Transparent
für Interpreter (Glulx)

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Mr Creosote:
Firma: Hanon Ondricek
Jahr: 2014
Genre: Adventure
Thema: Sonstige Fantasy / Horror / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 13794
Rezension von Mr Creosote (22.11.2014)
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Einige Themen gehören zum Standardrepertoire der Belletristik. Die Erforschung eines Geisterhauses gehört selbstverständlich dazu. Auch hier auf dieser Webseite kann man zahlreiche Vertreter dieses Genres in interaktiver Form finden, die qualitativ das gesamte Spektrum abdecken. Heute geht es um Transparent, dessen Protagonist es als Teil einer Filmcrew in ein solches Haus verschlägt. Seine Aufgabe ist es, vorbereitende Fotos der Schauplätze zu schießen. So denke ich zumindest – die genaue Hintergrundstory und die daraus resultierende Motivation existieren fast überhaupt nicht, aber das macht auch nichts, da einen schnell genug die natürliche Neugier treiben wird.

Das Spiel ist insofern radikal, dass das Design ein sehr freies Spielen erlaubt. Erstmal simuliert es einfach eine kleine Welt, in der der Spieler die Ereignisse selbst formen kann. Es ist möglich, sich einfach das Haus anzugucken, ein paar schöne Schnappschüsse zu machen und dann wieder abzufahren – so wie es die Aufgabe vorsieht. Das Spiel verpasst dem Spieler dann eine Punktzahl und endet je nach Anzahl relativ positiv. Alternativ kann der Spieler aber auch versuchen, im Haus verborgene Schätze zu finden, diese an sich zu nehmen und sich auf Nimmerwiedersehen davonzumachen. Oder man kann den Hinweisen auf die Geistererscheinungen und der Tragödie, die sich hier in der Vergangenheit abgespielt haben muss, nachgehen. Kein Weg wird vorgegeben und die drei skizzierten sind auch keinesfalls strikt voneinander getrennt – man kann in alle Richtungen soweit oder sowenig reinschnuppern, wie man möchte.

Diese Qualität macht Transparent zu einem der wenigen Spiele, die dem Spieler Interaktivität im Sinne wirklicher Entscheidungsfreiheit, die Geschichte selbst zu gestalten, erlaubt. Natürlich tatsächlich immer noch in einem gegebenen Rahmen, jedoch sind diese Beschränkungen lange nicht so eng wie man es sonst leider gewohnt ist. Am schönsten ist dabei, dass praktisch keine festen Plotpunkte existieren, keine „großen Enthüllungen“ in nicht-interaktiver Form. Statt erzählt zu werden, entwickelt sich der Plot mittels der Interaktion selbst. Das stärkt die Einbindung des Spielers immens, da man das deutliche Gefühl vermittelt bekommt, sich tatsächlich in gestaltender Rolle zu befinden, anstatt nur vorgegebenen Schritten auf vorgegebene, nicht veränderbare Weise zu folgen.

Transparent nahm an der jährlichen Interactive Fiction Competition teil. Damit drängt sich der Vergleich zu früheren Mitbewerbern natürlich geradezu auf. Im Jahr davor schnitt das thematisch ähnlich gelagerte Robin & Orchid sehr gut ab. Beide Spiele sind klar im Geisterhausgenre zu lokalisieren und beide bedienen sich sogar sehr ähnlicher Spielmechaniken. Bezüglich der Erzählstrategie ist Transparent jedoch das genaue Gegenteil. Wo das ältere Spiel seinen Plot beinahe vollkommen von der spielerischen Ebene abkoppelte und letztere nur als Auslöser für die Geschichten, die dann auf nicht interaktive Weise losgekoppelt mittels eines Mechanismus außerhalb der Interaktionsebene erzählt wurden, benutzte – was zu harschen Beschwerden meinerseits führte.

Die Loslösung ist in Transparent nicht zu beobachten. Spiel und Geschichte bilden eine Einheit. Dies lässt sich sehr eingängig an den Kameras erläutern. In beiden Spielen laufen die Protagonisten mit Polaroidkameras herum, mit denen sie bestimmte Dinge fotographieren sollen. Robin & Orchid implementierte dies geradezu akribisch, jedoch blieb es ohne Funktion, hatte keine Relevanz für den Fortschritt des Spielers oder die Handlung. In Transparent wird die Kamera nicht nur dazu verwendet, die Punktzahl aufzubessern, sondern der Blitz spielt auch eine zentrale Rolle, wenn man blind in dunklen Räumen herumstolpert. Was dann direkt die Geistererscheinungen auslöst. Die Spielmechanik (mittels des Kamerablitzes die Räume zu durchsuchen) treibt also den Plot (Geistererscheinungen) unmittelbar.

Abgesehen davon, dass es also ein gutes Spiel mit leicht verdaulicher Rätselkost, das einige Klassiker liebevoll zitiert (der Butlergeist übernimmt beispielsweise in etwa die Funktion des Diebs aus Zork), ist, ist Transparent somit auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie interaktive Erzähltechnik sein sollte. Das Spiel besteht nicht nur daraus, den jeweils nächsten vorgesehenen Schritt der statischen Geschichte auszulösen. Der Plot wird nicht nur auf interaktive Weise enthüllt, sondern der Plot an sich ist interaktiv. Hervorragend!

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