Starship Traveller
für Spielbuch

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Mr Creosote:
Weitere Titel: Das Universum der Unendlichkeit
Firma: Puffin Books
Jahr: 1983
Genre: Rollenspiel
Thema: Kämpfen / Fliegen / Science Fiction
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 946
Rezension von Mr Creosote (06.05.2023)
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Was ist der große Favorit der Nerdkultur neben Dungeons & Dragons? Genau, Raumschiff Enterprise. Anfang der 80er war die Marke gerade mit dem Riesenhit Der Zorn des Khan wiederbelebt worden. So überrascht es kaum, dass sich Steve Jackson dieses Franchise als Vorbild nahm für den vierten Band seiner Spielbuchreihe. Zumindest unter der Prämisse, dass ein Themenwechsel überhaupt angebracht war.

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Jackson lässt von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, dass dieses Buch anders sein wird. Der Spieler wird bereits vor Beginn des eigentlichen Abenteuers aufgefordert, Charakterwerte für mehrere Offiziere des Sternenkreuzers auszuwürfeln. Selbst übernimmt man die Rolle des kernigen Kapitäns, aber auch der Bordwissenschaftler, der Schiffsarzt, der Sicherheitsoffizier usw. werden Rollen spielen.

Das Abenteuer besteht aus Raumflug sowie kleinen, im Wesentlichen in sich geschlossenen Episoden auf verschiedenen Planeten, auf die wählbare Gruppen heruntergebeamt werden können. Als verbindendes Element dient die Suche nach Raum- und Zeitkoordinaten. Doch letztlich ist dies natürlich nur ein Vorwand, den Spieler von A nach B, nach C und dann nach F zu schicken. Unter den Episoden finden sich die üblichen Verdächtigen, wie ein unterdrückerisches Roboterregime, eine unterentwickelte Gesellschaft, in der ein normaler Mensch aufgrund seiner technischen Geräte als Gott verehrt wird, man findet sich in Gladiatorenkämpfen wieder usw.

Es bleibt also jederzeit abwechslungsreich. Der Schreibstil ist allerdings flach und wirkt überhastet. Die Themen sind sichtbar, aber dieses vielzitierte Atmosphäre-Dingens will einfach nicht aufkommen. Die mangelnde sprachliche Qualität ist unentschuldbar. Die Kürze der einzelnen Episödchen spielt dabei natürlich auch seine Rolle, ist aber gar nicht so klar negativ. Schließlich möchte man sich ja auch nicht in länglichen Handlugssträngen verlieren und dabei das Große und Ganze der Reise vergessen. Diesbezüglich ist die Balance schon nicht schlecht gelungen. Trotzdem ist das Buch mit gerade mal 340 Abschnitten das kürzeste der gesamten Serie.

Damit nicht genug. Oftmals kommen die ganzen neuen Spielmechaniken, von Schiffskämpfen bis hin zu Phaserduellen, in Durchgängen überhaupt nicht vor. Die Ideallösung kommt gar komplett ohne jeglichen Kampf, Geschichlichkeits- oder Glücksprobe aus. Man rührt die Würfel also nach dem ganzen Bestimmen der Charakterwerte nie mehr an. War Jackson etwa mehr daran interessiert, sich Systeme auszudenken, als sie in echten Spielsituationen zum Einsatz zu bringen? Es ist ohnehin so, dass insbesondere die Gruppenprügeleien viel zu viel Zeit benötigen, wenn man sie streng nach Regeln spielt. Insofern gut, wenn sie nicht so oft vorkommen. Nur, warum denkt man sich dann überhaupt eine Spielmechanik aus, die keinen Spaß bereitet?

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Stattdessen liegt die Herausforderung darin, den richtigen Weg durch die sich verästelnden Zweige voller falscher Fährten zu finden. Insofern ist das systematische Lösen des Spiels keine besonders schöne Erfahrung. Im Prinzip ist es nur Versuch & Irrtum bei Entscheidungen, die man nur zufällig treffen kann. Im wahrsten Wortsinne, wenn man sich durch ein Labyrinth identischer Räume mit Links-Rechts-Ausgängen kämpfen muss. Weniger explizit, aber nicht viel besser, bei all den Entscheidungen, die auf ein simples „Möchtest du diese Begegnung fortsetzen oder zur nächsten springen?“ hinauslaufen. So oder so keine befriedigenden Wahlmöglichkeiten.

Dazu kommen Szenen, in denen Ursache und Wirkung einfach nicht erklärbar sind. Wie kann man beispielsweise erklären, dass die Möglichkeiten, wo man als nächstes von Planet A aus hinreisen kann, davon abhängen, ob man eben jenen Planeten besucht hat oder nicht?

Die Stärke des Buches hätte insofern wirklich in Thema und Erzählung liegen müssen. Da beides jedoch derart skizzenhaft ist, bleibt nicht viel hängen. Und überhaupt, was hat Raumschiff Enterprise denn so beliebt gemacht? Das waren doch auch die Interaktionen innerhalb der Besatzung. Die dauernden kleinen Sticheleien zwischen Spock und McCoy usw. Die entsprechenden Rollen in Starship Traveller zeigen keinerlei Charakter. Man „benutzt“ sie auf höchst mechanische Weise, wie Objekte. So sind sie nicht besser als die Ausrüstung, die man vom Zauberer Yaztromo am Anfang des Forsts der Finsternis erwirbt. Eine herbe Enttäuschung.

Den Willen zu experimentieren, sowohl thematisch als auch spielmechanisch, muss man gutheißen. Der fehlende Wille oder die Unfähigkeit, daraus eine positive Spielerfahrung zu formen, ist schade. Starship Traveller ist ein Buch für Sammler. Hochinteressant für die Entwicklung der Reihe, aber sucht man den ursprünglichen Sinn, also Unterhaltung, dann kann man dieses Abenteuer überspringen.

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