UnCiv
für PC (Linux)

Mr Creosote:
Firma: Yair Morgenstern
Jahr: 2021
Genre: Strategie
Thema: Multiplayer / Politik / Krieg / Unfertig
Sprache: Deutsch
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 3643
Rezension von Mr Creosote (04.12.2021)
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Stammleser kennen die Geschichte meiner ersten Civilization-Erfahrung bereits. Die ersten beiden Nachfolger, also Teil 2 und 3, genoss ich ähnlich extensiv. Langsam schwand mein Interesse an neuen Spielen, doch trotzdem fand Teil 4 mit langer Verspätung seinen Weg zu mir, als ein Freund seine Version verschenken wollte. Sichtbar versuchte dieses Spiel interessante neue Wege zu erkunden, insbesondere der explosiven initialen Expansion Schranken aufzuerlegen. Schrecklich unübersichtliche Grafik und endlose Züge im Schneckentempo verhinderten jedoch, dass ich jemals wirklich damit warm wurde. Von Nr. 5 ließ ich aus den von Linki05 erklärten Gründen ganz die Finger.

Teile 1 und 3 gehören immer noch zu meinen regelmäßig aufgesuchten Spielen (ironischerweise nicht Teil 2). Ich hatte mich damit abgefunden, dass die Reihe für mich damit gelaufen war. Bis ich auf Unciv stieß – ein Versuch, die Regeln von Civilization V unter der Verwendung praktischerer Grafik und, ebenso wichtig, spywarefrei neu zu implementieren. Zerbrechen wir uns nicht über die unwahrscheinliche Legalität dieses Vorhabens den Kopf (der Entwickler scheint ernsthaft zu glauben es sei ok), sondern seht es einfach als die eine Gelegenheit, meine Ansichten über Civilization V zu ergründen. Wahrscheinliche Ungenauigkeiten bezüglich des Originals oder Prinzipien, die eigentlich bereits aus Teil 4 stammen, bitte ich bereits im Voraus zu entschuldigen.

Allein dass ihr dies nun lest sollte bereits eines deutlich machen: Unciv hat mich gepackt. Der Funke ist schnell übergesprungen, auch da sich Einiges sehr vertraut anfühlte. Ja, dies ist Civilization – das Stadtmanagement, die Landentwicklung, der Technologiebaum, die rudimentäre Diplomatie, die kulturgetriebenen Einflusszonen, die bewaffneten Konflikte.

Wie beinahe erwartet wurde meine schnelle Expansion von den überarbeiteten Regeln hart bestraft. Man soll also weniger Städte haben, diese und ihr Umland dafür genauer und weiter entwickeln. Da bin ich dabei! Wenn sie nur endlich mal auch von diesem Micromanagement der Stadtproduktion wegkämen (unterhaltsam für die ersten paar Städte, öde bis nervig im späteren Spielverlauf), das schon immer die Reihe plagt. Besonders anachronistisch wirkt dies, da ansonsten große Schritte gewagt wurden, entscheidende Spielmechaniken auf die globale Ebene des Gesamtreiches anzuheben, anstatt lokal per Stadt zu regeln.

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Die verhasste Produktionswarteschlange auf der linken Seite

Das kontrollierte Wachstum spielt auch bei den sogenannten nationalen Wundern eine Rolle. Die Kosten und Voraussetzungen zur Errichtung dieser besonderen Bauwerke skaliert mit der Anzahl der Städte. Kleinere Reiche haben es damit sogar leichter, sie zu bauen. Ähnlich sieht es mit den Gesellschaftsformen aus. Diese definieren in mehreren Bereichen die Funktionsweisen des Staates und ersetzen die eindimensionalen Regierungsformen der Vorgänger. Nur ist man eventuell einen Schritt zu weit gegangen und setzt zeitgeistig auf ein Achievement-artiges System, das ein Umsteuern einmal getroffener Entscheidungen nicht mehr zulässt.

In der Wirtschaft zeigt sich der globale Ansatz bei der Verwendung natürlicher Ressourcen. Wo es in früheren Spielen genügte, eine Transportverbindung zu einem Rohstoff aufzubauen, um diesen in unbegrenztem Maße innerhalb des gesamten Reiches verfügbar zu machen, ist der Nutzen nun begrenzt. Drei Kohleminen lassen sich als drei Möglichkeiten, etwas Besonderes zu bauen, einsetzen. Soll heißen drei im gesamten Reich, so dass interessante Abwägungen zu treffen sind? In welcher Stadt könnte eine Fabrik besonders nützlich sein?

Die gleichen Ressourcen sind allerdings ebenso für den Aufbau und Unterhalt militärischer Einheiten von Nöten. Die gesamte Breite der Entscheidung umfasst also auch die Frage ob Fabrik oder Dampfschiff. Was wiederum Auswirkungen auf die Kriegsführung hat. Basische Einheiten können immer aufgestellt werden, aber andere bleiben im gesamten Spielverlauf selten und damit besonders. Den gesamten Globus mit Todesstrahlen schießenden Robotern zu überschwemmen, nur weil man einmal Uran gefunden hat, wird also nichts (puh…).

Apropos Militär, dort findet geradezu eine 180°-Wendung gegenüber der Entwicklung der Vorgänger statt. Teil 3 führte die Einheitenstapel ein, die beinahe unbesiegbar waren (zumindest von Computergegnern). Schon zuvor war es immer erlaubt gewesen, unendlich viele Einheiten auf das gleiche Feld zu ziehen. Hier jedoch: eine Militäreinheit pro Feld. Dadurch, und nicht etwas aufgrund des Wechsels auf sechseckige Felder, wird der Krieg um Einiges taktischer. Hinzu kommen Unterscheidungsmerkmale durch diverse Einheitenfähigkeiten. So haben viele sehr unterschiedliche Werte für Nahkampf, Beschuss usw.

Beim Krieg zeigen sich dann allerdings auch kleine Schwächen. Primäre Zielplattform Uncivs sind Androidgeräte mit Touchscreen. Die Bedienung ist recht intuitiv gelungen, aber großangelegte militärische Verschiebungen ziehen sich. Die fehlende Tastatursteuerung zeigt, wie viel effizienter die Bewegung per Ziffernblock war. Dazu kommt, dass sich die künstliche Intelligenz – so grundlegend kompetent sie sich anstellt – was taktische Feinheiten wie räumliche Platzierung, Angriffsreihenfolge usw. stellenweise überfordert zeigt.

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Nicht schön, aber funktioniert

Grafisch ist das Spiel eine seltsame Mischung aus gepixelten Felden und Militäreinheiten, die von vektorbasierten Steuerungselementen überlagert werden. Damit sieht das Spiel zwar nicht unbedingt gut aus, aber die Grafik tut ihren Dienst. Insbesondere erlaubt die zoombare Landkarte einen guten Überblick und macht praktisch alle wichtige Information direkt ablesbar – eine willkommene Rückbesinnung auf frühere Civilizations, die einer ganz ähnliche Philosophie folgten.

Der Entwicklungsstand Uncivs ist bereits sehr solide. Es ist nicht nur gut spielbar, sondern wenn man das Vorbild nicht kennt, würde man wohl auch nichts vermissen. Streng genommen ist es wohl noch nicht ganz vollständig. Aktuell befindet sich beispielsweise die Implementierung der Religionen noch im experimentellen Stadium. Trotzdem wirkt es vollständig, wenn auch seltsam verkleinert gegenüber Civilization IV, jedoch wohl auf dem Stand, wie es in Civilization V sein soll. Die Diplomatie wirkt ebenfalls ein wenig rudimentär, doch laut dem Bugtracker ist sie wohl ebenfalls vollständig. Positiv zu vermerken ist die große Anzahl verfügbarer Community-Erweiterungen, die komfortabel eingefügt werden können.

Wie soll ich es also zusammenfassen? Unciv hat ganz sicher mein Feuer für Civilization neu entfacht. Nach Abschluss einer Partie mag es sich anfühlen, als müsste man nicht noch eine beginnen. Tut man es aber doch, dann zeigt sich, wie viel es doch noch zu entdecken gibt, welcher anderen Spielstrategie man noch folgen kann.

Dies führe ich darauf zurück, dass die Regeln eine viel stärker langfristige Planung erfordern als zuvor. Ab den mittleren Schwierigkeitsgraden gilt es, von vornherein einer stringenten Strategie zu folgen, um zu gewinnen. Diese alle paar Züge auf den Kopf zu stellen, was in früheren Spielen noch recht einfach möglich war, sollte man nur noch in absoluten Notfällen in Betracht ziehen.

So erarbeitet sich das Spiel seine ganz eigene Identität, obwohl Kernthemen und -mechaniken natürlich schon noch nah an den Vorgängern sind. Es wird somit diese Vorgänger nicht ersetzen, soll es aber wahrscheinlich auch gar nicht. Vieles ist eine Stufe simpler gehalten. In meiner Liste wird es einen ergänzenden Platz einnehmen. Scheinbar ist Civilization V ein wirklich tolles Spiel. Super, dass Unciv es ohne Haken zugänglich macht!

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