Color the Truth
für Interpreter (Glulx)

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Mr Creosote:
Firma: Brian Rushton
Jahr: 2016
Genre: Adventure
Thema: Krimi / Polizei & Verbrecher / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 9251
Rezension von Mr Creosote (04.11.2016)
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Rosalita wird erpresst, da sie Geld von ihrer eigenen wohltätigen Organisation unterschlagen hat. Zwei Tage später wird die alternde Eigentümerin eines Radiosenders und Moderatorin in ihrem Büro ermordet. Ihre Sekretärin war Zeugin: Der Mörder ist ein sehr wahrscheinlich verkleideter, unrasierter Mann. Der Tatort wurde bereits untersucht und nun ist es am Spieler, die vier Hauptverdächtigen zu vernehmen – die Nutznießer laut Testament, d.h. ihre Schwester (ein selbstverliebter Möchtegern-Showstar), ihr Ex-Ehemann (zu allem Überfluss auch ein Ex-Kollege, der zur Konkurrenz gewechselt ist), ihr Geschäftsparner und eben jene Sekretärin.

Erstmal mag man sich fragen, warum das Spiel mit einem Prolog aus der Perspektive des Erpressers (und wahrscheinlichen Mörders) beginnt. Doch dieses Design stellt sich als durchdacht heraus: Die Eingangsszene gibt dem Spieler bereits einen großen Hinweis auf das Mordmotiv und, sogar noch wichtiger, führt sie die zentrale Spielmechanik mittels eines einfachen Beispiels ein.

Deduktionsspiele misslingen häufig, da der eigentliche Denk- (und damit Spiel-) Prozess praktisch außerhalb des eigentlichen Spiels stattfindet. Sie laden Informationen auf dem Spieler ab, der dann seine Schlüsse ziehen soll, aber dieser Prozess ist im Spiel gar nicht abgebildet. Tatsächlich existieren auch gar nicht so viele Wege, dies überhaupt anzugehen. Color the Truth folgt diesbezüglich Discworld Noir: Informationsschnippsel und Befragungsthemen werden als Inventarobjekte verwaltet, die entsprechend verwendet und kombiniert werden können, um auf neue Ideen zu kommen. Stößt man beispielsweise auf Widersprüche zwischen zwei Aussagen, kann man diese kombinieren und die fraglichen Personen dann wieder konfrontieren.

Eine zweite Spezialität des Spiels liegt darin, dass man die Aussagen der Verdächtigen tatsächlich „erspielen“ kann. D.h. die Aussagen werden nicht einfach in Textform beim Spieler abgeladen, sondern interaktiv erzählt. Wobei man immer im Hinterkopf behalten muss, dass nicht alles der Wahrheit entsprechen muss. Was wiederum dazu führt, dass wenn man Jemanden bei einer Lüge ertappt, man die Szenen nochmals spielen kann, aber eben in einer anderen Variante. Anklänge an den Genreklassiker Spider and Web

Abgesehen vom unterhaltsamen und durchdachten Plot sowie den Charakteren und der hervorragenden Implementierung, der es gelingt, den Mikrokosmos relativ lebendig erscheinen zu lassen, ist es somit die Ausnutzung des Mediums, die Color the Truth zu einem sehr guten Spiel machen: Beide zentrale Spielinhalte, nämlich die Aussagen aufzunehmen und Deduktionen, sind interaktiv umgesetzt. Was genau das Unterscheidungsmerkmal zwischen gelungenen Spielen im Bereich Interactive Fiction und gescheiterten Versuchen ist.

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