Das Haus oder: Was habe ich da falsch gemacht?
für Amiga (OCS/ECS)

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Mr Creosote:
Firma: Ariolasoft
Jahr: 1990
Genre: Strategie
Thema: Geschäftswelt / Multiplayer
Sprache: Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 357
Rezension von Mr Creosote (08.04.2023)
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Ariolasoft war dank der großen Geldmaschine Bertelsmann im Hintergrund mit zwei Standbeinen großgeworden. Erstens brachten sie der Vertrieb diverser ausländischer Firmen deren Hits auf den deutschen Markt. Zweitens finanzierten sie die Entwicklung eigener Spiele, von denen sich insbesondere die Wirtschaftssimulationen (Kaiser, Hanse usw.) als besonders erfolgreich erwiesen. Mit Ralf Glau hatte man den Entwickler letzteren Spiels und weiterer Bestseller an Bord und ganz Deutschland dürstete scheinbar nach mehr. So entstand eine ganze Reihe typisch deutscher Wirtschaftsspiele, allesamt mit sehr generischen Titeln, an denen Glau mitprogrammierte. Aber nicht wirklich mitdesignte. Das Haus muss man wohl als Tiefpunkt dieser Phase bezeichnen.

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Angefangen von eben diesem Namen bis hin zur Anleitung, die sich auf drei dürre Schreibmaschinenseiten beschränkt, in denen man sogar noch belehrt wird, eine Anleitung sei eigentlich gar nicht notwendig, hat die Chose eine maximal semiprofessionelle Anmutung. Die Zeichensatzästetik des PC-Originals ersetzte der für die Amiga-Version zuständige Computer-Club Elmshorn (semi-professionell ist vielleicht noch übertrieben…) immerhin durch Pixelgrafik (und die Tastatursteuerung durch ein Mausinterface). Beim titelgebenden Haus handelt es sich gar um ein digitalisiertes Foto, das dann teilweise aber höchst amateurhaft übermalt wurde. Ganz im Stil der restlichen Grafiken.

Aber was passiert denn nun überhaupt in diesem Haus? Eine Gruppe Teenager, total bekifft, kommt auf die blöde Idee, aus Jux ein Dämonenbeschwörungsritual anzufangen, das dann außer Kontrolle gerät. Ach, nein, andere Geschichte. Es ist einfach ein stinknormales Mietshaus, mit dem der kapitalistische Spieler Geld zu scheffeln gedenkt. Und wer sich jetzt fragt, was daran denn bitte schon konzeptuell, jenseits der Umsetzung, interessant sein soll, der hat den Nagel bereits auf den Kopf getroffen.

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Die Aufgabe besteht also in der Optimierung, die Mieter maximal auszuquetschen mit Preisen, die sie gerade noch zu zahlen bereit sind, ohne dass sich die Wohnungen leeren. Es stehen Reparaturen und Renovierungen an. Der Nachschub an Heizöl sollte nicht versiegen. Die Geißel jedes Turbokapitalisten, das Steuersystem, kommt einem in die Quere. Das Spiel sieht immerhin die Option vor, Widerspruch gegen derlei Bescheide einzulegen. Und irgendwann gilt es dann, den Profit in weitere Häuser zu investieren usw. usf.

Wenn man trotz abgrundtief öder Thematik und amateurhafter Aufmachung immer noch am Ball ist, sei einem gesagt, dass im krassen Widerspruch zu den Behauptungen der Anleitung strategische Entscheidungen praktisch nicht vorkommen. Preise für Dienstleitungen scheinen vom Spiel zufällig ausgewürfelt zu werden, dem Spieler bleibt nur, sie zu akzeptieren, oder mit den jeweiligen Nachteilen zu leben. Ebenso beim Heizöleinkauf – zweifelhaft, dass die Preise in der echten Welt selbst heutzutage derart stark oszillieren. Wenn man die Gelegenheit hat, billig zu kaufen, ist das reines Glück und hat nichts mit guter Planung zu tun.

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Als wäre all das nicht genug, häufen sich explizite Zufallsereignisse. Mit großer Regelmäßigkeit verklagen einen Passanten, die vor dem Haus einen Unfall hatten. Dauernd finden sich Geldbörsen. Von der echten Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns wollen wir gar nicht erst anfangen. Manche dieser Ereignisse ziehen eine Spielerentscheidung nach sich. So kann man beispielsweise die verletzten Passanten direkt entschädigen oder es auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen. Doch wiederum steckt da selbstverständlich keine relevante Wahl hinter, denn der Urteilsspruch wird auch nur ausgewürfelt.

Manche Kandidaten der deutschen Wirtschaftssimulationsschwemme boten trotz flachem Spielverlauf immerhin ein irgendwie interessantes Thema, so dass durch im Kopf stattfindende Assoziationen trotzdem so etwas wie Spielspaß aufkam. Eben allein durch die Einbildung, das dort „simulierte“ fände tatsächlich statt und man sei mittendrin. Also Hanse oder meinetwegen sogar noch Steigenberger Hotelmanager. Ich hätte nichts dagegen, in der echten Welt ein Mietshaus zu besitzen und von den Einnahmen zu leben. Doch garantiert wäre mein erster Schritt in diesem Fall, mir eine zuverlässige Verwaltungsfirma zu suchen, all diesen Kram, der hier mehr schlecht als recht angedeutet wird, für mich zu erledigen. Warum also sollte ich das spielen wollen?

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