MechWarrior 2: 31st Century Combat
für PC (DOS)

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Mr Creosote:
Firma: Activision
Jahr: 1995
Genre: Simulation
Thema: Multiplayer / Science Fiction / Krieg
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 3159
Rezension von Mr Creosote (02.04.2022)
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Als das Entwicklerstudio des ersten Teils, Dynamix, nach Aufkauf durch Sierra vom Markt war, setzte Activision ein internes Team an die Produktion eines Nachfolgers zu MechWarrior. Doch es gab Probleme mit der Performance und verzögerte sich deshalb um mehr als zwei Jahre. Sierra/Dynamix gelang ein Coup, als sie mit EarthSiege ein Spiel herausbrachten, das nicht nur wie ein Nachfolger aussah, sondern sich auch so spielte. Doch Activision gab nicht auf und schlug zurück.

Wobei im Vergleich sofort ins Auge fällt, wie unterschiedlich man das Genre der Riesenkampfrobotersimulationen doch auslegen kann. Ausgehend von der Formel des ersten MechWarrior gingen Dynamix und Activision sehr unterschiedliche Wege. Wo erstere sich auf Charakter- und Ausrüstungsentwicklung im Rahmen einer Kampagne sowie Truppentaktik verlegten, kommen solcherlei Spielemente in diesem offiziell lizensierten Spiel überhaupt nicht vor.

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Das Intro verspricht Einiges

Zwar dreht sich die Geschichte um die Clans, aber Ausrüstung kann man von den Schlachtfeldern nicht erbeuten. Was auch nicht so viel Sinn ergeben hätte, denn weitgehend spielt hier Clan gegen Clan anstatt Clan gegen die Innere Sphäre (was ein Technologiegefälle zwischen den Parteien bewirkt hätte). Mechs können im Vorfeld jeder Mission angepasst werden (was sich stark auf die Erfolgschancen auswirken kann), aber im Rahmen des erlaubten Gesamtgewichts ist immer alles möglich.

Darüber hinaus findet man sich beinahe immer allein auf dem Schlachtfeld wieder. Piloten mit unterschiedlichen Fähigkeiten werden im Spiel nicht simuliert. Im gesamten Spielverlauf gibt es ein einziges Mal Mitstreiter, und auch dann ist kaum eine gezielte Interaktion möglich. Hauptsache, man schießt sich nicht versehentlich ab, und vielleicht fügen sie dem Gegner ja etwas Schaden zu.

Derart beschränkt muss MechWarrior 2 doch ein ziemlich enttäuschendes Spiel sein, oder? Viel bleibt schließlich nicht mehr. Tja, im Kern der Sache, als Kampfrobotersimulation, ist es einfach grandios!

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Kampf zwischen Häuserschluchten

Activision hat sich ganz darauf verlegt, diesen spielerischen Kern, also die Kontrolle über diesen riesenhaften Kampfroboter, so geschmeidig wie möglich zu gestalten, ohne dabei auf Komplexität zu verzichten. Ganz im Gegenteil. Die Simulation ist im Vergleich zum Vorgänger ordentlich aufgebohrt. Hügel können nun endlich erklommen (statt nur unüberwindliche Hindernisse darzustellen), Sprungdüsen in passende Mechs eingebaut werden, was ganz neue spielerische Möglichkeiten eröffnet. Verschiedene Kameramodi sind nicht nur Spielerei, sondern werden ebenfalls spielerisch genutzt. Klar, die Außenansicht ist nutzlos, aber die Lichtverstärkung und noch mehr die schematische Ansicht sind ein wahrer Segen. Die Wahl der Waffen und verschiedene Feuermodi eröffnen ebenfalls vormals unbekannte Taktiken.

Beeindruckend dabei, wie die Steuerung, selbst bei ausschließlicher Verwendung der Tastatur, nicht nur beherrschbar bleibt, sondern selbst im hektischen Schlachtgetümmel noch effektiv funktioniert. Ein Mech ist ja etwas komplizierter zu dirigieren, da man nicht nur Laufrichtung und Geschwindigkeit, sondern davon unabhängig auch noch in zwei Dimensionen den Torso ausrichten und das Abfeuern der Waffen übernehmen muss. Also mindestens drei Aktivitäten (plus weitere Einstellungsmöglichkeiten) für nur zwei Hände. Mehrere zusammenhängende Funktionen werden jedoch geschickt auf dem Ziffernblock zusammengefasst, sind also mit einer Hand erreichbar, und nach den sehr nützlichen Trainingsmissionen intuitiv zu bedienen. Laptopbenutzer haben da natürlich das Nachsehen. Optional kann auch die Maus als Zielgerät verwendet werden, was natürlich genauer ist, aber dafür der linken Hand sehr viel anderes an der Tastatur übrig lässt.

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Laser oder Raketen?

Ebenso gelingt es den Designern, die wichtigsten Informationen immer auf dem Bildschirm zu halten. Der Status der Waffen, die Missionsziele, die Hitze… einziges relevantes Versäumnis mag sein, dass man nicht einen Navigationspunkt und einen Gegner gleichzeitig anvisieren kann.

Die Grafik ist theoretisch in drei Auflösungen darstellbar, von 320x200 bis 1024x768. Einen Computer, der letzteres flüssig hätte darstellen können, gab es zur Zeit der Veröffentlichung allerdings realistisch nicht. Überhaupt machen die Auflösungen keinen entscheidenden Unterschied. Die Welt ist zusammengesetzt auf Polygonen mit Gouraud-Shading, jedoch ohne Texturen. Es ergibt sich ein kalter, steriler Look, der einer solch futuristischen Welt nicht mal unangemessen ist. Problematisch allerdings, dass 3D-Objekte erst recht spät überhaupt im Bild erscheinen. Die Sichtweite ist manchmal unzureichend, ohne dass es im Spiel erklärt wird (beispielsweise durch schlechte Wetterbedingungen). Als kurze Zeit später die ersten 3D-Beschleunigerkarten auf den Markt drängten, wurden angepasste Versionen von MechWarrior 2 vielfach direkt beigelegt. Sie ergänzten auch Texturen, aber so richtig neue Horizonte erschlossen sie nicht.

Zwischen den Missionen muss man auf Videos oder aufwändige Rendersequenzen verzichten. Geklotzt hat man in der Produktion stattdessen, was die Geräuschkulisse während der Missionen selbst angeht. Ein treibender Soundtrack, klar identifizierbare Soundeffekte und eine weibliche Computerstimme, die den Status des Mechs sowie sich ändernde Missionsparameter ankündigt, sind nicht nur hervorragendes Beiwerk, sondern haben handfesten praktischen Nutzen. Eines der wenigen Spiele, in denen das Abschalten der Lautsprecher wirklich wehtut.

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Viel Erfolg, das im normalen Darstellungsmodus zu entdecken

Apropos Missionen, eingangs wurde zur Genüge erklärt, was sie alles nicht beinhalten. Überraschend, wie modern sie wirken – keine dauert länger als 5-10 Minuten. Meist geht es um die Zerstörung eines bestimmten Gegners oder eines Gebäudes, manchmal ist auch ein bisschen Aufklärung gefragt. Am schwierigsten wird es wie üblich, wenn ein ansonsten schutzloses anderes Gefährt beschützt werden soll, da dann plötzlich das eigene Überleben nicht mehr ausreicht. Die rein in Textform gehaltenen Missionsbeschreibungen sparen leider manchmal essentielle Informationen, wie den genauen Aufenthaltsort mancher Ziele, aus.

Optional erzählt das Spiel dabei eine Geschichte aus der Welt des gewählten Clans. Der Kriegsverlauf wird zwischen den Missionen detailliert beschrieben, doch notwendiges Wissen für die folgenden Missionen ist das nicht. Im eigenen Clan steigt man durch erfolgreiche Duelle mit anderen Mechpiloten auf.

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Ein falscher Schritt und der Mech wird zum unfreiwilligen Raumschiff…

Alles ganz nett, aber insbesondere diese Duelle verschlechtern das Gesamtbild eher. Es gibt zwei spielbare Parteien, mit je 16 Missionen – effektiv aber nur 12, da gleich vier für Einzelduelle draufgehen. Nicht gerade viel. War da bereits der Plan, Erweiterungen zu verkaufen, mit eingerechnet? Zuerst folgten Ghost Bear's Legacy und brachte neue Levels. Einige davon auf Grundlage wirklich schöner Idee, wie die Verteidigung eines fliegenden Raumschiffes, auf dessen Außenhülle man steht, oder einen Mech-Unterwasserkampf. Hierauf folgte NetMech (Multiplayer) sowie zuguterletzt Mercenaries. Letzteres war sogar eine unabhängig vom ursprünglichen Programm spielbare Version. Unter dem Namen MechWarrior 2 kam sie nur aus lizenztechnischen Gründen heraus. Die technische Basis blieb zwar die gleiche, aber der gesamte Spielaufbau wurde derart umgestellt, dass es eine eigene Wertschätzung verdient.

Wo steht das ursprüngliche MechWarrior 2 heute, angesichts all dieser Varianten, Versionen und Sammlungen? Abgesehen vielleicht von der Grafik ist das Spiel hervorragend gealtert. Kopfhörer auf, Hände an die Tastatur, den Joystick oder die Maus, und schon funktioniert die Immersion. Der Umfang des Spiels ist zugegeben beschränkt, sowohl was sie Anzahl der Missionen, als auch die Breite der Kernsimulation angeht. Diese Kernsimulation ist allerdings im Vergleich zum Vorgänger ein Riesenschritt nach vorne. So weit, dass man auch die Konkurrenz meilenweit hinter sich gelassen hatte. So weit, dass es heute immer noch uneingeschränkten Spaß macht. Doch abschließend trotzdem eine Warnung: Jede Version des Spiels wurde immer schwieriger. Mercenaries mag das interessantere Szenario und auch technisch am meisten bieten, aber bevor man sich gleich dort hineinstürzt, könnte es doch Sinn ergeben, erstmal mit dem Original anzufangen – und wenn es nur zum Training ist.

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