Myst
für Amiga (AGA)
Auch verfügbar für: PC

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Mr Creosote:
Firma: clickBOOM / PXL Computers
Jahr: 1997
Genre: Adventure, Denkspiel
Thema: Abstrakt / Sonstige Fantasy
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 12405
Rezension von Mr Creosote (22.02.2017)
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Das bestverkaufteste Spiel aller Zeiten… ehrlich gesagt bezweifle ich angesichts der Marktexplosion seit der Mitte der 90er, dass dies noch zutrifft, aber immerhin war es mal so. Eine der Killerapplikationen, die sich nicht nur selbst verkauften, sondern auch gleich noch die notwendigen CD-ROM-Laufwerke dazu. Ein Spiel, gegen das ich zwei Jahrzehnte lang einen tiefen Groll hegte, da sein riesiger kommerzieller Erfolg mitverantwortlich für den Tod des Adventuregenres, wie ich es geliebt hatte, war. Doch ich habe ihm nochmal eine Chance gegeben. Vergeben und vergessen?

Was Myst fundamental von dem, was man zu der Zeit in dem Genre gewohnt war, unterscheidet, ist weitreichend. Anstatt Objekte zu raffen und sie in einem bodenlosen Inventar mit sich herumzutragen für den Fall, dass man sie später noch gebrauchen könnte, sowie mit anderen Charakteren zu sprechen, findet sich der Spieler hier in einer Welt wieder, die… verlassen ist. Leer. Leblos. Man weiß noch nicht einmal, warum man dort ist. Man hat ein Buch aufgeschlagen und zapp… schon fand man sich auf dieser seltsamen Insel wieder. Wo man dann an Dingen herumdoktort, weil sie halt da sind. Etwas anderes gibt es schließlich nicht zu tun.

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Moment, wenn Interaktionen mit anderen Charakteren wie auch ein Inventar fehlen, was kann man dann überhaupt noch tun? Erstmal natürlich die Welt erkunden. Objekte finden sich sehr wohl, sind aber stationär, und enthüllen oft kleine Informationsschnippsel. Wobei sich letzterer Typ äußerst ungeschickt darstellt: Es handelt sich meist um Bücher, die man dann halt durchlesen muss. Die am wenigsten organische Weise, dem Spieler Informationen zu vermitteln. Dann trifft man noch auf Knöpfe, Schalter und Hebel, die man zu drücken oder ziehen hat. Was dann zu Effekten führt, die man entweder sofort zu sehen bekommt (sich öffnende Türen oder Gänge) oder eben auf der anderen Seite der Insel stattfinden, und erstmal bemerkt werden müssen.

Andere Rätsel drehen sich um leicht komplexere Bedienungsweisen von Maschinen. Spezifische Einstellungen müssen an diesem getroffen werden, um bestimmte Effekte zu erreichen – in einer Komplexitätsklasse, die nicht mehr realistisch durch Ausprobieren gelöst werden können. In solchen Fällen warten die Lösungen garantiert an anderen Stellen, aber man muss sie eben korrekt zuordnen, worin die Herausforderung besteht. Es kommt auch vor, dass das Spiel in ein Objekt „hereinzoomt“, das sich dann als Rätselkiste ohne weiteren Bezug zur Welt herausstellt. Doch im Rückblick ist dieses Phänomen noch lange nicht so störend häufig wie meine verzerrte Erinnerung mich vor dem erneuten Spielen glauben machen wollte (und wohin diese Neuinterpretation des Genres ja leider führte).

Man könnte es sogar als Rückgriff auf die Anfänge des Adventuregenres bezeichnen. Wer erinnert sich schließlich nicht an die parserbasierten Schatzsuchen? Myst ist diesen gar nicht mal so unähnlich (abgesehen mal vom fehlenden Inventar). Doch auch damals zeigten die besseren Spiele bereits ein wenig menschliches Drama. Ende der 80er bis Anfang der 90er wurde dies sogar der Hauptfokus des Genres. Bevor man eine solche organische Entwicklung über Bord wirft, hätte man besser zweimal nachdenken sollen.

Klar, das ist jetzt eine seltsame Behauptung über ein kommerziell höchst erfolgreiches Spiel. Warum also überhaupt dieser Erfolg? Erstens sind Maschinen einfach nicht anstößig. Niemand findet sie unsympathisch. Der Interaktivitätspegel ist durch Auslassung langer passiver Sequenzen hervorragend. Und dann sah Myst zur Veröffentlichungszeit wirklich hervorragend aus. Eine fremde Welt in hoher Auflösung wie man sie (beinahe) noch nicht gesehen hatte. Kleine Sprachschnippsel aus dem Off oder in kurzen Videoeinspielern im Briefmarkenformat, die technisch kompetent in die Szenen eingebettet werden, runden das positive Gesamtbild der Produktionsqualität ab.

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Aber es ist natürlich wie es immer geschieht mit der gestrigen technischen Sensation. Heute ist Myst nicht mehr als eine Diashow völlig steriler und lebloser Bilder. Das Herumlaufen wird durch zahlreiche spielerisch unnötige Zwischenbilder, die keinerlei Zweck erfüllen, und jedes Mal zum spürbaren Nachladen führen, verlangsamt. Die wechselnden Blickwinkel der nicht vorhersagbaren Bewegungspfade wirbeln den Orientierungssinn durcheinander.

Jetzt ist es auch nicht wirklich schrecklich. Die Rätsel sind prinzipiell einfallsreicher als gedacht und machen das beste aus den spielerischen Einschränkungen; die extreme Faulheit späterer Imitationen, die beinahe ausschließlich aus Rätselkisten bestanden, war hier noch lange nicht erreicht. Positiv ist gegenüber den Textadventure-Schatzsuchen immerhin, dass die Spielwelt recht kompakt ist und sich nur sukzessive und wenn nötig öffnet. Insofern ist Myst ein recht respektables Spiel. Heutzutage kann ich das schon eingestehen. Was aber trotzdem nichts an der Hauptkritik ändert: Es ist gleichzeitig ziemlich öde. Was man so Tolles an der Inselerkundung finden soll, ist mir schleierhaft. Die Vorstelllung eines Myst-Romans ist einfach absurd – Moment, den gibt es wirklich!

P.S. Um dem Ganzen ein bisschen mehr Reiz zu verleihen, habe ich mich der wahrscheinlich unbekanntesten Version des Spiels angenommen. Technisch handelt es sich um recht kompetente Arbeit (sonst hättet ihr meine lauten Beschwerden bereits gelesen). Die Geschichte um die Entstehung dieser Version sei allen Lesern ans Herz gelegt – sie ist unterhaltsamer und regt mehr zum Nachdenken an als das Spiel selbst.

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