Das Stundenglas
für Amiga (OCS/ECS)

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Mr Creosote:
Firma: Weltenschmiede / Software 2000
Jahr: 1990
Genre: Adventure
Thema: Sonstige Fantasy / Textbasiert
Sprache: Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 11972
Rezension von Mr Creosote (13.11.2016)
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Es war das Jahr 1990 und ein kleines Entwicklungsteam namens Weltenschmiede schickte sich an, das deutsche Gegenstück zu Magnetic Scrolls zu werden. Textadventures waren im deutschsprachigen Raum nie die große Nummer gewesen – aber bei den statisch illustrierten Abkömmlingen sollte es nun wohl doch noch (mit zeitlicher Verzögerung) klappen. Inwieweit das gelungen ist, wissen wir heute.

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Der eigentliche Anfang

Thematisch erwartet den Spieler genretypischer Fantasystoff: In einem fremden Universum müssen magische Artefakte gefunden werden, um die aus den Angeln geratene Zeit wieder in geordnete Bahnen zu bringen.

Nicht nur thematisch, sondern auch spielerisch erinnert Das Stundenglas an die Anfänge des Genres. Die umfangreiche, offene Spielwelt setzt sich aus zahlreichen Landschaften und Innenräumen zusammen. Sie wird bevölkert von einer Reihe Charakteren, die teilweise mehr oder weniger hilfreiche Hinweise herausrücken, größtenteils aber funktional aus Lieferanten neuer Objekte dienen – selbstverständlich im Austausch gegen beauftragte Lieferungen anderer Waren. Oder aber, sie übernehmen die Funktion von Gegnern, die Wege blockieren oder Objekte bewachen. Was letztlich nicht viel anders ist.

Bei den Gesprächen zeigt sich dann auch schon eine gravierende Parserschwäche, die leider nicht die einzige bleiben soll. Es gibt verschiedene vom Spiel akzeptierte Formulierungen, andere Charaktere anzusprechen. Scheinbar liefert das Spiel sinnvolle Reaktionen so oder so – nur unterscheiden diese sich teilweise gravierend, trotz (klar als solche erkennbarer) identischer Spielerintention. So passiert es leicht, dass man die „falsche“ Variante wählt und sich so in einer Sackgasse wähnt.

Ähnliche Probleme häufen sich leider während des Spielverlaufs. Objekte müssen meist mit dem exakten Begriff angesprochen werden, wie sie in den Beschreibungen benannt sind (Synonyme werden nicht akzeptiert). Manchmal bleibt der kausale Zusammenhang zwischen Spielereingabe und Parserantwort unklar. Kleine diesbezügliche Anekdote: Einer der ersten Begegnungen Schläge anzudrohen, weist das Spiel einerseits zurück (nach dem Motto: Gewalt ist keine Lösung) – aber dann fängt derjenige doch an zu reden. Ging das jetzt automatisch oder hat die Gewalt doch Wirkung gezeigt? Und dann wäre da natürlich noch die etwas ungewöhnliche Handhabung von Objekten: Referenziert man in seinem Befehl etwas, das im aktuellen Raum nicht vorhanden ist, verrät einem das Spiel schonmal (mit einer vorerst sinnlosen Ortsangabe), wo dies zu finden sein wird – ohne dass man es vorher entdeckt hat. Was aufgrund der Spitzfindigkeit des Parsers leider sogar unabsichtlich häufiger passiert, als einem lieb ist.

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Sähe es konsistent so als, gäbe es nichts zu meckern

Und dann sind da eben noch die Grafiken, die die Szenen illustrieren sollen. Leider bleibt auch dabei kein uneingeschränkt positiver Eindruck hängen. Die Qualität variiert sehr stark: teilweise die „Qualität“ erster Gehversuche mit einem unprofessionellen Pixelprogramm, teilweise aber auch ganz stimmungsvoll. Wäre – trotz der nicht mehr zeitgemäßen Beschränkung auf 16 Farben – zu verkraften, negativ schlägt jedoch spielerisch zu Buche, dass jede Illustration für mehrere Örtlichkeiten Verwendung findet, und sie teilweise dadurch überhaupt nicht passen. So wähnt man sich manchmal an anderen Orten. Auch wäre es wirklich schön gewesen, Objekte, die der Spieler eingesteckt hat, auch aus dem Bild zu entfernen. Das hatte schließlich Sierra bereits zehn Jahre zuvor geschafft.

Oder mal zusammenfassend anders gesagt: Man muss sich halt einspielen und die Hürde dafür ist für verwöhnte heutige Spieler noch schwerwiegender als sie 1990 ohnehin schon war. Doch danach spielt sich's ganz flüssig. Die im halbironischen Stil gehaltenen Texte halten in Abwesenheit von Plotentwicklung bei der Stange. Es zeigen sich einige gute Designentscheidungen, die den mit steigendem Spielfortschritt recht effektiv langwierige Routine – wie das Laufen vom einen Ende der Welt zum anderen – abfedern.

Akzeptiert man also, dass Das Stundenglas einem einigen Komfort nur vorgaukelt, es sich tatsächlich aber spielerisch noch eher in den frühen 80er Jahren befindet, ist es, wenn auch nicht der große Wurf, auch keine Katastophe. Man muss es wohl als Versuchsballon einer noch neuen Teams ansehen, das seinen Stil noch suchte und seine technischen Fertigkeiten noch übte. Heutzutage also: Kann man machen, muss man aber nicht.

Extrinsische Randbemerkung: Dass das Spiel heutzutage häufig dem Science-Fiction-Genre zugeordnet wird, liegt daran, dass zu viele „Rezensenten“ nicht weiter als drei Bildschirme reinschnuppern und den als Prolog verkappten Kopierschutz (das Einstiegsrätsel kann nur durch Studium des Begleitmaterials gelöst werden) für das eigentliche Spiel halten. Dieses Schicksal der breiten Fehlklassifikation teilt sich Das Stundenglas übrigens mit anderen klangvollen (deutschen) Namen wie beispielsweise Rings of Medusa 2.

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