielerschaft bestand zu der Zeit natürlich größtenteils aus Teenagern oder bestenfalls jungen Erwachsenen, so dass die Verlockung solcher Preise riesig gewesen sein muss.
Selbst mal den monetären Teil außen vor gelassen zeigte Swordquest (so der Name der Serie) alle Zeichen einer großen Produktion. Jedem Spiel lag ein kleinformatiges Comicheft bei, produziert von keinen geringeren als DC Comics, die einige ihrer größten Namen an das Projekt setzten.
Man muss sich in diesem Zusammenhang ins Gedächtnis zurückrufen, dass angesichts der technischen Beschränkungen, was das Atari 2600 im Spiel selbst zu leisten vermochte, viel der Fantasie der Spieler überlassen wurde. Man könnte sogar behaupten, der Großteil einiger Titel spielte sich nur im Kopf der Spieler ab, wenn einfache einfarbige Quader zu allem Möglichen werden konnten. Dies wurde durch die schön gestalteten Verpackungsillustrationen angeheizt. Ein Comicheft von immerhin 50 Seiten voller Action hob solcherlei Möglichkeiten mentaler Stimulation in ungekannte neue Sphären.
Der Comic erzählt die Geschichte von Zwillingen auf der Suche nach Rache für den Mord an ihren Eltern durch einen machthungrigen Tyrannen. Zu diesem Zweck müssen sie mehrere Welten bereisen, die erste davon Earthworld, um hilfreiche Artefakte zu erlangen. Im Prinzip ist es eine wilde, pausenlose Verfolgungsjagd. Geschrieben mit massenhaft unbeholfenen, unnötigen expositorischen Dialogen oder inneren Monologen. Inklusive unfreiwillig komischer Charakternamen wie „Tyrannus“, „Konjuro“ und „Mentorr“. Wie eben zu der Zeit üblich. Die klare Linienführung und die beeindruckend großen Illustrationen zentraler Begegnungen mit Kreaturen funktionieren bestens.
Gegenüber einem kritischen Blick tritt hier jedoch leider eine entscheidende Bruchstelle zu Tage. Das Earthworld des Comics handelt von den Treffen der Zwillinge mit mythologischen Kreaturen wie einem Mantikor, einer Harpyie, einem riesenhaften Krebs, einem seltsamen Schattendoppelgänger. Mit denen es zu Kämpfen kommt, aber anscheinend weniger aus echtem Antagonismus heraus, als vielmehr sportlichem Wettstreit, wie sich herausstellt.
Das Earthworld des Spiels andererseits besteht aus 12 vollkommen identischen Räumen (abgesehen von deren Färbung), die jeweils einem Sternzeichen verschrieben sind. Vier von ihnen beinhalten eine Actionsequenz, aber in keiner tauchen Wesen der Mythologie auf. Vielmehr handelt es sich um simple Timing-/Reaktionsspiele, wie es viel zu viele auf dem VCS gab. Im Comic findet sich dagegen kein Springen über bewegliche Plattformen, kein Rennen durch Laserbarrieren (?) usw. Da wurde ein riesiges Potential liegengelassen.
Neben den Actionszenen besteht das Spiel im Wesentlichen aus dem von Ataris Adventure Bekannten. Man muss Objekte finden und sammeln, um sie anderswo einzusetzen. Dadurch entlockt man dem Spiel Hinweise, die sich wiederum auf den Comic beziehen, in dem man dann versteckte Codewörter findet, die sich schließlich zu einem Lösungssatz für den Wettbewerb zusammensetzen lassen. Im Spieldesign sind allerdings auch dabei gleich zwei Dinge schiefgelaufen.
Erstens sollte man sich kurz dem eleganten Design aus Adventure besinnen. Dort interagierte der Spieler direkt auf dem Hauptspielbildschirm mit allem. Earthworld gelingt das nicht. Die Räume sind optisch vollkommen leer. Nicht einmal ihre Tierkreiszeichen sind irgendwie direkt sichtbar. Stattdessen werden diese erst auf einem zweiten, artifiziellen Bildschirm angezeigt, gemeinsam mit den dort vorhandenen, aber vorher unsichtbaren Objekten. Das funktioniert mechanisch problemlos, nimmt dem Spiel jedoch seine Unmittelbarkeit.
Zweitens hat der vorgesehene Einsatz der Objekte keinen Sinn und Verstand. Es folgt keinen logischen Regeln wie „über den Abgrund könnte ich doch meinen Enterhaken werfen“. Die Räume sind ja eh alle gleich, Abgründe gibt es also nichtmal. Nein, die Erwartung ist, dass man Objekte einfach nach Zufallsprinzip irgendwo hinwirft und dann das Prinzip Hoffnung anwendet. Das Spiel streut weiteres Salz in die Wunde, indem es mehrdimensional arbeitet. Soll heißen, ein Objekt ist nicht einfach einem Zielort zugeordnet, sondern man muss die richtigen Kombinationen von Objekten über mehrere Orte verteilt finden. Bei immerhin 15 Objekten und 12 Räumen kann man sich ausrechnen, wie viele mögliche Verteilungskombinationen es gibt.
Ohne den Wettbewerb im Rücken ist Earthworld somit leider kein sehr gutes Spiel. Das Suchen der richtigen Objektkombinationen ist unglaublich öde, da darin ja keine wirkliche Herausforderung liegt, die über das geduldige Ausprobieren aller Möglichkeiten hinaus geht. Die Actionsequenzen sind nicht stark genug, das Spiel anderweitig zu tragen. Stünden sie zumindest in Zusammenhang zu den Geschehnissen im Comic, hätte das Vieles verbessert, aber nein – die beiden wurden wohl ohne wirklichen Austausch unabhängig voneinander erstellt. Abgesehen von dem sehenswerten Titelbildschirm und der flüssigen, dreidimensionalen Übergangsanimation zwischen zwei Räumen, sieht das Spiel nicht einmal gut aus. Die versprochene Fantasyatmosphäre will sich nicht wirklich einstellen. Das Spiel ist eine Kuriosität von hohem historischem Interesse, aber beschränktem Spielwert.
Der Earthworld-Wettbewerb fand 1982 natürlich statt. Acht Teilnehmer wurden zu einem Live-Event mit einer schwierigkeitstechnisch heruntergeschraubten Version (die wahrscheinlich nicht mehr existiert) eingeladen. Ein 20-Jähriger gewann den „Talisman of Penultimate Truth“. Dem Vernehmen nach nahm er diesen auseinander und ließ den größten Teil einschmelzen, um das Material zu Geld zu machen. In unseren verrückten Zeiten überbordender Nostalgie würde der intakte Talisman wahrscheinlich ein Vielfaches seines Materialwertes einbringen. Aber wer konnte das damals schon ahnen?
Wie die Protagonisten des Comics wurden die Spieler daraufhin in die Fireworld geschickt, wo wieder ein Artefakt wartete, aber das ist dann eine andere Geschichte…