Caribbean Disaster
für Amiga (OCS/ECS)

01.jpg
Mr Creosote:
Firma: Silver Style / Ikarion
Jahr: 1996
Genre: Strategie
Thema: Geschäftswelt / Cartoon & Comic / Humor / Politik / Krieg
Sprache: Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 14270
Rezension von Mr Creosote (16.03.2013)
Avatar

Manchmal läuft es so, dass man sein ganzes Leben einem vergangenen Erfolg hinterherläuft. Ralph Stock hatte mit Mad TV einen überwältigenden kritischen und kommerziellen Hit gelandet. Mad News kam spaßtechnisch immerhin nahe ran, aber auf dem Markt blieb der große Erfolg aus. Carribean Disaster hätte man eigentlich gleich Mad Island nennen können – immerhin ist dies der Name der Insel, auf der sich alles abspielt.

Mad Island ist nämlich die typische Bananenrepublik: ein winziger, weltpolitisch bedeutungsloser Staat, der von einer kleinen Militärjunta regiert wird, aber tatsächlich – wie befinden uns auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges – die Spielwiese diplomatischer Machtspielchen zwischen den USA und der UdSSR ist. Der Spieler übernimmt die Rolle eines der vier Kabinettsmitglieder – Präsident, Armeeminister, Luftwaffenminister oder Marineminister – und Spielziel ist es, möglichst viel staatliche Gelder (generiert durch Steuereinnahmen und „Entwicklungshilfe“) in die eigene Tasche zu stecken, um damit einen Altersruhesitz in der Antarktis zu erwerben und ein Fluchtfahrzeug für den Weg dorthin zu basteln; während man natürlich seine Konkurrenten daran zu hindern versucht, das gleiche zu tun.

disaster07.png
Freie Wahlen?

Auf dem Weg dorthin muss man sich mit wechselnden Prioritäten herumschlagen und zeitweilige strategische Allianzen schmieden. Die politische Situation auf der Insel ist natürlich alles andere als stabil. Verliert der Präsident die Unterstützung der Mehrheit der sonstigen Regierungsmitglieder, werden für den Folgetag direkt Neuwahlen angesetzt. Eine gute Gelegenheit für den Spieler, selbst für das Präsidentenamt zu kandidieren, um so noch näher an die dicken Geldtöpfe zu kommen.

Ein satirischer Geniestreich ist, dass die möglichen Kandidaten immer… genau die vier Angehörigen der bisherigen Regierung sind! D.h. die Minister können den Präsidenten so oft umstürzen, wie sie wollen – selbst er wird garantiert wieder der nächsten Regierung angehören. Ganz wie im echten politischen Leben dreht sich alles nur im Kreis, schmort im eigenen Saft. Als Stimmvieh werden die anderen Einwohner der Insel immerhin schon noch benötigt. So muss man ihre Sympathien also auch gewinnen; ob nun durch konventionelle Methoden wie flammende Reden auf dem Marktplatz, das Kleben von Plakaten und die Veranstaltung von Partys oder mittels der düsteren Kanäle der Geheimpolizei, die durchaus fähig ist, auch mal eben die Meinung eines Menschen umzudrehen oder am Wahltag stumpf wegzusperren…

Fast alle Bewohner haben darüber hinaus auch noch eine andere (über das wiederholte Wählen hinaus) Funktion auf der Insel, das gilt nicht nur für den Chef der Geheimpolizei. Sein eigener Bruder ist interessanterweise beispielsweise der Kopf der anarchistischen Rebellen. Der DJ des lokalen Radiosenders spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle in der Meinungsmaschine: Für eine angemessene Summe verbreitet er nur zu gerne falsche Gerüchte über die politische Konkurrenz. Dann gibt es noch den Kardinal, der ausgerechnet mit schwerem militärischem Gerät handelt. Und natürlich den Industrieboss, dessen Fabrik die Munition für sämtliche auf der Insel benutzte Waffen herstellt: Popcorn.

Aufgrund der wechselnden Rollen, die der Spieler und seine Konkurrenten einnehmen können, sowie den damit verbundenen Kompetenzen, entstehen interessante spielerische Abhängigkeiten. Der Präsidentenposten verfügt über direkten Zugriff auf das Staatsbudget, aber andererseits ist dies gleichzeitig die Stelle völlig ohne eigene Exekutivmacht. Jene liegt bei den Ministern, und zwar in Form von Waffensystemen, mit denen sie Zufahrtswege blockieren oder gleich strategisch wichtige Gebäude direkt angreifen können, um somit den Mitbewerbern den Zutritt zu verwehren. Doch für solche Taktiken braucht man eben einen Nachschub an Waffen und sonstigen Versorgungsgütern – deren Finanzierung wiederum vom scheinbar machtlosen Präsidenten kommen muss.

disaster14.png
Sturm auf den Präsidentenpalast

Dadurch sollten die Partien prinzipiell dynamisch werden, da man, um das Spiel zu gewinnen, nicht langfristig auf einem Posten sitzenbleiben kann; ebenso, wie man auch seine Loyalitäten öfters mal ändern muss, da die notwendigen Teile zur Konstruktion des Fluchtmittels aus unterschiedlichen ausländischen Quellen kommen müssen. Selbst die Verschiebung auf einen anderen Ministerposten durch den neuen Präsidenten kann die wohlgelegten Pläne plötzlich durchkreuzen.

Soweit die Theorie, doch leider setzt das Spiel dies nicht in diesem Sinne erfolgreich um. Die offensichtlich beste Gewinnstrategie ist es, ein einziges Mal Präsident zu werden, sich an der Macht zu halten, während man ordentlich Geld scheffelt und die Minister klein hält, und anschließend einmal freiwillig auf einen Ministerposten zu wechseln, um den Fluchtplan mit dem hoffentlich ausreichend vorhandenen Geld umzusetzen. Dies ist völlig transparent ersichtlich, da die Spieloptionen doch sehr überschaubar sind – mehr als zehn Minuten können sie dem prüfenden Blick eines halbwegs geübten Spielers nicht widerstehen. Es mag durchaus witzig aufgefasst werden, dass das Spiel völlig ohne langfristige Planung auskommt (einen Tag der Geheimpolizei Honig um den Bart zu schmieren und sich am nächsten direkt mit den Rebellen zu verbünden funktioniert ohne Weiteres – ein satirischer Kommentar, dass dies sowieso alles austauschbar ist?), aber es bedeutet eben auch, dass der Spieler niemals etwas falsch machen kann; schlimmstenfalls verzögert man seinen unweigerlich eintretenden Erfolg um einen oder zwei Spieltage.

Zweifellos verdient die sich jenseits jeder „political correctness“ befindliche Grundidee höchstes Lob. Die spielerischen Ideen sind ebenfalls gut. Vielleicht ist die Insel einfach zu klein geraten: Effektiv benötigt man jeden Spieltag die gleichen drei oder vier Stops, an denen man dann seine täglichen Routineaufgaben erledigt. Andere vorhandene Rollen muss man nur ein oder zweimal im gesamten Spiel überhaupt konsultieren. Verschiedene Wege zum Erfolg gibt es eigentlich nicht. Gäbe es eine etwas höhere Bevölkerungsdichte, hätte man durch den Einbau weiterer (sinngebender) Charaktere und vielleicht sogar Verbindungen zwischen solchen, also den Einbau übergreifender Aktivitäten, für die mehr als genau eine Person notwendig wäre, und die vielleicht nicht so einseitig positive oder negative Effekte hätten, langfristigere Motivation schaffen können. Für kurzfristigen Spaß kann man Carribean Disaster aber immerhin empfehlen.

Kommentare (1) [Kommentar schreiben]

[Antworten]

Quiz