Lizensierung erfolgreicher Franchises in ein anderes Medium geschieht nur selten aufgrund künstlerischer Überlegungen. Vielmehr sind die Dollarzeichen in den Augen der Auslöser. Der Roman Der Wüstenplanet gehört rein inhaltlich sicher zu den am schwierigsten zu adaptierenden Stoffen. Die Fülle an Charakteren, die Sprünge der Erzählperspektive, die zahlreichen komplexen Themen, die endlosern inneren Monologe… Trotzdem war Mitte der 80er eine Verfilmung entstanden und Anfang der 90er hielt man den Stoff reif für eine Computerversoftung. Die Neulinge von Cryo sollten sich daran versuchen. Nach einigen Schwierigkeiten lieferten sie.
Was sie ablieferten, war bemerkenswert. Nachvollziehbar beginnt das Spiel mit Paul Atreides' Ankunft auf Arrakis und die Erzählung geschieht komplett aus seiner Sicht. So bekommen die Spieler einen eindeutigen Avatar, der in die Geschichte und das Spielprinzip leitet. Die ersten Aufgaben sind einfach und explizit vom Herzog, Pauls Mutter oder einem der Ratgeber ausgelobt. Langsam öffnen sich dann die Spielwelt und der spielerische Umfang mit der Zeit.
Aufgabe der Atreides ist es, das Gewürz abzubauen, die wichtigste Substanz des Universums. Ihre Erzfeinde, die Harkonnen, befinden sich allerdings ebenfalls auf dem Planeten. Es gilt, das Vertrauen der Fremen zu gewinnen, sich die Saboteure der Harkonnen vom Hals zu schaffen, später ihre direkten Angriffe abzuwehren und schließlich in einem großangelegten Gegenangriff die vollständige Kontrolle über den Planeten zu erlangen. Während man so ganz nebenbei natürlich den immer weiter steigenden Gewürz-Hunger des Imperators zu stillen hat.
Letzteres zeigt bestens, wie Cryo spielerische Notwendigkeiten in die Erzählung verwebt. Der Gewürzabbau ist durch die Forderungen des Imperators klar begründet. Werden diese nicht erfüllt, ist das Spiel sofort verloren. Jede Woche erhöht sich allerdings die gewünschte Menge, beinahe schon in exponentieller Form. Implizit ergibt sich dadurch eine gewisse Dringlichkeit, ein sich langsam steigender Druck, das Spiel zu Ende zu bringen. Und das, ohne im geringsten künstlich zu wirken.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem langsamen, zuerst kaum merklichen Übergang des erstmal stark dialogbasierten, Adventure-ähnlichen Spielprinzips zu strategischerer Planung. Bald kommandiert man ein Dutzend Fremen-Truppen auf der Planetenkarte herum, auf der Suche nach Gewürz, zum Abbau oder schickt sie zum Training ihrer Kampffähigkeiten, und stellt ihnen bessere Ausrüstung zur Verfügung, die man entweder glücklich gefunden oder aber in einer der versteckten Schmugglerstädte erstanden hat.
Jene Schmugglerstädte müssen, wie auch die „Sietches“ der Fremen überhaupt erstmal auf der Karte gefunden werden. Wieder lenkt das Spiel solche Erkundungszüge zuerst recht stark, lässt den Spieler dann aber mehr und mehr los. Und was die Planung und Strategie angeht, so muss Paul anfangs noch wirklich zu jedem Anführer reisen und Befehle persönlich übergeben, während er später telepathische Kräfte entwickelt und Interaktionen somit auch auf Entfernung vornehmen kann. Beides entspricht den spielerischen Notwendigkeiten der jeweiligen Spielphasen (vom Mikromanagement zum Makromanagement, sobalb der Gesamtumfang sich vergrößert) und plotmotiviert.
Nicht ganz ausbalanciert ist die Einheit von Erzählung und Spiel bezüglich des Tempos. Im Rückblick passiert in einer erfolgreichen Partie ganz schön viel in sehr kurzer Zeit, so dass es alles recht gedrängt wirkt. Innerhalb weniger Tage trifft der Spieler zahlreiche relevante Charaktere, verliebt sich, entwickelt Superkräfte und stellt die Machtverhältnisse auf dem Planeten auf den Kopf. Die Fremen werden ziemlich schnell zu Elitesoldaten und das Ökosystem der Wüste verwandelt sich ebenso schnell in grüne Wälder. Spielerisch ist all das nachvollziehbar und gut gewählt. Da die Herausforderungen nicht allzu tief und komplex sind, hätte es sich ansonsten ganz schön gezogen.
Stilistisch wie inhaltlich bedient sich Dune bei den Motiven des Romans und des Films und schüttelt alles gut durch. Thematisch waren breite Schnitte natürlich unvermeidlich, aber inhärent ergibt das Übrige schon noch Sinn. Immerhin hat man sich nicht vollständig auf die externalisierte Action verlegt, sondern ein paar der philosophischen und religiösen Themen zumindest noch angedeutet. Ein paar Charaktere wurden sichtlich nach den Filmdarstellern gezeichnet. Paul erkennt man leicht als den jungen Kyle MacLachlan, Jessica ist Francesca Annis und Feyd der damalige Sting. Anderswo hält man sich überhaupt nicht an diese Vorlage. Dr. Kynes, im Film von dem beinahe glatzköpfigen Max von Sydow verkörpert, ist zu einem haarigen Etwas geworden und Herzog Leto ist, nicht nur optisch, eine völlig andere Person als der ruhige, warmherzige Jürgen Prochnow. Die Erzähltechnik, innere Monologe im Flüsterton vorzutragen, wurde aus dem Film ebenso übernommen wie die Schallwaffen. Die später erschienene CD-Version wartete sogar mit ein paar Filmclips auf.
Das genreüberschreitende Spiel heimste bei Erscheinen gemischte Wertungen ein, wurde aber trotzdem zum kommerziellen Erfolg. Zeichen seiner Popularität kann man bis heute im Internet finden. Wenn überhaupt, dann ist der Ruf des Spiels seitdem gewachsen. Der eher leichtgewichtige Spielinhalt deckt sich gut mit heutigen Spielererwartungen. Narrativ getriebene Spiele sind in der Zwischenzeit zur Norm geworden und das Fantasygenre ist ohnehin im Mainstream angekommen. Man es auch stellenweise etwas klein gedacht sein (beispielsweise sind die Planetenkarte und die Treffpunkte mit den wichtigen Charakteren immer gleich), doch spielenswert ist es allemal. Nicht viele Spiele sind so gut gealtert.
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