Kingdoms of England II, Vikings: Fields of Conquest
für Amiga

Wandrell:Mr Creosote:Gesamt:
3.5/6
Firma: Krisalis
Jahr: 1992
Genre: Strategie
Thema: Historisch
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 14943
Rezension von Mr Creosote, Wandrell (16.12.2012)
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[Wandrell] Das Strategie-Genre ist so alt wie Brettspiele eben sind, doch das soll nicht bedeuten, dass man bereits alles gesehen hätte. Etwas zu erdenken, dass gleichzeitig Spaß macht und doch strategische Tiefe hat, ist schwierig, und auch bei oberflächlig als reine Eroberungsspiele erscheinenden Veröffentlichungen sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. Schließlich erschöpft sich Strategie nicht darin, nur Armeen über eine Landkarte zu bewegen und gegnerische Lords zu bekämpfen.

[Mr Creosote] Ist das so? Das Spiel, das wir uns heute vorgenommen haben, Vikings: Fields of Conquest, könnte einen glatt vom Gegenteil überzeugen. Es handelt sich mal wieder um das simpelste aller Szenarien, in dem verfeindete Lords sich um die Vorherrschaft über das mittelalterliche England streiten, was man ja ehrlich gesagt schon wirklich hundertmal gespielt hat.

Ein Spielprinzip der Strategie?

[Wandrell] Also meines Erachtens steckt da schon ein wenig mehr drin. Vielleicht nicht viel, aber immerhin muss man schon Entscheidungen treffen wie die Reihenfolge, in der man verschiedene Provinzen angreift, beispielsweise motiviert durch den permanenten Mangel an Ressourcen und dadurch, dass die Regionen unterschiedlich gut verteidigt sind. Letzterer Aspekt funktioniert leider nicht so gut, da das Spiel keine Entdecker oder Spione vorsieht, die die Nachbarn auskundschaften könnten.

[Mr Creosote] Es existiert also neben dem üblichen Zusammenstellen von Armeen und den Zusammenstößen mit den Feinden so etwas wie ein rudimentäres Wirtschaftssystem. Soweit bin ich einverstanden. Doch sprechen wir hier von einer Karte, die aus beinahe 200 Provinzen besteht, so dass natürliche Ressourcen nicht unbedingt knapp an allen Ecken und Enden vorhanden sind (was ansonsten die Sache tatsächlich deutlich interessanter gemacht hätte).

[Wandrell] Die Ressourcen sind die üblichen: Gold, Nahrung, Holz, Steine und Eisen. Stein muss natürlich abgebaut werden oder man sucht einfach danach, doch Eisen ist schon schwieriger aufzutreiben (es kommt nur in Gebirgen vor), so dass die beiden erstmal die wichtigsten sind.

[Mr Creosote] Mit Hilfe dieser Ressourcen sowie der Steuereinnahmen stellt man dann Armeen auf. Wie üblich eben. Interessant hätte es bei den unterschiedlichen Einheitentypen werden können.

[Wandrell] Mir sind das sogar viel zu viele Einheiten. Man kann sich den Sinn einiger durchaus erschließen (oder einbilden), wie beispielsweise die Kombination Lanzenträger und Reiter oder Katapulte und Burgen, doch lange nicht alle Einheiten haben solch klare Gegenstücke und nichts und niemand kann einem ganz genau sagen, welche Vor- und Nachteile man denn nun womit hat. Eine übermäßige Verlagerung solcher Informationen auf die Anleitung war ja aber durchaus üblich seinerzeit.

[Mr Creosote] Deshalb sagte ich ja auch, es hätte interessant werden können. Praktisch ergeben sich kaum messbare Unterschiede zwischen einem Ritter, einem Ritter zu Ross und einem „Champion“. Die einzige Einheit, die sich wirklich deutlich sichtbar in ihrem Anwendungszweck unterscheidet, sind die Katapulte, ohne die die Erstürmung von Burgen prinzipiell unmöglich ist.

[Wandrell] Nicht dass man viele Belagerungen durchführen wird. Die meiste Zeit ist man damit beschäftigt, sich Ländereien einzuverleiben, was sich darauf besteht, Bauernhaufen und ein paar feindliche Soldaten zu überwältigen. Die Schlachten gestalten sich simpel: Man bewegt seine Armeen einfach so weit, bis sie in ein Territorium gelangen, welches nicht unter der eigenen Herrschaft steht, und sobald man den Zug beendet oder auf Wunsch vorher manuell beinnt die Schlacht. Die Einflussmöglichkeiten beschränken sich dann darauf, sich zurückzuziehen oder bestimmte Truppenteile aus der Schlacht herauszuhalten. Unabhängig von diesen Optionen scheint das Ergebnis ohnehin rein willkürlich ausgewürfelt zu werden.

[Mr Creosote] Da muss ich dann doch mal einhaken und eine positive Seite des Spiels betonen: Man kann einzelne Schlachten bereits während des eigenen Zuges entscheiden anstatt sie am Ende der Runde alle auf einmal berechnen zu lassen. So kann kan ohne Zeitverlust noch in der gleichen Runde auf den Ausgang reagieren. Keine schlechte Idee!

[Wandrell] Der erste Angriff ist trotzdem immer ein Risiko. Da man nichts über die Nachbarn weiß, fehlen einem Informationen, eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, wen man schicken soll, so dass die initiale Attacke immer ein Glücksspiel ist, was die Zufälligkeit nochmal unterstreicht.

Das Zusammenspiel der Einheiten wirkt zufällig, die Zusammenstellung der gegnerischen Armeen wirkt zufällig und dann kommen noch weitere Zufallselemente in den Entscheidungen vor der Schlacht hinzu? Das verträgt sich nicht gut mit dem Strategiegenre.

[Mr Creosote] Hmm… also meiner Meinung nach wird zumindest die Planung dadurch weniger zufällig. Ich bleibe dabei, dass man durch die Möglichkeit, einzelne Schlachten mitten während des Zuges berechnen zu lassen, eben nicht sofort eine riesige Armee schicken muss, sondern auch erstmal ein kleiner Spähtrupp ausreicht, der Informationen sammeln und im Idealfall den Gegner schonmal etwas weichmachen kann, bevor man dann ein der Stärke des Feindes angepasste Haupttruppe noch in der gleichen Runde hinterhersendet.

Das ist natürlich nicht sonderlich „realistisch“, da eigentlich all diese Aktionen, die logischerweise gleicheitig stattfinden müssten, serialisiert werden, aber es erlaubt dem Spieler eine größere Kontrolle über das Geschehen. Ja, unrealistisch (insbesondere, da das Spiel die „Aktionspunkte“ der Armeen in verfügbaren Tagen angibt), aber spielerisch sehr praktisch.

[Wandrell] All das lässt sich eigentlich auf einen Punkt zusammenfassen. Oder zwei Punkte, nur sind diese beiden eng miteinander verbunden. Erstens gibt es keinen sinnvollen Weg, die Stärke eines Gegners im Vorhinein zu erfahren. Blind auf einen Gegner loszustürmen gefällt mir schonmal prinzipiell überhaupt nicht.

Der zweite Punkt ist jedoch noch wichtiger. Dem Spiel fehlt ein übergreifendes Strategieelement, etwas, woran man seine Entscheidungen ausrichten kann, woran man messen kann, welche Länder riskant und welche wertvoller sind.

[Mr Creosote] Bezüglich letzterem kann ich zustimmen. Manche Länder haben „intrinsisch“ bessere Verteidigungswerte und man kann eben auch Burgen errichten, um das noch zu verbessern, aber beispielsweise wirklich mal eine durchgehende Verteidigungslinie zu erreichten, ist recht sinnlos. Das Spiel belohnt einseitig offensive Spieler. Soll heißen: Kann man eine Provinz erobern, dann sollte man das auch schleunigst tun.

[Wandrell] Letztendlich laufen die Schlachten auf das übliche Hin und Her gegen die Computergegner hinaus, solange bis eine Seite aufgrund völligem Kollaps der Armee aufgeben muss.

Verschiedene Arten von Computergegnern

[Mr Creosote] Was mir wirklich im Spiel fehlt ist eine zumindest rudimentäre Diplomatie. Zwar verteilen sich auf der Karte diverse andere Lords, aber verbünden kann man sich mit niemandem und selbst ein zeitweiliger Waffenstillstand, um seine Armeen woanders konzentrieren zu können, ist nicht möglich. Man muss permanent an allen Fronten kämpfen.

[Wandrell] Darin zeigt sich wieder das Fehlen größerer Strategieelemente. In diesem speziellen Fall kann man das aber wohl darauf zurückführen, dass das Spiel wohl hauptsächlich für Multiplayer-Partien gedacht ist, so dass man eben beispielsweise Diplomatie direkt mit den anderen Mitspielern abwickeln kann (als ob sowas jemals funktionieren würde).

[Mr Creosote] Schon möglich, denn erst dann ergäbe ja auch ehrlich gesagt die Ankunft der Wikinger als zusätzliche Bedrohung für die lokalen englischen Lords so richtig Sinn, denn spielt man ausschließlich gegen den Computer, ist ehrlich gesagt kein ersthafter Unterschied auszumachen.

[Wandrell] Auch den Ressourcen würde dann eine wichtigere Rolle zufallen. Die Computerspieler brauchen sich mit den Beschränkungen der menschlichen Spieler anscheinend nicht herumzuschlagen, was einzig und allein damit erklärt wird, dass sie eben Wikinger sind, die sich einfach alles, was sie brauchen, aus den unentwickelten Ländereien nehmen können, während man selbst eine Armee aus nur langsam und vorsichtig nachwachsenden bäuerlichen Bevölkerungen rekrutieren muss.

[Mr Creosote] Vieles davon erklärt sich wohl dadurch, dass sich das Spiel an Einsteiger zu richten versucht, die mit den für die 1980er Jahre typischen hyperkomplexen Kriegsspielen überfordert waren. Entsprechend simpel ist hier alles gehalten.

[Wandrell] Gerade das macht das Spiel eigentlich aus. Wie angemerkt gibt es bei genauerer Betrachtung durchaus einige Probleme, doch der Einstieg ins Spiel könnte kaum glatter gehen: Durch die einfache Maussteuerung, Pop-Up-Icons und aufgeräumte Fenster ist es sehr einfach, sich im Spiel zurechtzufinden.

[Mr Creosote] Das Drauflosspielen wird einem zweifellos leicht gemacht. Die Icons sind bezüglich ihrer Funktion klar identifizierbar, ein bisschen kurzes Ausprobieren an Stelle des Studiums einer dicken Anleitung reicht locker. So steht Vikings in einer seinerzeit noch recht neuen Tradition…

Das Untergenre auf der Suche nach der Zugänglichkeit

[Wandrell] Britannien zu erobern ist ja nichts Neues, das tun Menschen bereits seit Jahrhunderten. Und so ist es auch keine Überraschung, dass bereits sehr ähnliche Spiele existierten. Man denke beispielsweise an Defender of the Crown, in dem man als „guter“ Angelsachse auf recht ähnliche Art und Weise gegen die „bösen“ Normannen kämpft.

[Mr Creosote] Ja, Vikings schuldet diesem Spiel eine Menge. Mitte der 80er Jahre war ein simples Kriegsspiel ohne 1000 Regeln und ohne eine ausgefuchst-komplexe Eingabemethode noch beinahe undenkbar gewesen. Defender of the Crown stellte so ein mutiges Experiment dar, doch als die Kundschaft dann über das Staunen angesichts der hinreißende Grafik hinweg war, folgte der Frust über das doch sehr eingeschränkte Spielprinzip. Vikings hat dagegen noch nicht mal eine solche Grafikpracht, genausowenig wie es zumindest einigermaßen unterhaltsame Actionszenen bietet.

[Wandrell] Doch trotz all seiner Einschränkungen war DotC ein Spiel, das andere Firmen versuchten aufzugreifen. Man denke beispielsweise an King Arthur's K.O.R.T., das eigentlich genau das gleiche ist, nur dass man dort einen ehrenvollen britischen Ritter spielt. Auch dort hat man sich hauptsächlich auf ein gutes Interfacedesign verlassen, was zum wiederkehrenden Merkmal des Untergenres werden sollte – es ist ein eher unbekanntes Spiel, bei dem man ebenfalls das Geschehen auf den ersten Blick intuitiv erfassen konnte.

[Mr Creosote] Natürlich stellt sich bei diesen Spielen immer die Frage, wie weit man das Spielprinzip vereinfachen soll. Wir mögen zwar jetzt nicht gerade begeistert sein von Vikings' strategischem Inhalt, aber immerhin ist es auf dieser Ebene schon grundlegend in Ordnung. Ganz im Gegensatz zu DotC, das ja wirklich in dieser Hinsicht ein absoluter Scherz war.

Meines Erachtens hätte Vikings mehr Gewicht auf den Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft als Basis für den Erfolg legen und im Gegenzug den militärischen Konflikt nur als Mittel der letztendlichen Entscheidung des Konflikts setzen sollen. So hätte man sich von der Konkurrenz absetzen können – eine Formel, mit der knapp zwei Jahre später Lords of the Realm sehr gut fuhr.

[Wandrell] Immerhin macht das Spiel einem den Einstieg leicht, auch wenn es auf Dauer doch immer eintöniger wird. Der Mehrspielermodus könnte da eventuell schon etwas verbessern, aber ich bezweifle doch, dass dieser Effekt wirklich entscheidend ist.

[Mr Creosote] Es ist schade, dass zu der Zeit nur wenige Entwickler zwischen den beiden Axen der Zugänglichkeit unterschieden, also dem Interface und sonstigen Hilfefunktionen für den Spieler sowie die durch die Regeln diktierte Spieltiefe. Es sollte ja eigentlich möglich sein, ein Spiel zu gestalten, dass ersteres Problem angeht, ohne letzteres gleich mit zu plätten – wie im Fall von Vikings.

Abschluss

[Wandrell] Es ist ein empfindlicher Balanceakt. Man denke nur an Machiavelli the Prince, das genau in die andere Richtung geht: erstens Wirtschaft, zweitens Strategie. Damit kommt es der Auflösung des Konflikts für Einsteiger meines Erachtens näher, aber eben auch erst ein Jahr später bzgl. der Originalversion und sogar drei bzgl. der erweiterten.

[Mr Creosote] Vikings war schon ein ernstzunehmender Versuch, aber letztlich ein erfolgloser. Ich kann es mit Vorsicht empfehlen, solange klar ist, dass man keine langfristige Herausforderung erwartet.

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