James Clavell's Shōgun: A Story of Japan
für Amiga (OCS/ECS)

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Mr Creosote:
Weitere Titel: Shogun
Firma: Infocom
Jahr: 1989
Genre: Adventure
Thema: Umsetzung eines anderen Mediums / Historisch / Schifffahrt / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 3714
Rezension von Mr Creosote (06.06.2020)
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Ein dicker Bestsellerroman, der ein paar Jahre später sogar noch zu einem Straßenfeger im Fernsehen wurde? In den Händen Infocoms, die bereits ihr Gespür für Literaturadaptionen in ihr interaktives Medium mit dem allseits geliebten The Hitchhiker's Guide To The Galaxy bewiesen hatten? Und das Thema fällt auch noch in das klassische Abenteuergenre, das dem Spielegenre seinen Namen gab? Eine idealere Kombination hätte man sich kaum erträumen können.

Zumindest solange man nicht die Details beachtet, wie dieses Spiel wirklich zu Stande kam. In den späten 80er Jahren war Infocom schon lange nicht mehr die unabhängige, umjubelte Firma aus Hitchhiker-Tagen. Mutterfirma Mediagenic (Activision) hatte sich die Lizenz ohne Rücksprache mit ihnen gesichert. Und anders als im Fall Douglas Adams' zeigte James Clavell keinerlei Interesse an einer wirklichen Zusammenarbeit an dem Spiel. Infocom-Veteran David Lebling, der gerade mit The Lurking Horror gezeigt hatte, was er noch drauf hatte, entschloss sich deshalb angesichts des Umfangs und der Komplexität des Ausgangsstoffes und der fehlenden Autorenunterstützung den naheliegenden Weg zu gehen: „Sein“ Shogun sollte ein Episodenspiel mit Schlaglichtern aus dem Roman werden.

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Wir befinden uns im Clichéland

Den Spieler erwarten also 19 quasi (zumindest spielerisch) in sich geschlossene Szenen unterschiedlicher Länge zwischen denen keinerlei Status des Protagonisten übernommen wird. Das Inventar wird zuverlässig geleert, Charakteren erinnern sich nicht mehr an dumme Handlungen. Der Schreibstil ist blumig und ausdrucksstark, wobei zentrale Passagen einfach Wort für Wort dem Roman entnommen sind. Ein übergreifender Plot wird dagegen praktisch überhaupt nicht erzählt, oder zumindest ist es praktisch unmöglich, ihm zu folgen, wenn man nicht entweder den Roman gelesen oder die Fernsehserie gesehen hat. Lebling zeigt ein gutes Gespür für die Auswahl der interessanten Szenen in einem solch eigenständigen Kontext, aber sie bleiben als bedeutungslose Vignetten stehen.

Schlimmer ist allerdings, dass die Umsetzung in ein interaktives Medium weitgehend fehlschlägt. Natürlich versteht der Parser eine große Anzahl möglicher Spielereingaben, doch spielerisch vorgesehen ist dagegen nur sehr, sehr wenig. Zu viele Szenen können maximal als pseudointeraktiv bezeichnet werden. Oft gibt es sogar andere Charaktere, die dem Spieler exakte Anweisungen geben… und man höre und staune, dahinter steckt kein vertracktes Rätsel, das einem abverlangt nur äußerlich so zu tun, als würde man die Befehle befolgen, während man tatsächlich andere Ziele verfolgt – nein, die vom Spiel erwartete Lösung ist, den Schritten genau zu folgen. Versuche von diesem Pfad abzuweichen führen zum schnellen Tod oder der schnell verhassten Meldung „diese Szene kann nicht mehr gewonnen werden“ (effektiv identisch mit dem Tod des Protagonisten).

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Nicht jeder ist uns wohlgesonnen

Andere Szenen sind zwar prinzipiell freier gestaltet, aber ob sich dies positiv auf die Spielbarkeit auswirkt, darf man trotzdem in Frage stellen. Jene Szenen leiden wiederum stark unter der Annahme der Kenntnis des Buches (oder der Fähigkeit, James Clavells Gedanken zu lesen). Vom Spieler wird erwartet, exakt das zu tun, was der Protagonist des Buches tat. Jedoch sind solche Vorgehensweisen häufig aus der vom Spiel beschriebenen Situation nicht ableitbar. Woher soll man also die Idee haben, gerade dies auszuprobieren? Zurück bleibt der unschöne Beigeschmack, man habe etwas getan, weil es eben so ist, und nicht, weil es Sinn ergab.

Das übergreifende Thema, das sich durch die meisten Szenen zieht, ist das der Hilflosigkeit in einer vollkommen fremden Gesellschaft, deren Regeln man nicht kennt und in der eine einem unverständliche Sprache gesprochen wird. Damit macht das Spiel ein paar Punkte wieder gut. Gleiches gilt für die stellenweise verwendeten grafischen Illustrationen, die schön gezeichnet sind, wenn auch nicht ganz auf der technischen Höhe der Zeit. Infocom wählte dabei einen anderen Weg, sie zu integrieren, als von der Konkurrenz bekannt: Anstatt den Bilder einen permanenten festen Platz auf dem Bildschirm zu gewähren, scrollen sie mit dem alten Text mit der Zeit aus dem sichtbaren Bereich. Dadurch steht wieder mehr Platz für den Text zur Verfügung, sobald man sich sattgesehen hat. Anders als in Zork Zero haben die Grafiken jedoch keinen spielerischen Sinn (mit einer Ausnahme).

Shogun ist weder die große Katastrophe, zu der es im Rückblick mancherorts hochstilisiert wird, noch der sträflich übersehene Klassiker, zu dem es andere ausrufen. Negativ könnte man es als endgültiger Sargnagel Infocoms sinkenden Sterns ansehen. Positiv könnte man im Kontext der Gesamtheit ihrer letzten Spiele hervorheben, wie experimentell sie noch versuchten, ihr kommerzielles Aus noch zu verhindern. Da jedoch keiner der Versuchsballons sich als wirtschaftlich tragfähig erwies, werden wir niemals wissen, wohin es sich noch hätte entwickeln können.

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