Icewind Dale
für PC (Windows)

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Herr M.:Besucherwertung:
5/6
Firma: Black Isle Studios/ Interplay
Jahr: 2000
Genre: Rollenspiel
Thema: Kämpfen / Multiplayer / Schwerter & Magie
Sprache: English, Deutsch, Français
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 24476
Rezension von Herr M. (28.12.2014)
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Zum Gruße, Reisender! Komm näher ans Feuer und wärme dir ein wenig die durchgefrorenen Knochen, ehe du deine Reise durch diese eisigen Ebenen fortsetzt. Lass dir eine Geschichte erzählen, während wir darauf warten, dass sich die Wolken lichten. Eine Geschichte von einem goldenen Zeitalter des Rollenspiels…

Weißt du, es gab da ein Spiel namens Dungeons&Dragons, das für vieler der Inbegriff des Rollenspielens mit Bleistift und Papier war. Keine Sorge, wenn dir das alles jetzt nicht allzuviel sagt, für's erste brauchst du eigentlich nur zu wissen, dass dies eine sehr nerdige, doch irgendwie auch wundersam faszinierende, Art und Weise ist mit einer Handvoll Freunden ein paar Stunden Zeit totzuschlagen, während man vorgibt, d.h. man stellt sich vor, durch eine der namensgebenden Konstruktionen zu schleichen, auf der Suche nach dem Hort der erwähnten Echsen.

Wie auch immer, rund um die Jahrtausendwende war das ziemlich angesagt. Nun, vielleicht im Vergleich zu anderen Spielen auch wieder nicht so arg angesagt, aber auf alle Fälle angesagter als heutzutage. Es gab hunderte Bücher voller Regeln und Hintergrundgeschichten. Ein paar davon waren sogar bei Leuten beliebt, die das Spiel gar nicht spielten, wie die Geschichten rund um einen gewissen Dunkelelfen namens Drizzt. Oh Mann, es gab da sogar einen Film… der gar in die Kinos gekommen ist! Heutzutage denkt fast jeder bei der magischen Buchstabenkombination RPG an Dinge wie Warcraft, damals wurde aber ein Großteil dieser Computerspiele auf die eine oder andere Art und Weise von dem eben erwähnten Papierding inspiriert.

Dasjenige Spiel, über das ich dir gleich eine Menge hochinteressanter Sachen erzählen werde, ist eines von denen, die der großen Vorlage so nahe wie nur möglich gekommen ist, weil es nicht nur von deren Schöpfern das offizielle D&D Siegel erhalten hat, sondern weil es außerdem eines der beliebtesten Szenarios verwendet hat, nämlich die Vergessenen Reiche. Viele meinen, dass es den Höhepunkt einer (einst) ungebrochenen Reihe von solchen Spielen ausmachte. Spiele wie die alte Gold Box Serie, Eye of the Beholder, Ravenloft, Neverwinter Nights und ein paar andere mehr. Manche gehen noch einen Schritt weiter und sagen es sei Teil einer Dreifaltigkeit gewesen (diese religiösen Untertöne sagen ja schon einiges darüber aus, wie die Fans über diese Art der Unterhalten so denken).

Diese drei verwendeten alle die selbe Engine, sodass sich ihr Aussehen glich und sie sich auch irgendwie recht ähnlich spielten, wobei es dann doch ein paar Design-Entscheidungen gab, die zu recht krassen Unterschieden führten. Am offensichtlichsten war da sicher wie viel Wert sie auf die Gestaltung der Welt und der darin vorkommenden Charaktere legten, im Vergleich zur Inszenierung möglichst fordernder Kämpfe gegen Horden von Monstern. Am einem Ende der Skala hatten wir da Planescape: Torment, das sich fast ausschließlich um den eigenen Charakter, und wie er seine Umwelt beeinflusste, drehte, auf der anderen Seite war Icewind Dale, dessen Geschichte sich fast ausschließlich auf das Verknüpfen der Kampfhandlungen beschränkte. Der dritte im Bunde, Baldur's Gate, lag irgendwo dazwischen.

Alle drei gingen ganz unterschiedlich an die Erschaffung der Charaktere heran, insbesondere wurde nur bei Icewinde Dale erwartet, dass man gleich mehrere davon erstellt. Es lag am Spieler selbst gleich bis zu sechs heldenhafte Karrieren zu starten. Wer wollte konnte auch weniger nehmen, was soviel bedeutete, dass man es zu Beginn ein wenig schwieriger hatte. Später glich sich das ganze dann aber, dadurch dass die einzelnen Figuren viel mehr Erfahrung erhielten und höhere Stufen erreichten, wieder ganz gut aus.

Aber ich greife ein wenig zu weit vor, bleiben wir vorerst noch bei der Charaktererstellung. Man konnte nämlich nicht nur deren Anzahl bestimmen, sondern durfte auch aussuchen welche Art von Helden man haben wollte. Wie wäre es etwa mit dem geradezu klischeehaften Pfeile schleudernden Elfen? Oder dem Bier gurgelnden Zwergenberserker? Inzwischen sollte jeder wissen, dass Halblinge recht gute Diebe abgeben, oder? Und natürlich sollte man niemals ohne Zauberer aufbrechen! Insgesamt konnte man aus sechs Rassen und acht Klassen wählen, was zu einer ganz schönen Menge an Kombinationsmöglichkeiten führte. Insbesondere, da man die Klassen teils untereinander kombinieren konnte, es also Charaktere gab, die Fähigkeiten von mehr als einer Profession lernen konnten.

Um sie abzurunden konnte man jeder Schöpfung auch noch ein ordentliches Aussehen und eine eigene Stimme verleihen. Und ordentlich ist nicht mal so arg übertrieben: Die Portraits hatten durchaus einen gewissen künstlerischen Reiz. Die Stimmen etwas weniger, aber immerhin gab es genug Auswahl dabei, dass man keine Probleme damit hatte für jeden eine auszusuchen, die ihn/sie aus der Menge hervorstechen ließ. Was unheimlich Spaß machte war, der Gruppe ein bestimmtes Thema vorzugeben, wie etwa nur Frauen, nur Barden, INT<3; STR>18, Hr. Finster und seine bösartigen HandlangerInnen oder auch die Saubermänner der heiligsten Rechtschaffenheit.

Nun, inzwischen wirst du es wohl schon erahnen: Was das Darstellen einer Rolle anbelangt musste man da einiges selbst in die Hand nehmen, denn bei den vielen Möglichkeiten konnte die Geschichte wohl nur schwer auf alle möglichen Figuren eingehen. Freilich gab es ein paar Orte und Personen, die auf bestimmte Typen mit besonderen Antworten reagierten, aber letzten Endes führte das dann nur zu ein paar kleinen Stimmungstexten und geringfügigen Belohnungen in Form von Erfahrungspunkten. Man konnte sich noch so sehr anstrengen, letzten Endes stand man dann doch immer vor dem selben Endgegner und bekam dann immer die selben Endszene zu sehen.

Wo wir schon dabei sind: Die Filmchen, samt der Geschichte die sie zu erzählen versuchten, waren eigentlich recht gut gemacht. Letztlich mag die Handlung ein wenig austauschbar bzw. beliebig gewirkt haben, aber irgendwie war das wohl auch genau das was man mit dem Spiel erreichen wollte: Einen guten alten Dungeon Crawl mit all seinen Klischees und Konventionen. Das reichte von den Gegnern Nummer Eins, den Orks und Goblins, über das Retten gleich mehrerer Dörfer, indem man Horden namenloser Gegner abschlachtet, und dem Plündern von massenweise Schatztruhen, um dann so viel magische Dingsbumse zu tragen, dass man ein wenig den Überblick verloren hat welches davon nun was macht.

So, man hatte also seine Truppe zusammengewürfelt, das Ziel war buchstäblich(!) das „große Böse“ zu suchen, dass die Ländereien bedrohte… wie sollte man das nun angehen? Lustigerweise hatte die Vorgehensweise, mit der man sich daran machte der Monstermeute den Gar auszumachen, viel mit einen etwas anderen Genre gemeinsam: Den Echtzeitstrategiespielen. Da man in diesem Spiel um einiges mehr zu Kämpfen hatte als in den anderen beiden, wurde das hier noch um einiges deutlicher. Man hatte seine sechs „Einheiten“, die man entweder einzeln oder zusammen herumscheuchen konnte, indem man einen der Befehle aus der Leiste am unteren Bildschirmrand aussuchte. Jede Klasse hatte dabei einen eigenen Satz an Fähigkeiten. Ein Dieb bekam Heimlichkeit und Schurkereien, Magier und Priester erhielten ein Icon zum Zaubern und die Kriegerischeren Gesellen hatten viel Platz für Waffen und solches Zeugs. Alles in allem war das schon recht praktisch aufgebaut, und sobald man es mal halbwegs verinnerlicht hatte, musste man auch nicht mehr allzu viel Gedanken für die Handhabung der Kräfte und Fähigkeiten der Gruppe verschwenden. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Ereigniskette ohnehin selten komplizierter wurde, als die richtige Aufstellung zu finden und dann auszusuchen welche Gegner man angreifen wollte bzw. wo der nächste Feuerball einschlagen sollte.

Letzteres sorgte dafür auch für einiges an Abwechslung, da man mit seinem Arsenal an Zaubersprüchen und Schriftrollen (ich schätze mal es werden weit über 100 unterschiedliche Effekte gewesen sein) einige Interessante Dinge anstellen konnte. Wie beispielsweise seine Gegner lähmen, Kontrolle über ihren Körper und Geist erlangen, sie sofort töten oder erst noch rösten/einfrieren/verätzen, Kreaturen beschwören, die das für einen machen, sich selbst heilen, die Kameraden ein wenig aufputschen, wegteleportieren, Leute unsichtbar machen, sich selbst gegen dies oder das immun machen, die Bewegungsrate verdoppeln, all die schicken magischen Artefakte identifizieren, Leute erblinden lassen… die Liste ließe sich wohl endlos fortsetzen und das schönste daran war, dass jede Zauberschule auch ihr eigenes Flair hatte, das heißt, bei jeder von ihnen kam eine andere Taktik zum Tragen und sie waren untereinander auch ganz gut ausgewogen. Man konnte das Spiel zwar sicher auch ohne den Einsatz von Magie durchspielen, aber dabei ließ man einiges an Potential ungenutzt.

Was die nichtmagischen Angriffsmöglichkeiten anbelangt, kann man wohl mit Sicherheit behaupten, dass Fernkampfwaffen ihren Nahkampf-Äquivalenten ein wenig überlegen waren, zumindest am Anfang. Das liegt nicht nur einfach auf der Hand, weil man seine Gegner ja möglichst auf Distanz halten will, sondern die Angriffsboni waren außerdem ein wenig höher und ihr Schaden war oft auch besser. Wie ich oben schon erwähnt habe spielte sich das Ganze ja sehr wie ein RTS, und bei denen ist Reichweite ja auch von erheblicher Bedeutung, wenn es darum geht gegnerische Ziele anzugreifen. Zusätzlich konnte man ein paar sehr dreckige Tricks anwenden, indem man den Monstern mit unsichtbaren Gruppenmitgliedern den Weg versperrte, um dann die hirnlose KI aus sicherer Entfernung unter Beschuss zu nehmen, da sie zu blöd war etwas anderes zu tun als in gerader Linie auf einem zuzuhalten und hängen zu bleiben.

Mehr will ich aber über solche Schummeleien nicht verraten, da diese, oder zumindest eine Taktik die die eigenen Gesundheitsverluste minimiert und den Schaden maximiert, herauszufinden sehr viel von dem Spaß ausmacht, den man mit Icewind Dale haben kann. Denn so schlicht die Präsentation auch ausgesehen haben mag, es verbarg sich ein unheimlich komplexer Mechanismus hinter dieser Fassade, den man für einiges an geistig anregenden Tüfteleien (miss)brauchen konnte.

Was die eben erwähnte Fassade anbelangt, so sei hier einmal versichert, dass die eigentlich auch zu den Stärken des Spiels gehörte: Das Aussehen, die Klänge, kurzum die Atmosphäre waren perfekt. Es zog sich, wie der Name ja schon andeutete, ein sehr eisiges Thema durch das Ganze, was ihm aber auch eine eigentümlich ruhige Stimmung verlieh. Alles wirkte wie im Winterschlaf, schien darauf zu warteten, dass der längst überfällige Frühling die Gemüter wieder ein wenig aufheizte. Nun, alles außer den lästigen Kreaturen, die sich weder von Regen, noch von Sturm oder Schnee und schon gar nicht von Eis davon abhalten ließen ihren zugewiesenen Wachposten zu verlassen… nur Klingen und Zaubersprüche mochten da für ein wenig Abhilfe sorgen. Bei all dem Schnee und frischen Brisen überkam mich stets ein sehr heimeliges Gefühl, als ich mit einer schönen warmen Tasse Tee in meiner guten Stube saß und meinen wackeren Gesellen dabei zusah, wie sie sich ihren Weg durch Berge aus Eis, Gold und Leichen bahnten. Die sonore Musik und das Knirschen der Schritte taten ihr übriges diesen Eindruck noch zu verstärken. Es fällt mir ein wenig schwer es mit einfachen Worten zu schildern, aber jemand hatte hier hervorragende Arbeit dabei geleistet die Essenz einer winterlichen Stimmung einzufangen.

Hmm, was bleibt mir noch zu erzählen? Habe ich den Mehrspielermodus schon erwähnt? Das viele Kämpfen und die Tatsache, dass man eine Gruppe spielte, passten ganz gut dazu sich mit ein paar menschlichen Spielern zusammen zu tun. Es brachte auch ein wenig Lebendigkeit in das Spiel, da die meisten Dialoge mit den Nichtspielercharakteren (so gut, wenn auch einseitig, sie auch waren) eher zum Standardrepertoire gehörten. Am lustigsten wurde es, wenn es darum ging die Beute aufzuteilen, was ganz leicht zu Streit führen konnte, oder die Kampftaktik in wirklich schweren Gefechten aufeinander abzustimmen. Ach, irgendwie fühlte sich das schon sehr stark nach der Papierversion an, die diese Art von Computerspielen hervorgebracht hatte.

Meiner Ansicht nach lag das bestimmt daran, dass man sich bemüht hatte sich so nahe wie möglich an diese Quelle der Inspiration zu halten. Was das Nachahmen der tatsächlichen Gruppendynamik einer solchen Rollenspielrunde anbelangt, war dieses Spiel hier um einiges authentischer als das sehr romanhafte Planescape: Torment oder das fast filmhafte Baldur’s Gate. Je nach Geschmack kann man das nun als Nach- oder Vorteil erachten, so oder so ist es aber großartig, dass sich die drei so sehr voneinander unterschieden haben, da das für ein wenig Abwechslung sorgte. Von allen dreien hat Icewind Dale wahrscheinlich den höchsten Wiederbespielbarkeitswert, weil es wenig Gewicht auf die Geschichte, als viel mehr die Figuren die man dafür erstellt legt. Und wie bereits erwähnt kann man da sehr viele verschiedene Ansätze ausprobieren.

Na, wer sagt's denn, die Sonne kommt endlich ein wenig hervor! Ich hoffe mal, dass ich dich mit diesen Geschichten aus längst vergangenen Tagen nicht zu Tode gelangweilt habe. Aber wer weiß, vielleicht bist du ja gerade auf dem Weg ins Icewind Dale oder kommst gar von dort? Was hast du so zu erzählen?

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