Machinarium
für PC

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Mr Creosote:Besucherwertung:
4/6
Firma: Amanita Design
Jahr: 2009
Genre: Denkspiel, Adventure
Thema: Humor / Science Fiction
Sprache: -
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 14789
Rezension von Mr Creosote (02.05.2015)
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Wer hätte geglaubt, dass ausgerechnet Curse of Enchantia eines der großen Vorbilder für die Zukunft des Adventuregenres werden würde? Vielleicht war das generelle Konzept ja auch gar nicht ganz so schrecklich, sondern es lag vielmehr an der Umsetzung dieses älteren Spiels? Oder haben sich die Geschmäcker vielleicht mit der Zeit gewandelt? Wenn man sich etwas genauer erinnert, mag es noch nicht einmal eine ganz so große Überraschung sein. Der kurzlebige Trend, Rätsel direkt in die Erzählung einzubauen, d.h. sie organisch aus der Welt und dem Fortschritt des Plots entstehen zu lassen, war bereits durch den riesigen Erfolg Mysts in den Boden gestampft worden. Eine Formel, umfangreiche Plots mit sinnvollen Spielelementen zu kombinieren, war genausowenig wirklich gefunden worden; stattdessen ärgerte man sich über lächerliche „Interaktive Filme“. Also zu schamlosen Aneinanderreihungen von Rätseln, die motivationstechnisch nur halbwegs bemäntelt werden und in nur halbwegs glaubwürdigen Welten stattfinden, zurückzukehren, mag der logische Schritt gewesen sein.

Bezüglich der erwähnten Motivation tut Machinarium praktisch nichts. Ein niedlicher kleiner Roboter, der Protagonist, wird auf einem Schrottplatz abgeladen. Warum? Ebenso unklar, wie das Spielziel. Hat man ein wenig herumprobiert, den ersten Abgrund überwunden und somit den Anfangsbildschirm verlassen, schreitet er automatisch wieder in die Richtung der Stadt, aus der er gerade herausgeschmissen wurde. Spieler, die in einem Plot intrinsische Motivation für ihre Charaktere suchen, können an dieser Stelle dann auch direkt aussteigen. Denn was folgt, ist letztlich nur eine Reihe verschlossener Türen: Pro Bildschirm gibt es exakt einen Ausgang, den man halt öffnen muss. Einfach, weil kein anderer Weg existiert. Genauso, wie man in diesem Spiel auch mit sonstiger Technik herumspielt, weil sie eben da ist. Und warum auch nicht? Schließlich haben wir das Spiel ja auch freiwillig gestartet.

Beim konkreten Thema des Herumexperimentieren mit technischen Dingen sieht es allerdings schon etwas sperriger aus. Dass das Spiel in einer Roboterstadt spielt, erklärt beinahe so einige typische Adventurekrankheiten, wie beispielsweise, dass ein Wächter sich austricksen lässt, obwohl er die zwanzig vorigen (erfolglosen) Versuche soeben miterlebt hat (Maschinen treffen nun mal deterministische Entscheidungen). Doch dies ist leider auch schon die einzige einigermaßen witzige Facette daran. Regelrecht faul wirkt dagegen die Art der Rätsel selbst. Nur äußerst wenige ergeben sich wirklich aus der Umgebung oder der Welt an sich, und die wenigen, die das tun, beschränken sich auf das Beschaffen und Tauschen explizit genannter Gegenstände mit anderen Personen (Gähn…), so dass diese einen Weg freigeben (auch eine Art verschlossener Tür…).

Die große Masse der Rätsel machen vollkommen künstliche Logikaufgaben aus. Schiebepuzzles, Zahlenspiele, Knobelaufgaben, Gedächtnisspielchen, Labyrinthe usw. Deren Komplexität bewegt sich von ultra-simpel bis recht kompliziert, aber originell ist praktisch nichts. Üblicherweise finden sie in reingezoomten, optisch isolierten Bildschirmen statt, d.h. außerhalb der eigentlichen Spielwelt. Klar, bemäntelt als Türschlösser usw., aber trotzdem wird man für jedes aus der Spielwelt gerissen.

Dauernd zum Zweck dieser Selbstzweck-Minirätsel aus der Welt genommen zu werden, ist noch nicht einmal das Frustrierendste daran. Man kann es wirklich nur Faulheit nennen, dass sich die Entwickler entschlossen haben, die Anzahl der klickbaren Hotspots pro Bildschirm auf das regelrecht peinliche Minimum zu beschränken. Was nicht durch das unbeholfene Interface, das darauf besteht, nur Objekte in Greifweite des Protagonisten überhaupt klickbar zu machen, besser wird. Welch eine unglaubliche Verschwendung offensichtlichen Potentials witziger Animationen, die den Spieler beim Ausprobieren hätten unterhalten können! Dass die Animationsqualität so hervorragend ist, macht dies doppelt schmerzhaft.

Das ist insbesondere deshalb schade, weil die Spielwelt an sich schon einen starken Reiz hat. Die hinreißend gezeichneten Hintergründe und die liebevollen Animationen der Charaktere sind wirklich sehenswert! Lange, langweilige Dialoge werden vermieden, sondern Konversationen generell auf das absolute Minimum beschränkt – und selbst dieses findet dann per symbolischer Zeichnungen statt.

Der gleiche Stil wird benutzt, kleine, witzige Erinnerungsfetzen des Protagonisten dem Spieler zu vermitteln. Dadurch bekommt man schlaglichtartig Informationen über sein Alter Ego und seine Freundin, die man wohl finden soll, vermittelt – endlich mal ein wirklich innovatives Konzept asynchroner Erzähltechnik als Ersatz für die allzu übersättigenden Zwischensequenzen.

Das hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Es war den Designers nicht möglich, vorauszusehen, zu welchen genauen Zeitpunkt diese Erinnerungen zu abgespult werden würden. Eine perfekt getimte Zwischensequenz kann einen großen Einfluss auf den Spieler haben, indem sie ihm zur genau richtigen Zeit bestimmte Informationen vermittelt. Doch nimmt auch dies den Spieler jedes Mal aus dem Spiel heraus, und es geschieht allzu häufig im genau falschen Moment. Mit dieser Technik, die Schnippsel immer dann abzuspielen, wenn der Spieler gerade länger untätig ist, wird die Hintergrundgeschichte nicht nur optional, sondern die Häppchen werden immer dann eingesetzt, wenn ein Motivationsnachschub nötig sein könnte und wenn der Aktivitätsdrang des Spielers augenscheinlich nicht so riesig ist.

Und das sind die zwei Seiten Machinariums. Es gelingt ihm Vieles, insbesondere verschiedene Zielgruppen wie heutige „Casual“-Spieler, aber auch ältere Spieler durch die Einbindung einiger Klassiker wie Atari Adventure und Space Invaders anzusprechen. Doch gleichzeitig zeigt es Schwächen, die man bereits vor Jahrzehnten hoffte, hinter sich gelassen zu haben. Man denke da an die Animationsflut eines Sam & Max. Oder an Loom, das eine ähnlich abstrakte zentrale Rätselmechanik viel logischer einzubinden verstand.

Aber immerhin sind es dann tatsächlich jene hervorragenden Klassiker, die die richtigen Vergleichsmaßstäbe für Machinarium liefern. Vergesst Curse of Enchantia. Das war wirklich nur der gammelige Außenseiter im Grenzbereich zwischen Adventures und Denkspielen. Es ist traurig, dass einige seiner Facetten die Zeit überdauert haben, insbesondere das einfallslose Rätseldesign. Doch was praktisch den gesamten Rest angeht, verschwinden die Ähnlichkeiten je länger man darüber nachdenkt. Was Machinarium also zeigt, ist, dass einige jener Neuerungen (wie beispielsweise das symbolische Dialogsystem) gar nicht mal so schlecht waren – wenn man sie in einem vernünftigen Spiel zum Einsatz bringt.

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