Return to Zork
für PC

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Mr Creosote:
Firma: Infocom / Activision
Jahr: 1993
Genre: Adventure
Thema: Sonstige Fantasy / Humor
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 15089
Rezension von Mr Creosote (07.06.2014)
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Textadventures sind nicht die organischste Assoziation für die 1990er Jahre. Doch wenn man das Gedächtnis dann doch ein wenig anstrengt, muss man eingestehen, dass Beyond Zork und Zork Zero doch immerhin aus den späten 1980ern stammen. Als also Return to Zork angekündigt wurde, waren die Erinnerungen noch relativ frisch. Und so schlecht Activisions Image bei den alten Infocom-Fans gewesen sein mag, so muss man ihnen lassen, dass sie die Marken am Leben zu halten versuchten. Ihr vorhergegangener Versuch, einen der alten Klassiker wiederzubeleben, war zugegeben voll in die Hose gegangen: Leather Goddesses of Phobos 2 stellte sich als überhastet zusammengeschustertes Machwerk jenseits der Bugtoleranz. Es war auch das letzte Mal gewesen, dass einer der alten Infocomler im Design involviert wurde.

Return to Zork musste als ohne bekannte Gesichter im Hintergrund zurechtkommen und es war dazu verdammt, ein Erfolg zu werden – sonst wären die Infocom-Marken wohl allesamt endgültig beerdigt worden. Dazu musste es den Spagat versuchen, sowohl neue Spielergruppen anzusprechen, als auch die alten Fans nicht völlig zu vergrätzen. In letzterem Sinne zeigt das Spiel offen seine Wurzeln, und damit ist noch nicht mal die Introsequenz, in der die berühmten initialen Textbeschreibungen des ersten Zorks in grafische Versionen überblendet werden, gemeint; genausowenig die zahlreichen Anspielungen, denen man sich durch ihre Zahl und Frequenz selbst wenn man wollte gar nicht erwehren könnte.

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Stattdessen ist es die Spielstruktur, die Veteranen sofort vertraut vorkommt. Zuerst ist diesbezüglich zu nennen, dass Return to Zork sich einfach mal erdreistet vorauszusetzen, dass der Spieler auch tatsächlich spielen will! Ein motivierender Plot über ein vormals durch Touristik blühendes Dorf, dessen Gebäude und Bewohner langsam Stück für Stück spurlos verschwinden, wird gerade mal kurz angedeutet. Was der Protagonist, immerhin ein Fremder dort, damit zu tun hat? Das Spiel geht davon aus, dass die Neugier der Spieler, diese Welt schon erkunden zu wollen und dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, überwiegen wird. Eine explizite Mission oder kurzfristige Ziele werden nicht kommuniziert. Die heutige typische Frage gewisser Spielergruppen nach klaren Zielen zwecks Immersion („Warum mache ich das?“) bleibt unbeantwortet.

Was einem in dieser großen, erstmal recht leer erscheinenden Welt entgegenkommt, ist die erwartete Ansammlung von Seltsamkeiten. Sinn ergibt im klassischen Sinne erstmal wenig, wenn man beispielsweise erklären sollte, wie es bloß jemals zu dieser Zusammenstellung von Häusern und sonstigen Ortschaften gekommen ist. Oder warum sie von solch albernen Gestalten bewohnt werden. Oder warum ein Magier mittels einer magischen Kugel mit dem Spieler kommuniziert; scheinbar eine Art Führer durchs Spiel, aber tatsächlich eher ein neckischer Plagegeist, der immer zu den unpassendsten Momenten auftaucht und Dinge wie „…und das ist der einzige Weg, dort lebend herauszukommen. Merk dir das gut!“ von sich gibt. Es ist schon der gleiche exzentrische Humor, für den Zork schon immer berühmt gewesen war.

Und doch sollte es bei aller Nostalgie der große, revolutionäre Sprung für die Serie sein. Dies zeigt sich darin, dass die Designer auf Text beinahe vollständig verzichten. Wo das bereits erwähnte LGoP2 zwar den Bildschirm mit Grafik füllte und auch mausgesteuert war, verlief seine Narrative doch beinahe ausschließlich über längliche Textpassagen. RtZ versucht sich dagegen recht erfolgreich daran, seine Informationen visuell zu transportieren. Selbst die Dialoge werden durch grafische Icons gesteuert und rein gesprochen vorgetragen; selbst optionale Untertitel sind nicht vorgesehen.

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Ganz in diesem Sinne versucht das Interface die Brücke zwischen dem Verlangen nach maximaler Freiheit (von den Klassizisten) und der Notwendigkeit vorsichtiger Führung (von den Modernisten) zu schlagen: Alle Verben, die in der einen oder anderen Weise Sinn ergeben könnten, werden pro Objekt (oder Objektkombination) kontextsensitiv zur Verfügung gestellt. Im ersten Bild könnte man eine Kletterpflanze also beispielsweise anschauen, ausreißen, abschneiden, ausgraben oder essen. Das große Hinweisschild könnte man dafür durchlesen. Was aber den Spieler nicht vor großen Dummheiten bewahrt: Zerstört man mutwillig ein spielentscheidendes Objekt, ist das dem Spiel egal – es lässt einen weiterspielen und verschweigt, dass man sich schon lange in einer Sackgasse befindet.

Man fühlt sich also an das erinnert, was Legend Entertainment mit ihren ersten primär grafischen Spielen wie Companions of Xanth machte, und es ist vielleicht der erfolgreichste Kompromiss zwischen den zwei Welten, den das Spiel anstellt. Das Spieldesign ist, wie beschrieben, eher altertümlich aufgesetzt. Das Fehlen klarer Führung, klarer Ziele und einer logisch zusammenhängenden Welt sowie eine Erzählung, die sich selbst niemals ernst nimmt, waren zur Entstehungszeit eher schwer verdaulich. 1993 war ein Charakter wie dieser Magier in der Kugel ein ziemliches Risiko, denn obwohl er sicher als humorvolle Auflockerung gemeint war, konnte er von weniger vorbelasteten Spielern auch durchaus als nervig oder sogar unverschämt empfunden werden, da man es einfach nicht mehr so gewohnt war, von einem Spiel dermaßen offen beleidigt und verhöhnt zu werden. Und für jede (löbliche) alternative Rätsellösung gibt es auch einen fiesen Weg zu sterben oder eine weitere nicht offensichtliche Sackgasse.

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So kann RtZ durchaus frustrierend werden, aber vielleicht richtete es sich ja doch primär an die alten Fans? Tja, nur das jene leider durch die gerenderten Grafiken (die ehrlich gesagt stellenweise potthässlich sind) einer der größten Stärken das klassischen Infocom-Spiele beraubt: den Textbeschreibungen der Orte, der Objekte und der Aktionen. Infocom war ja nicht nur ein toller Parser; ihre Spiele waren auch so erfolgreich, weil sie gut geschrieben waren. Manchmal blitzt davon noch ein bisschen in den Dialogen auf, aber größtenteils geht es dem Spiel ab.

Das darf man nun nicht falsch verstehen: Obwohl es sich in einem völlig anderen Teil der Welt abspielt, ist dieses Spiel wohl der nächstmöglich gelegene Kompromiss, ein Zork in grafischer Form zu machen. Nur gibt eben ein paar unauflösbare Widersprüche. Und die Änderungen sind eben nur auf den ersten Blick signifikant, denn sie bleiben weitgehend auf der Oberfläche. Das Spielprinzip und, vielleicht sogar noch wichtiger, der Tonfall des Spiels richten sich sichtbar an die existierende Fanbasis. Was erstmal seltsam wirkt, da Infocoms Geschäft immerhin vor ein paar Jahren zusammengebrochen war, was immerhin als vorsichtiger Indikator, dass jene Basis nicht mehr groß genug sein könnte, gesehen werden könnte.

Aber vielleicht war ja genau das gerade die Intention dieses Experiments? Herauszufinden, ob die generellen Designprinzipien noch ziehen würden, wenn man sie in neue Mechaniken verpackt? Durch den (damals) taufrischen Glanz der „Multimedia-Präsentation“ ging die Formel wohl auf. Zumindest gut genug, für weitere Nachfolger zu sorgen, von denen der direkt folgende sich dann tatsächlich entscheidend weiter von seinen Wurzeln entfernte. Aber ganz soweit war man hiermit noch nicht…

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