The Citadel of Chaos
für C64
Auch verfügbar für: Gamebook

Mr Creosote:
Firma: Puffin Books
Jahr: 1984
Genre: Rollenspiel, Adventure
Thema: Umsetzung eines anderen Mediums / Schwerter & Magie / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 12273
Rezension von Mr Creosote (21.10.2015)
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The Warlock of Firetop Mountain wurde trotz guter Spielbarkeit dafür kritisiert, sich stilistisch zu weit von der Buchvorlage entfernt zu haben. Die zweite Computerumsetzung der Spielbuchreihe, Die Zitadelle des Zauberers schwingt nun in das gegenteilige Extrem: Man könnte kaum näher am Original dran sein.

Was soviel bedeutet wie: Sämtliche Einschätzungen des Buches, des Plots, der Originalität der Kreaturen, der Handlungsfreiheit und der Qualität der Texte sind meinerseits bereits in der dortigen Besprechung geschehen und für dieses Spiel gleichermaßen anwendbar. Die Aufgabe, dem bösen Magier Balthus Dire das Handwerk zu legen, wird auf praktisch identische Weise angegangen. Der gesamte Originaltext ist vorhanden und man bekommt die gleichen Auswahlmöglichkeiten. Außer, wenn es dann doch abweicht. In dieser Rezension soll es deshalb primär um die rein spielmechanischen Unterschiede und die Bewertung dieser gehen.

Die durchnummerierten Wahlmöglichkeiten nach jedem Textabschnitt können direkt per Zahlentaste ausgewählt werden – einfacher geht's nicht. Gleich eingangs drängt sich jedoch ein anderes Ärgernis auf: Der Text erscheint sukzessive nur sehr langsam auf dem Bildschirm. Längere Abschnitte, wie gleich der Einstieg, können auch mal ohne Übertreibung mehrere Minuten benötigen, bevor sie durch sind! Auf schnellen Text umzustellen erweist sich auch als zweischneidiges Schwert, denn in dieser gibt es keine Wartepunkte, wenn der Bildschirm voll ist; man geht das Risiko ein, nicht hinterherzukommen, so dass nicht gelesene Teile bereits wieder aus dem Sichtfeld geschoben werden. Also eine inhärent problematische Textanzeige in einem Spiel, in dem es primär um das Lesen von Texten geht. Der erste Eindruck ist leider nicht positiv.

Davon abgesehen steckt wie üblich der Teufel im Detail. Erstens spielt Magie im Buch eine große Rolle. Anders als im Buch schlägt dieses Computerspiel keine expliziten Zaubersprüche pro Situation vor; es gibt einem nur die Option, überhaupt Magie zu benutzen. Der Spieler muss dann frei selbst auswählen zwischen den verfügbaren, was die Wahrscheinlichkeit, den falschen zu wählen, immens erhöht. Meist gibt das Spiel dabei nicht einmal einen Grund an, warum etwas nicht funktioniert – es war eben einfach nicht im Buch vorgesehen und darf damit auch nicht auf dem C64 klappen.

Ähnlich nervig geht es manchmal mit den Gegenständen. Wenn das Spiel einen auffordert, einen Gegenstand aus dem Inventar zu benutzen, wird die Liste der Wahlmöglichkeiten manchmal nach den tatsächlich mitgeführten vorgefiltert. Manchmal aber auch nicht, so dass man (wie im Buch) ein Objekt wählen kann, das man gar nicht besitzt, was das Computerspiel jedoch nicht sonderlich elegant handhabt: Es passiert einfach überhaupt nichts (nicht mal eine Fehlermeldung).

Drittens gibt es Anzeichen, dass das Computerspiel auf Basis einer Vorversion des Buches entstanden sein könnte. In mindestens einem Fall gibt es eine zusätzliche Wahlmöglichkeit. Schlimmer ist jedoch, dass einige Gegenstände und Optionen nicht dort auftauchen, wo sie eigentlich sollten (und auch nirgendwo anders). Dadurch wird das Spiel zwar nicht unlösbar, aber der verbliebene Lösungspfad ist lange nicht so interessant wie der aus dem Buch bekannte. Vielleicht sind es auch einfach nur scheunentorenhafte Bugs.

Abgesehen von rein mechanischen und technischen Aspekten stellt sich bei einer solchen Umsetzung natürlich auch die Sinnfrage. Der Hexenmeister war spielmechanisch weit weg von der Vorlage, aber die Atmosphäre, durch einen Labyrinth voller Monster zu stapfen und Schätze zu finden war schon recht adäquat. Der Zitadelle fehlt trotz ihres Versuchs, sich möglichst exakt an die Vorlage zu halten, die vielleicht wichtigste Funktion, die das Buch wirklich abenteuerlich macht: das Schummeln.

Beim Spielen eines solchen Buches hat man immer mehrere Finger an strategischen Stellen, die man bereits besucht hat, an denen man sich aber nicht der richtigen Entscheidung sicher war. So kann man zurückspringen zu einem früheren „Spielstand“. Ja, das macht jeder – es ist ein inhärenter Teil des Spaßes!

Auch ansonsten schwächelt die Atmosphäre. Die simplen Computergrafiken der Entstehungszeit können natürlich keinesfalls mit den detailreichen Illustrationen der Bücher mithalten. Einige Darstellungen der Kreaturen, die eigentlich furchteinflößend sein sollten, sehen leider nur albern oder sogar niedlich aus. Ebenso kann es recht langweilig werden, dem Computer beim vollautomatischen Auswürfeln von Kämpfen zuzusehen, da man sich nicht eingebunden fühlt. Und so weiter und so fort.

Letztendlich ist ohne weitere Kommentare zur Fehlerhaftigkeit und einigen zweifelhaften technischen Entscheidungen bezüglich der Textdarstellung das Damoklesschwert eines solchen Spiels die sich geradezu aufdrängende Sinnfrage: Was ist der Vorteil dieser Version gegenüber dem Buch? Heutzutage könnte man argumentieren, dass man seinen virtuellen C64 ja ohnehin immer in der Hosentasche hat. Doch dann könnte man genausogut das Buch als PDF auf dem gleichen Telefon (oder was auch immer) dabeihaben. Das große Problem dieses Spiels ist tatsächlich seine schwunglose Art. Es gibt nichts, was es positiv gegenüber der Vorlage auszeichnet. Man könnte sogar behaupten, es klebt zu sehr an dieser. Man hat sich keine Gedanken über die inhärenten Unterschiede zwischen den Medien und daraus resultierende sinnvolle Änderungen gemacht. Aber wer wirklich denkt, unbedingt eine zeitgemäße Computerumsetzung des Buches zu brauchen… na ja, es könnte schlimmer sein…

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