The Daedalus Encounter
für 3DO

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Mr Creosote:
Firma: Mechadeus / Life Like Productions / Virgin Interactive
Jahr: 1995
Genre: Adventure, Denkspiel
Thema: Science Fiction
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 1881
Rezension von Mr Creosote (10.09.2022)
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Critical Path war ein früher „interaktiver Film“ und (wahrscheinlich aufgrund der noch nicht eingetretenen Übersättigung) auch recht erfolgreich. Klar, die meiste Zeit schaute man als „Spieler“ auch nur untätig zu, aber von Zeit zu Zeit gab es dann doch mal echt etwas zu tun und bot sogar einen einigermaßen nachvollziehbaren Grund, warum der Spieler nur geringen Einfluss auf das Geschehen nehmen konnte. The Daedalus Encounter ist zwar kein direkter Nachfolger, jedoch könnte man es als einen im Geiste sehen.

Wir befinden uns in der Zukunft™. Nach dem Ende des Krieges schlagen sich zwei Astronauten mehr schlecht als Recht als galaktische Schrottsammler durch. Nein, Moment, es sind drei Astronauten. Einer davon allerdings nur noch ein menschliches Gehirn in einer Metallkiste. Sein ursprünglicher Körper hat die Explosion vor ein paar Monaten nicht überlebt. Diese Rolle fällt selbstverständlich dem Spieler zu. Ari (Tia Carrere, bekannt aus Wayne's World, True Lies und später Relic Hunter) und Zack (Christian Bocher, bekannt aus absolut nichts), die beiden verbliebenen menschlichen Besatzungsmitglieder, spielen die üblichen Rollen der Marke „sie lieben sich, sie necken sich“.

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Dich kenne ich doch

Ihr aktueller Ausflug führt sie in eine Grenzregion, in der sie eigentlich nichts zu suchen haben. Man hätte es sich beinahe denken können, schon passiert etwas. Ihr kleines Schiff stößt mit einem riesenhaften Objekt zusammen, das ebenfalls ein Raumschiff zu sein scheint. Nur eines unbekannten, außerirdischen Ursprungs. Der Schaden ist beträchtlich. An Weiterfliegen ist nicht zu denken. Also bleibt nur die Erkundung des anderen Raumschiffs!

Das Spiel bringt dem Spieler sehr effektiv seine Handlungsmöglichkeiten bei. Man steuert eine Drone, die abgesehen von basischer Bewegung nur wenig drauf hat. Zugucken kann sie, und ansonsten Dinge scannen, frühere Aufnahmen wieder abspielen, Lichtsignale senden, sich kleinere Objekte schnappen und… das war's dann auch schon. Das Spiel führt diese Aktionen recht organisch ein, ohne dass es sich allzu sehr nach einem Tutorial anfühlt.

Sobald die eigentliche Geschichte an Bord des Alienschiffes beginnt, ändert sich allerdings erstmal herzlich wenig. Zack und Ari übernehmen für ca. drei Viertel des Spiels die Führungsrollen. Sie entscheiden, wo es hingeht, und bitten den Spieler von Zeit zu Zeit, Handreichungen für sie zu übernehmen. Es können jedoch durchaus mehrere Minuten vergehen zwischen zwei solchen Aktivitäten. Der letzte Spielabschnitt befreit den Spieler dann urplötzlich von diesen Einschränkungen. Endlich darf man sich frei bewegen, wenn es sich auch um die gleichen Gänge handelt, die man vorher bereits durchstreift hatte. Man könnte ja etwas übersehen haben.

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Unser Alter Ego

Das Ende könnte man also als das eigentliche Spiel ansehen, da dem Spieler endlich die Initiative überlassen wird, aber auch die vorhergehenden Abschnitte haben ihre Vorzüge. Insbesondere ist indem man sich an die Hacken der menschlichen Protagonisten hängt sichergestellt, dass immer etwas passiert. Wie ist es denn ehrlich gesagt in klassischen Adventurespielen? Klar, wenn einem endlich ein Durchbruch gelingt, wenn man ein Rätsel endlich löst, etwas findet, dann ist das toll. Aber die meiste Spielzeit verbringt man damit, eben solche Trigger überhaupt zu suchen.

Man könnte also behaupten, dieses Spiel fokussiert seine Spielzeit auf exakt geskripteten Fortschritt. Es ist actionreich, lässt den Spieler aber dafür die hauptsächlichen Plotpunkte nicht selbst entdecken. Stattdessen wird man nur in Kleinigkeiten eingebunden.

Diese Kleinigkeiten drehen sich oft um das Aufspüren versteckter Objekte innerhalb klar abgesteckter Räume oder dem Lösen von Farb- und Formrätseln, mittels derer verschlossene Türen geöffnet werden. Anders als in gewissen anderen Spielen sind letztere Rätseln immerhin selbst erdacht. Trotzdem erfüllen sie natürlich den Tatbestand faulen Spieldesigns, da sie nicht in die Narrative eingebunden werden müssen.

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Rätselkiste Nr. 5

In diesem Zusammenhang sei kurz auf die Ähnlichkeit dieser Rätsel mit The Dig hingewiesen. Mechadeus, Entwickler von Daedalus Encouter, ist auch in den Credits des LucasArts-Spiels zu finden für 3D-Rendering. Man denke mal drüber nach. Zwei Spiele, in denen man eine leblose außerirdische Welt erkundet. Beide Alienkulturen drehen sich um Informationskodierung mittels einfacher Formen und Farben. Zwar kan The Dig erst ein halbes Jahr später heraus, aber seine langen Verzögerungen sind mittlerweile wohl bekannt. Es stellt sich also die akute Frage, wer hier also wen kopiert hat.

So oder so sind die Rätsel maximal mittelmäßig. Es bleibt die Frage nach der Qualität der Erzählung. Das höchst künstliche Aussehen der dreidimensional gerenderten Umgebungen, bedingt durch die sich noch in den Kinderschuhen befindliche Technologie, kommt dem Spiel sogar zu Gute. Bereits gleich anfangs fällt die Bemerkung, dieses Schiff müsse aus einem der Menschheit unbekannten Material gebaut sein. Insofern ergibt es einigen Sinn, dass Wände, Boden und Decke sowie überhaupt alles sehr merkwürdig aussieht. Die Designs sind dabei gar nicht mal so schlecht. Objekte sind meist gerade genug an ihren menschlichen Gegenstücken angelehnt, ihre Funktion zu erahnen. Farben und (seltene) Animationen werden bewusst eingesetzt.

Das Alienschiff ist somit sicher die Stärke des Spiels. Der Plot bietet dagegen nur wenig. Das Motiv der Erforschung eines außerirdischen Raumschiffs, auf dem alle Insassen tot sind, ist ein Klassiker des Genres. Hier gibt es jedoch kein Mysterium zu entdecken. Die Crew wurde von Weltraum-Piranhas abgeschlachtet, wie Protagonisten und Spieler bereits nach kurzer Zeit erfahren. Einziges Ziel ist somit das eigene Überleben, indem man das Schiff unter Kontrolle bringt.

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Ganz bestimmt nicht Kansas

Der eine starke Moment, sowohl erzählerisch, als auch spielerisch, wartet erst ganz am Ende. In der wirklich letzten Szene erreichen die Protagonisten endlich die Steuerzentrale des Schiffs. Zur allgemeinen Überraschung findet sich dort doch noch ein lebender Außerirdischer. Es sieht alles nach einem Kampf zwischen Fangzähnen und Blastern aus, und genau das ist auch eine Möglichkeit, das Spiel zu beenden. Andererseits kann man es jedoch auch mittels der bislang aufgeschnappten Fetzen der Aliensprache zu einem friedlichen Ende bringen.

Spielerisch haut es einen weiterhin nicht vom Hocker. Letztlich geht es doch wieder nur darum, den richtigen winzigen Bildpunkt im genau richtigen Moment anzuklicken, während ein Renderfilm abgespielt wird. Doch es eröffnen sich gleich mehrere Sinnebenen. Retrospektiv wird das bislang erlebte und errätselte mit Sinn gefüllt. Den Charakteren wird eine weitere Dimension verpasst. Beinahe könnte man schon von einem Metakommentar aufs Genre sprechen.

Ist der Weg dorthin die Anstrengung wert? Sehr steinig ist er immerhin nicht. Das Spiel ist nicht lang und die liebevollen Streitereien der beiden Personen auf dem Bildschirm sind ganz unterhaltsam. Die Videos im Vollbildformat, die die damals beeindruckenden Fähigkeiten des 3DO zeigen, sehen akzeptabel aus. Selbst wenn mehr Farben eigentlich hätten drin sein müssen. Pflichtprogramm ist Daedalus Encounter nicht. Weit davon entfernt. Aber es ist auch keine Zeitverschwendung. Insbesondere im Rahmen „interaktiver Filme“.

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