Urban Runner

Andere Titel:
Lost in Town
Firmen:
Coktel Vision / Sierra On-Line
Jahr:
1996
System:
PC (Windows)
Genre:
Adventure
Tags:
ScummVM / FMV / Krimi
Sprachen:
Englisch / Französisch / Deutsch
Mittlere Wertung:
4/5

Meinung damals

Viel Video und etwas weniger Spiel fürs Geld also, demnach ist Urban Runner ein multimediales Highlight für Cineasten mit Hang zum Film Noir.

Manfred Duy, PC Joker 8/96 

Diese Filme zum Mitspielen sind Geschmacksache. Wer sich an guter Videoqualität ergötzen wil, und sich nicht daran stört, inmitten seiner Aktion von Filmsequenzen unterbrochen zu werden, dem dürfte Urban Runner liegen. Mir mißfiel dieser ständige Wechsel, da man zu oft wegen irgendeiner Zwischenszene zum Zuschauen verdammt ist.

Monika Stoschek, PC Player 7/96 

Was anfangs nach einem höchst durchschnittlichen und eher passiven als interaktiven Filmchen aussieht, gewinnt leider erst nach einer für meinen Geschmack etwas übertriebenen Kino-Einlage an Gehalt, so daß der geneigte Thriller-Fan zu Beginn ein gerüttelt Maß Geduld aufbringen muß, um später dann doch noch überrascht ein Adventure im ursprünglichen Sinne vorzufinden. Nach dieser Weile jedoch beginnt die Sache richtig Spaß zu machen […] Kein Meilenstein, aber auf jeden Fall einen Blick wert…

Claudius Brunnecker, Power Play 8/96 

Bericht von Mr Creosote (03.05.2025) – PC (Windows)

Wie Coktel Vision derart lange auf dem Markt bestehen konnte, ist eigentlich ein Rätsel. War ihre Lernsoftware derart erfolgreich? Von jener abgesehen war die höchst frustrierende Gobliiins-Reihe noch positiven Kritikerstimmen am nächsten. Es muss aber wohl zahlende Kunden gegeben haben. Wie sonst hätten sie wiederholt große Produktionen wie eben diese anstoßen können?

Der anfängliche Handlanger der Bösen verschwindet nach dem ersten Akt, ist aber trotzdem der Coverboy des Spiels
Der anfängliche Handlanger der Bösen verschwindet nach dem ersten Akt, ist aber trotzdem der Coverboy des Spiels

Immerhin vier CDs umfasst das Adventure Urban Runner. Gefüllt sind die mit Videosequenzen von Darstellerinnen und Darstellern in echten Kulissen; zu einer Zeit, als die meisten Spiele komplett auf Bluescreen und computergerenderte Hintergründe setzten. Die Videos nehmen den Großteil des Bildschirms ein und die Auflösung ist ebenfalls in Ordnung. Sogar Actionszenen gibt es mit großer Regelmäßigkeit zu sehen, Leute laufen und rennen umher, geben einen Eindruck des Umfangs der Sets. Billig kann das nicht gewesen sein! Und, man sehe und staune, wer hätte es dieser Firma, die für mittelmäßige bis popelige Titel bekannt war, zugetraut, dem Genre eine Innovation zu verpassen, die gleich mehrere inhärente Konstruktionsprobleme solcher Spiele löst?

Das Schlüsselwort ist dabei Spiele. Zu jener Zeit kamen immer mehr Titel heraus, deren „Spieler“ immer längere „Zwischensequenzen“ zuschauen durften. Oder aber den Designern gefiel es, endlose Dialoge aufzunehmen. So oder so sank der Interaktionsanteil gegenüber rein passivem Zuschauen und Zuhören. Der Protagonist in Urban Runner erzählt seine Geschichte aus dem Off, im Stil eines Film Noir. Charaktere sind zwar zu sehen, handeln, aber Dialoge dauern beispielsweise gerade zehn Sekunden, während die Stimme des Protagonisten den Austausch knapp zusammenfasst. Rumms, die spielerisch tote Zeit ist auf ein Minimum reduziert! Was insbesondere angemessen ist, da ein Großteil des Spiels (die erste Hälfte komplett) aus einer großen Verfolgungsjagd besteht. Nicht zu vergessen umgeht es elegant die typischen Probleme der häufig eingesetzten Laiendarsteller sowie, insbesondere praktisch für eine französische Firma, deren Sprachkenntnisse. Es funktioniert derart gut, dass man sich fragt, warum nicht viel mehr narrative Spiele so erzählen.

Ein Coup, ein Sympathiebonus, der schwierig zu verspielen wäre, insbesondere für Spieler wie mich, denen endlose Dialogbäume tierisch auf den Geist gehen. Urban Runner umschifft alle denkbaren gefährlichen Untiefen, auch wenn es in den Details schon ein wenig hoch und runter geht auf der Qualitätsskala.

Die grundlegende Spielstruktur gleicht derjenigen, derer sich die Designer bereits in Fascination bedienten: Die Spieler werden durch kurze, in sich abgeschlossene Szenen geschickt, in denen jeweils ein paar simple Rätsel zu lösen sind, Aktionen in der richtigen Reihenfolge durchgeführt werden müssen. Der Suchraum ist begrenzt, das Inventar wird immer wieder automatisch geleert. Die Hauptgefahr entsteht somit in den Zeitbegrenzungen. Ein Killer verfolgt einen. Beweismittel müssen versteckt werden, bevor der Inspektor kommt. Ein Wachmann durchstreift die Gänge des Bürogebäudes, zu dem man sich illegal Zutritt verschafft hat.

Auch diesbezüglich ist das Design gar nicht mal so schlecht. Eine kleine Bild-im-Bild-Einblendung verrät von Zeit zu Zeit, wo sich der Gegenspieler befindet. Was sowohl einen praktisch verwertbaren Hinweis gibt, wann und wohin man sich verziehen sollte, als auch den gefühlten Zeitdruck aufrechterhält. Geht etwas schief, dann bietet das Spiel fair an, die Szene einfach neuzustarten, was Einiges an Frust vermeidet.

Doch natürlich handelt es sich um ein Adventure. Rätsel entstehen also dadurch, dass manchmal seltsame Dinge geschehen. Gleich eingangs ein großer Klopper: Der Protagonist lässt seinen Verfolger in eine Falle laufen, die man bestenfalls als Pfadfinderniveau bezeichnen kann. Der Bösewicht ist ohnmächtig, also Gelegenheit, ihn zu durchsuchen. Und was nimmt man an sich? Vielleicht die Pistole oder den Schlüssel der Tür, die in Richtung Freiheit führt? Nein, natürlich die Nagelfeile, mit der man dann einen Stein an einer Wand herauslöst, dahinter einen Hebel entdeckt und damit dann einen Geheimgang ins Ungewisse öffnet, wo die Jagd dann weitergehen kann, sobald der Killer wieder aufwacht!

Doch die schnelle Szenenabfolge, die permanente Vorwärtsbewegung lassen derlei erzählerische Lücken wenig schlimm erscheinen. Ebenso, dass der Handlungsfortschritt gar nicht durch den Spieler erzielt wird, sondern es eigentlich immer erst in den kurzen Filmübergängen weitergeht. Oder aber die Pseudowahlmöglichkeit, ob man die Szene des ursprünglichen Protagonisten oder die der jungen Frau, die er in einer geradezu absurden Szene zur Mitte hin verführt – letztlich muss man ohnehin beide lösen.

Ja, Urban Runner hätte besser sein können. Viel besser. Doch immerhin ist es ein Spiel, das derlei Diskussionen, derlei Überlegungen wert ist. Das Fundament ist vorhanden und sehr solide. Endlich hat mal jemand erfrischend abseits ausgetretener Pfade gedacht. Die Rätsel sind sogar auf einem für diese Firma bislang ungekannten Niveau. Meist einfallslos, ja, aber weit entfernt von den Absurditäten, die man sonst von ihnen gewohnt war. Was das Spieldesign angeht, mag es ist bestes sein, selbst wenn ihm der Kultfaktor eines Inca abgeht. Nur schade, dass ausgerechnet als sie dieses Qualitätsniveau erreicht haben, ihre Geschichte endet. Das Spiel brachte nicht einmal ansatzweise seine Produktionskosten wieder rein und das Studio wurde auf Lernsoftware reduziert.

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